19. Mai 2015, Straßburg
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!
Wir können Französisch, Italienisch, Deutsch sowie skandinavische und baltische Sprachen hören. Ohne auch einen davon beim Namen zu nennen, möchte ich nur so viel sagen, dass ich es niemals wagen würde, in dieser Weise über ihr Land, Volk und Nation zu sprechen, und zwar ganz einfach deshalb nicht, weil ich dies mit meinem Gewissen nicht vereinbaren könnte. Erlauben Sie mir deshalb bitte, dass auch den Ländern, die hier von solchen Menschen vertreten werden, die Ungarn in dieser Weise angegriffen haben, auf diesem Wege den Respekt Ungarns und des ungarischen Volkes zum Ausdruck zu bringen. Bitte erlauben Sie mir, dass ich auf die eingegangenen Wortmeldungen der ungarischen Parlamentsabgeordneten nicht antworte, denn ich möchte unsere Heimat nicht zu einer bedauernswürdigen Sache verkommen lassen, und sie dabei in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen.
Ich nehme zur Kenntnis, dass einige ungarischen Parlamentsabgeordnete hier ihre eigene Heimat angreifen, wobei von jemandem sogar ein Vorschlag gemacht wurde, Ungarn die finanzielle Unterstützung entziehen zu lassen, weil es diese nicht verdiene. Was soll ich dazu sagen, das müssen Sie mit ihrem eigenen Gewissen ausmachen!
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!
Jemand hat auch die illiberale Demokratie erwähnt. Wir haben keine Zeit, dies im Einzelnen auszuführen, ich möchte jedoch anmerken, dass meiner Auffassung nach, die liberalen Organisationsgrundsätze der Wirtschaft und der Gesellschaft in den Zeiten der Wirtschaftskrise im Jahr 2008 gescheitert sind, und wir uns gerade deshalb derzeit in einer solcher Krise befinden, in der wir gerade stecken.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Mit Freude habe ich gehört, dass eine große Anzahl der hier Anwesenden Sándor Márai gelesen haben, aber es nicht im geringsten als Missstand empfinden, dass Sie uns erklären möchten, was, wie und mit welcher geistigen Auffassung unser großer Dichter geschrieben hat? Mit großer Freude habe ich den Beitrag unseres Abgeordnetenkollegen Louis Michel vernommen, der mich über Demokratie belehrt hat. Ich möchte Sie darüber in Kenntnis setzen, dass ich sechsmal für das Amt des Ministerpräsidenten kandidiert habe, dreimal die Wahl verloren und dreimal gewonnen habe, und das Ganze sich wahrscheinlich noch wiederholen wird, wobei ich in all diesem keinen Beweis eines antidemokratischen oder autokratischen Systems erkenne. Erlauben Sie mir gleichfalls, auch dem Vorsitzenden der Liberalen zu antworten.
Sehr geehrter Herr Präsident!
Ich denke, dass ich sowohl ihre Situation, als auch ihre Motivation verstehe, denn die Liberalen waren in Ungarn einmal eine große Partei, und spielten eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Kommunismus, und sind dennoch aus dem öffentlichen Leben fast verschwunden. Ich verstehe, dass dies die Liberalen in Europa verärgert, bitte Sie aber darum, deshalb nicht auf die Wähler in Ungarn - auch mich mit eingeschlossen - zornig zu sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Denen, die unseren Konsultationsfragebogen beanstandet haben, möchte ich an dieser Stelle eine Information zukommen lassen.
Der Vorsitzende der Liberalen hält die Frage nicht für angebracht, die wie folgt lautet:
„Würden Sie die ungarische Regierung dabei unterstützen, gegenüber der Brüsseler Laissez-faire Politik eine strengere Einwanderungsregelung einzuführen?“ Hier liegt der Hund begraben, hier geht es um das Wesentliche! Meine sehr geehrten Damen und Herren, bis zum Jahr 2012 hatten wir keine derartigen Probleme. Ungarn hatte eine nationale Regelung, wir konnten die Flüchtlinge an den Landesgrenzen Ungarns aufhalten, und ihnen ein rechtmäßiges Verfahren sicherstellen. Im Jahr 2012 hat uns aber die Europäische Union dazu gezwungen, die ungarischen Regelungen zu verändern, und seither werden wir von einer Flut Wirtschaftseinwanderer überschwemmt. Wenn sie Ungarn nicht dazu gezwungen hätten, diese Regelungen zu ändern, hätten wir heute gar kein Problem. Ich verstehe, dass die Europäische Union in Ungarn eine neue Regelung ausprobieren wollte, jetzt sind aber einige Jahre vergangen, die Sache hat sich nicht bewährt, weshalb ich Sie jetzt darum bitte, es zu ermöglichen, dass wir selbst Ungarn beschützen können.
Und zu guter Letzt, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird es noch lange Diskussionen über die Todesstrafte, die Flüchtlingsfrage und auch über die Frage der Wirtschaftseinwanderer geben. Ich freue mich darüber, dass wir hier unser Ziel heute erreicht haben. Die Diskussion wurde ausgelöst. Wenn der Weg auch lange sein wird, wurde der erste wichtige Schritt heute von Europa getan.
Vielen Dank für ihre geschätzte Aufmerksamkeit.
(Prime Minister's Office)