Budapest, 29. Mai 2015
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Jetzt habe ich wirklich ein kleines Problem. Eigentlich habe ich mir vorgestellt, dass ich hier eine Rede halten werde, und was ich möglicherweise auch tun werde, aber inzwischen wurden hier einige ganz hervorragende Reden gehalten, und man wird üblicherweise gerade deshalb zum Ende des Programms eingeteilt, damit man auch reflektiert, was die Redner vor einem gesagt haben. Das würde jetzt übrigens eine eigene Rede erforderlich machen. Was sollen wir jetzt also tun? Vorerst meine sehr geehrten Damen und Herren, möchte ich nicht auf die Möglichkeit verzichten, einige hier vorgetragenen Gedanken fortzusetzen oder anders formuliert zusammenzufassen.
Also schauen wir einmal. Herr Ministerpräsident Boross, was können wir aufschreiben und lernen? Die Wertschätzung und die anständige Verwertung der Vergangenheit gelten als Aufgabe einer bürgerlichen Regierung. Ich halte es für wichtig, zwischen Ideologie und Ideal einen Unterschied zu machen, wobei dies uns Menschen nicht immer ganz gelingt, da es sich dabei um eine hohe Kunst handelt. Die Ideologie gilt als geschlossenes Weltbild, das uns zu einem ständigen zwanghaften entsprechen wollen führt, dabei die Wirklichkeit und das Ideal irgendwie in Einklang zu bringen ist, und dessen Ergebnis am häufigsten in Dogmatismus mündet, das heißt, es entstehen Verbohrtheit und schematische Entscheidungen. Dagegen eröffnet eine von Idealen geleitete Politik, wie dies vorhin von Herrn Ministerpräsidenten ausgeführt wurde, die Möglichkeit zu pragmatischen Reaktionen auf die Veränderungen in der Welt. Ich bedanke mich sehr, und habe mir das notiert. Ich möchte nur am Rande anmerken Herr Ministerpräsident, dass wir alle sehr gerne im Alter von 86 Jahren noch so klar über die komplizierten Themen der Welt sprechen würden. Ich bin aber ganz zuversichtlich, da immerhin die Möglichkeit besteht, dass das Amt des Ministerpräsidenten einen ebenso so gut frisch hält. Ich halte auch den Ausdruck: „nachhaltige Führung“, den ich mir ebenfalls notiert habe, für wichtig. Unsere Gegner interpretieren dies als „Kurs“. Die nachhaltige Führung gilt dabei als positiver Ausdruck, während der Ausdruck „Kurs“ als negativer Ausdruck einzustufen ist. Dabei ist wichtig, uns immer wieder in Erinnerung zu rufen, dass dies nicht nur in der Vergangenheit so war, Herr Ministerpräsident, sondern in gleicher Weise auch in der Gegenwart und in der letzten Vergangenheit geschehen ist, da Kanzler Kohl für Deutschland 16 Jahre lang eine nachhaltige Führung sichergestellt hat, ohne dass man ihn mit der Kritik eines ansonsten schlechtklingenden „Kurses“ hätte belegen können. Ich habe mir auch einige bedeutende Spracherneuerungen notiert, die wir vielleicht einführen sollten: den Dienst für Bildwesen und die Kontaktpflege der Abgeordneten mit den Wählern und dem öffentlichen Leben. Eine Sache, nämlich den Vorschlag für zwei neue Minister habe ich mir allerdings nicht notiert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich möchte mich gleichzeitig auch bei György Matolcsy dafür bedanken, dass er heute hier unter uns ist, und seinen Vortrag gehalten hat. Mir geht es genauso, wie Ihnen häufig mit der Politik: eventuell auch mit mir persönlich, diese Sache ist wirklich etwas kompliziert, man weiß gar nicht genau, ob die Sachen gut oder schlecht laufen, weshalb mir jeder die Frage stellt, ob es mir gut geht. Wenn es mir nämlich gut geht, dann laufen die Sachen offensichtlich ebenfalls gut. So geht es mir mit den Finanzen. Ich halte immer ein Auge darauf, in welchem Zustand sich der Präsident der Nationalbank befindet, und falls ich sehe, dass er gut aussieht, was meiner Meinung nach ganz in Ordnung ist, dann denke ich immer, dass auch die Finanzen im Großen und Ganzen in Ordnung sind. Ich freue mich sehr darüber, dass du, lieber Präsident, uns dahingehend beruhigt hast!
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Eine wichtige Sache ist, da wir dies auf dieser Ebene noch nicht formuliert haben, dass all das, was wir in den letzten Jahren getan haben, als eine neue Wirtschaftsphilosophie beschrieben werden kann, und vom Herrn Präsidenten als Neo-Merkantilismus bezeichnet wurde. Es lohnt sich, dies auch in unsere Wörterbücher und Denkweise zu integrieren. Gleichzeitig möchte ich betonen, dass das, was wir hier gehört haben, nämlich dass die verborgene Quelle des Erfolgs in Ungarn die Steuerreform war, und dass diese Steuerreform auf alle Fälle verteidigt werden sollte, genau der Wahrheit entspricht. Jedes Steuersystem kann der Kritik ausgesetzt werden, da man einem Steuersystem gleichzeitig viele Aspekte entgegenstellen kann. Aus diesem Grunde existiert auch kein Steuersystem, das von jedem Standpunkt aus betrachtet, richtig und gerecht wäre. Auf die Frage, was das sein soll, das gleichzeitig in der Lage ist, für Gerechtigkeit und Ergebnisse zu sorgen, möchte ich Ihnen antworten, dass, falls jemand irgendwann in absehbarer Zeit – da wir nicht in die fernere Zukunft blicken können – dieses Steuersystem antastet, und die Pfeiler dieses Steuersystems verändert, wird die ungarische Wirtschaft zur Erfolglosigkeit verdammen, und macht damit auch die Diskussionen über die Verteilung des erwirtschafteten Einkommens überflüssig, da es keine erwirtschafteten Einkommen mehr geben wird. Aus diesem Grunde wird dieses Steuersystem, über das – ich wiederhole – man jede Art von Diskussionen führen kann, auf jeden Fall von uns verteidigt werden. Und dann gibt es hier noch eine Sache, meine sehr geehrten Damen und Herren, die ich im Zusammenhang mit dem Herrn Präsidenten ansprechen möchte. Ohne die Nationalbank kann nämlich die Wirtschaft nicht erfolgreich gesteuert werden. In der modernen Welt existiert allerdings das Dogma, gemäß dem die Regierung für die Wirtschaftspolitik verantwortlich ist, und die unabhängige Notenbank für die Währungspolitik. Falls diese Beiden jedoch nicht Zusammenarbeiten, oder zwischen diesen sogar ein Konflikt oder, Gott behüte, Feindschaft besteht, oder, Gott behüte, eine strategische Differenz vorhanden ist, die sich auch in den Zielen niederschlägt, dann kann das betreffende Land in sehr große Schwierigkeiten geraten. Genauso, wie dies in Ungarn im Laufe unserer Geschichte übrigens bereits öfters beobachtet werden konnte. Aus diesem Grunde muss ich hier, in Anwesenheit des Notenbankpräsidenten, mit dem gebührenden Dank aussprechen, dass ohne die Nationalbank die Reform der ungarischen Wirtschaft nicht geklappt hätte, und ohne die Notenbank hätten wir die finanziellen Erfolge nicht erzielen können, über die wir hier sprechen können. Ich sehe das genauso und habe deshalb einen riskanten Schritt gewagt, als die Position des Notenbankpräsidenten vakant wurde. Dabei handelte es sich um eine sehr schwierige Entscheidung, den bekanntlich kreativsten Wirtschaftsökonomen Ungarns, den Wirtschaftsminister unserer Regierung, György Matolcsy anstelle der Regierungsarbeit zu bitten, die Aufgabe des Notenbankpräsidenten zu übernehmen. Dabei handelte es sich um eine äußerst riskante Entscheidung, aber ich habe den Eindruck, dass die Zeit bisher – wobei das Risiko niemals ganz verschwinden wird– diese Entscheidung bestätigte. Ich halte es für sehr wichtig, was der Notenbankpräsident über den Zeitpunkt der Entscheidung über Devisenkreditnehmer gesagt hat. Es gibt Momente, in denen man nicht – bitte Entschuldigen Sie den Ausdruck – herumwursteln darf. Es gibt Momente, in denen man einfach spüren muss, dass, falls wir jetzt den geeigneten Moment, die sich gerade bietende Gelegenheit verpassen, wir dann einen ebensolchen Fehler machen, dessen Preis wir dann jahrelang oder sogar jahrzehntelang bezahlen müssen. Die Umgestaltung der in Devisen geführten Kredite in Forintkredite war so ein Moment. Vom Herrn Präsidenten wurden die möglichen Konsequenzen sehr gut beschrieben, die sich dann ergeben hätten, wenn wir nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hätten, und ich stimme auch mit seiner Kalkulation überein, nämlich, dass ansonsten die monatliche Tilgungsrate der Devisenkreditnehmer durchschnittlich um 70 % angestiegen wäre. Derzeit wird eher darüber diskutiert, um welchen Wert diese zurückgeht. In dem Fall hätten wir aber erlebt, dass sie um 70 % angestiegen wäre, und deshalb hat der Präsident meiner Meinung nach damit Recht, dass das Land dies nicht hätte tragen können. Erst wären die Familien zusammengebrochen, und – Sie erinnern sich noch sicherlich gut an den externen Druck im Herbst – dem Druck im Herbst hätte dann vermutlich – obwohl wir eine ganz positive Meinung über die Stabilität der Regierung haben mögen – selbst die Regierung nicht standhalten können, und dann wäre in Ungarn das Chaos ausgebrochen. Und zwar in der Weise, wie darüber übrigens in den USA damals diverse Schriften und Szenarien veröffentlicht wurden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich bedanke mich beim Herrn Minister Balog dafür, dass er mit seinen Angaben klar gemacht hat, dass wir die Wahlen im Jahr 2014 nicht umsonst gewonnen haben, da all das, worüber er gesprochen hat, tatsächlich eingetroffen ist; vom Sport angefangen bis hin zur Kultur, vom Gesundheitswesen bis hin zum Sozialsystem. Ich habe mir den wichtigen Rat notiert, nämlich dass nach einer Sport treibenden Nation die nächste Station der Ontogenese die Entstehung der Fairplay-Nation sein muss. Dies gilt vielleicht sogar für die einzelnen Personen, möglicherweise könnte nach einem Sport treibenden Ministerpräsidenten die nächste Station der Ontogenese ein Fairplay-Ministerpräsident sein. Ich verspreche Ihnen, darüber nachzudenken. Ich möchte mich beim Herrn Minister Balog auch für die Erwähnung der gemeinnützigen Pflichtarbeit bedanken. Die Geschichte, die ich jetzt vortragen werde, hat er zwar nicht angesprochen, soll aber gewissermaßen als Fortsetzung seiner Ausführungen dienen. Ich weiß gar nicht mehr, in welcher Ortschaft sich dies zugetragen hat, vielleicht gerade im Wahlbezirk unseres Herrn Minister Sándor Fazekas – jedenfalls habe ich in den Nachrichten gelesen, dass, wenn ich richtig liege, mehrheitlich Zigeuner eine Demonstration vor dem Gemeindehaus oder Rathaus organisiert haben, um Forderungen zu stellen. Man hat Arbeit gefordert. Man hat keine Sozialhilfe, sondern Arbeit gefordert! Das war der Moment, als ich das Gefühl bekommen habe, dass wir gewonnen haben. In dem Augenblick habe ich das Gefühl gehabt, dass die schwere Zeit der Systemwende vorbei ist, womit wir bereits eine neue Epoche erreicht haben. Wenn die in schwierigsten Verhältnissen lebenden und zum Warten auf Sozialhilfe gezwungenen sozialen Schichten Ungarns verstehen, dass es sich lohnt, anstatt für Sozialhilfe, für Arbeit zu demonstrieren, dann handelt es sich um einen Moment, in dem die Einheit der Nation wiederhergestellt werden kann, und in der Tat, wir alle gemeinsam zuversichtlich in die Zukunft blicken dürfen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Während ich den Ausführungen von Mária Schmidt zugehört habe, habe ich die Weisheit der Stiftung gelobt, keinen einzigen Botschafter eingeladen zu haben. Zweifelsohne wurden von der Stiftung zu dieser Konferenz ein sehr schöner Referentenkreis und Publikum eingeladen, aber dies hätte uns speziell jetzt wirklich nicht gefehlt. Nichtsdestotrotz muss ich hinzufügen, dass ich diese Annäherung und diesen Ton für erforderlich halte, da man ohne geistigen Mut weder das Land aufbauen, noch die Regierung leiten kann. Ohne geistigen Mut kann man eigentlich gar nichts machen. Und im Falle eines solchen Landes, und eines Landes von der Größe Ungarns hat auch die Außenpolitik immer schon Mut im Geiste erfordert. Und nicht nur zum Machen und Gestalten, sondern auch zum Ansprechen dieser erfordert es geistigen Mut. Wir können es Mária Schmidt verdanken, dass in Ungarn – wie dies eigentlich schon immer der Fall war – die Mutigsten eher aus den Reihen der Frauen stammen. Es gibt immer noch welche, die es wagen, mit geistigem Mut Themen anzusprechen, die übrigens unser weiteres Schicksal bestimmen. Es mag vielleicht übertrieben erscheinen, was ich sage, aber ich bin der Meinung, dass, falls hier unter uns keine Menschen wären, die sich dem geistigen Mut verpflichtet haben, dann könnten wir, egal wie groß unsere Herde auch immer sein mag, insgesamt betrachtet nur eine blökende Herde bilden. Die Schlussfolgerung, die ich aus dem Vortrag von Mária gezogen habe, lautet wie folgt: es ist überaus ratsam, uns unseren gesunden Menschenverstand zu bewahren. Und in der Tat sieht die Sache so aus, dass die Lesungen der alten Weltordnung, bzw. die Interpretationsschemata der Welt unnütz geworden sind. Die Nutznießer der früheren Schemata versuchen das Neue und die Neuen fortlaufend unter Wasser zu drücken, dazu gehört auch die Diskussion über den Liberalismus oder Illiberalismus oder ebenfalls die Diskussion über die Öffnung nach Osten. All dies gilt als Abdruck dessen. Mária, wir bedanken uns herzlich für deinen Vortrag!
Und nach all diesem sollte ich jetzt meinen eigenen Vortrag halten. Dazu kommt noch und wirft einen Schatten auf diesen Vortrag, dass sich heute die Welt nicht auf uns konzentriert, sondern auf die Hauptversammlung der FIFA, aber so ist halt das Leben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Das Wirtschaftswachstum des Landes schreibt rote Zahlen. Die Staatsverschuldung liegt bei über 85 %. Die Inflation liegt bei über 6 %. Das Defizit des Staatshaushalts beträgt nahezu 7 %. Die Arbeitslosigkeit bewegt sich auf die 12 Prozentmarke zu. Von Zehn Millionen Ungarn arbeiten lediglich 3 Millionen 750 Tausend Menschen, und selbst von diesen bezahlen lediglich 1 Million 800 Tausend Menschen Steuern. Ungarn gilt als das gefährdetste Land der Europäischen Union. Diese Datenreihe lässt unser Blut in unseren Adern erstarren, nicht wahr? Es ist deshalb auch kein Wunder, dass im Jahr 2010, in dem Jahr der Tatsachenbewältigung in den Adern eines ganzen Landes das Blut erstarrt ist. So sahen nämlich die Fakten aus. Im Frühjahr 2010 sah Ungarn genau so aus, wie eben beschrieben. Im ganzen Land hörte man ganz laut nur eine einzige Frage: Mein Gott, was soll denn daraus noch werden? Und dann entstand aus dieser Notlagengefahr heraus zuerst ein Zusammenhalt, und dann aus dem Zusammenhalt eine Zweidrittelmehrheit bei den Wahlen. Und dann wurde am 29. Mai 2010, das heißt genau vor fünf Jahren die Regierung gebildet. Diese war nicht unsere erste Regierung, da wir zwischen 1998 und 2002 bereits das Ruder in der Hand gehalten haben. Allein der Gedanke wiegt schwer, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir ab morgen bereits seit zehn Jahren an der Regierung sind.
Im Jahr 2010 mussten wir das Ruder eines solchen Schiffes fest in die Hand nehmen, das gerade gekentert auf einer Seite liegend über eine Sandbank getrieben ist, wobei durch große Lecks bereits Wasser eingedrungen war, und vom Ufer aus jeder Schaulustige beobachten konnte, wann das Schiff endgültig untergeht. Vor fünf Jahren galt Ungarn als ein solches Schiff. Vor fünf Jahren, als ich durch die Güte der ungarischen Wähler zum zweiten Mal eine Regierung bilden konnte, habe ich die Führung eines Landes übernommen, das am Rande der Pleite stand und in Hoffnungslosigkeit und Aussichtslosigkeit versunken war, und habe gewusst, dass ich damit die schwerste Aufgabe meines Lebens übernommen hatte. Aus heutiger Sicht ist es schwer zu fassen, von wo aus wir die Arbeit begonnen haben. Nach acht Jahre sozialistischer Regierung und der im Jahr 2008 ausgebrochenen Finanzkrise lag Ungarn nicht nur in Ruinen dar, sondern in der ganzen Welt hätte auch niemand einen Cent oder nicht einmal eine Lochkupfermünze darauf gewettet, dass wir Ungarn aus dieser Lage heraus wieder auf die Beine kommen würden. Wir haben die von Adenauer formulierte Wahrheit an unserem eigenen Leib erfahren, als er gesagt hat: „Die Geschichte gilt als Gesamtheit all der Dinge, die wir hätten vermeiden können.” Unsere Heimat, die im Jahr 2002 noch als Vorreiter der Region galt, wurde von den Sozialisten zum Schlusslicht der Region heruntergewirtschaftet.
Ich aber verkünde Ihnen mit vollem Respekt, dass es derzeit bereits ebenfalls als historische Tatsache gilt, dass wir Ungarn die als unmöglich erscheinende Herausforderung angenommen haben. Wir haben die Gefahren bewältigt, und selbst wenn auch noch reichlich Probleme vor uns liegen, die zu lösen sind, können wir dennoch selbstsicher und zuversichtlich in die Zukunft blicken. Heute sind wir die Bürger eines in jedem seiner Glieder gestärkten Landes, das auf sicheren Füßen steht, und selbst im europäischen Vergleich gute Leistungen erbringt. Das ist dann doch ein ganz anderes und wesentlich leichteres Gefühl. Aber um bei dem Vergleich zu bleiben: die ungarische Fregatte ist stabil, wobei zwar ein paar Schrauben zerbrochen sind, aber der Kiel noch heil ist. Vielleicht vergleichbar mit dem Segelschiff von Nándor Fa und seinem Team beim letzten Turnier. Die Hauptsegel sind bereits hochgezogen, aber es gibt noch genug zu tun, und auf dem Deck in Ordnung zu bringen, und auch das Meer ist noch stürmisch, aber wir haben in den Wellen bereits sicher Fahrt aufgenommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wir sind ja heute hier, um die hinter uns liegenden fünf Jahren zu bewerten und es lohnt sich im Zeichen der nackten Tatsachen und des Redens ohne Umschweife von der Aussage auszugehen, dass unsere Heimat seit 2010 eine überraschende und erhebende Veränderung durchlaufen hat, und hier nicht mehr viel daran erinnert, wie es damals war. Dass dies alles so werden konnte, müssen wir zuerst dem Herrgott danken. Soli Deo Gloria! Danach folgen gleich die Ungarn in der Aufzählung, da sie diejenigen waren, die das Land wieder auf die Beine gestellt haben. Der Regierung steht kein Dank zu, sie hat lediglich getan und erledigt, wofür sie sich verpflichtet hat. Vom hier anwesenden Präsidenten des Sportvereins Honvéd wissen wir übrigens auch, dass, wenn jemand Dankbarkeit erwartet, er sich einen Hund zulegen sollte. Der Verdienst unserer Regierung geht höchstens so weit, wie Churchill seiner eigenen Regierung zugesprochen hatte. Ich möchte ihn an dieser Stelle zitieren: „Wir haben uns nie vor den Taten gefürchtet, sondern vor der Machtlosigkeit etwas zu bewirken.” Gemeinsam mit den Menschen haben wir eine Epoche abgeschlossen. Die größte Donauüberschwemmung aller Zeiten umfasst und symbolisiert ganz getreu die das ganze Land vereinenden Anstrengungen. Ich denke, dass niemand, und nicht einmal unsere Gegner würden uns dies absprechen, dass wir ein riesiges Werk erledigt haben. Dabei haben wir auch – wie dies immer der Fall ist – zahlreiche Fehler begangen und danebengegriffen, und haben auch einige wirklich große Böcke geschossen. Zu erwähnen ist gleich zu Anfang der Vorschlag zur Erweiterung der Fernmeldesteuer, der sich als Internet-Steuer in das öffentliche Bewusstsein eingeprägt hat. Für uns spricht dabei allemal, dass wir so viel Vernunft haben, nicht auf unseren eigenen Fehlern zu beharren, und mittels der nationalen Konsultation über das Internet, bzw. mit dem erhofften Ergebnis daraus sogar noch etwas Nützliches aus dem Ganzen hervorgehen könnte. Ich kann nicht versprechen, in Zukunft keine Fehler mehr zu machen, aber die Ungarn können mit einer Sache ganz fest rechnen, nämlich dass wir auch in Zukunft auf ihre Stimmen hören, und uns ihre Meinung anhören werden. Als ebenfalls wichtige Lehre gilt dabei, dass die Möglichkeit, Fehler zu begehen, uns nicht davor zurückhalten darf, dass wir irgendwann damit beginnen, vor der Verantwortung zu flüchten, und darf auch nicht in ein Verhalten münden, das den Versuch unternimmt, die Verantwortung von sich zu weisen, und auf andere abzuwälzen, oder in einer übersteigerten Risikovermeidung oder einem politischen Nichtstun oder einer Alibisucherei. Die Möglichkeit, sich zu irren oder Fehler zu machen – was ein gesetzmäßiger Begleiter unseres Berufes ist – soll nicht unseren Mut, unsere Fantasie oder Innovationsfähigkeit einengen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wann lag die Inflation zu einem früheren Zeitpunkt jemals bei null?
Wann ist es jemals vorgekommen, dass es gelungen wäre, den Wert der Renten von Jahr zu Jahr zu erhalten, und sogar noch zu steigern?
Wann ist es jemals vorgekommen, dass die Einkommenssteuer, die Körperschaftssteuer und die Steuerbelastung der Familien gleichzeitig reduziert wurden? Und all dies zu einer Zeit, in der ganz Europa von einer Krise geschüttelt wurde? Wenn früher eine Krise kam, hat man die Steuerbegünstigung nach den Kindern einfach gestrichen, und gleichzeitig den Müttern auch noch das Kindererziehungsgeld von einem ganzen Monat entzogen.
Und ist es in Ungarn oder irgendwo anderswo in Europa jemals vorgekommen, dass die Nebenkosten der privaten Haushalte radikal gesunken wären?
Wann ist es jemals vorgekommen, dass 90 % der ungarischen Kinder im Kindergartenalter mindestens dreimal am Tag eine kostenlose Mahlzeit erhalten?
Wann ist es jemals vorgekommen, dass sich die multinationalen Firmen und die Banken an den öffentlichen Lasten beteiligt hätten? Die Freiwilligkeit wird hierbei nicht als Aspekt betrachtet.
Wann ist es jemals vorgekommen, dass der Staat den geschädigten Kunden gegenüber den Banken Gerechtigkeit verschafft hätte?
Wann ist es früher jemals vorgekommen, dass unsere Wirtschaft die am schnellsten wachsende Wirtschaft in Europa gewesen wäre?
Was ebenfalls seit 23 Jahren nicht mehr vorgekommen ist, ist die Tatsache, dass niemals so viele Menschen Arbeit hatten, wie dies heute der Fall ist.
Und wann haben wir ein Grundgesetz gehabt, das unsere nationalen Werte in sich vereint, und sich für unsere christlichen Traditionen engagiert, sowie die Ehe, die Familie und den nationalen Zusammenhalt unter Schutz stellt?
Wann und in welchem Land kam es jemals vor, dass man die Anzahl der Politiker auf die Hälfte reduziert hat?
Seit der politischen Wende ist es das erste Mal, dass wir die Anzahl der Polizisten um 3500 Mann aufgestockt haben.
Und ich kann mich auch nicht daran erinnern, jemals erlebt zu haben, dass der Busfuhrpark von Budapest innerhalb von einigen Jahren praktisch völlig ausgetauscht worden wäre.
Und wann ist es jemals vorgekommen, dass wir Ungarn uns im internationalen Kampfring resolut und stolz für die ungarischen Interessen eingesetzt hätten?
Es ist gleichfalls noch nie vorgekommen, dass Ungarn eher seinen eigenen Weg gegangen wäre, und es gewagt hätte neuartige Lösungen auszuprobieren. Eine Anzahl von denen, die anfangs spöttische Kommentare hinsichtlich unserer unorthodoxen Methoden gemacht haben, erkundigen sich heute eher respektvoll nach den Rezepten. Heute werden unsere Ergebnisse von allen anerkannt, angefangen von der IMF über die Europäische Kommission bis hin zu den Ratingagenturen.
Ich habe hier so aus dem Stehgreif nur 15 solche große Schritte Ungarns der letzten fünf Jahre aufgezählt, für die früher kein Beispiel zu finden war. 15 herausragende Säulen, die allesamt bestätigen, dass in diesem Volk eine ganze Menge Courage und in diesem Land viel Fantasie steckt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich möchte heute aber auch darüber sprechen, unter welchen Umständen wir all dies erreichen konnten. Wir können nicht vergessen, welchen ernsthaften Druck von der ersten Minute an auf uns gelastet hat. Das Land, die Regierung, ich selbst und meine Mitarbeiter, wir alle befanden uns im Fadenkreuz der Kritik, häufig auch von groben und aggressiven Angriffen. Wir mussten ernsthafte Kämpfe austragen. Von Anfang an haben wir an Tabus und Dogmen gerüttelt, und selbst wenn wir nicht ganz so mutig sind wie Mária Schmidt, haben wir aber auch häufig heikle Fragen gestellt, und ohne Umschweife die Sachen angesprochen. Das galt von einer mitteleuropäischen Nation und insbesondere von uns als ein völlig ungewöhnlicher Schritt, da unsere Kommunisten und Liberalen hinsichtlich Schwanzeinziehen und opportune Anpassung weit vorne an der Spitze waren. Die Welt hatte sich an dieses Verhalten deshalb bereits gewöhnt.
Ich möchte eingestehen, dass es selbst mich überrascht hat, was danach geschah, da die Ungarn bei drei Wahlen gut vernehmbar und eindeutig die Politik der Regierung, und auch den Weg, den das Land seit 2010 gegangen ist, bestätigt haben. Ich habe gedacht, wobei ich vielleicht nicht der einzige war, der daran gedacht hat, dass diese klare Botschaft, wenn auch nur für eine kurze Zeit, die Gemüter beruhigen wird, und den Lauf der Dinge in eine ruhigere Gangart lenken wird. Dies ist aber nicht so geschehen. Es haben noch heftigere Angriffe und Austeilen von Hieben begonnen. Und das auch noch gleichzeitig aus jeder denkbaren Richtung. Wir gewöhnen uns aber langsam daran, und entwickeln eine Einstellung dazu, wie der Sekler-Wachtmeister, der sich in dem Witz darüber freut, dass sein Bataillon umzingelt ist, da man dann wenigstens in jede Richtung einen Angriff führen kann. Dies kennzeichnet das letzte halbe Jahr unseres Lebens.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ein Vierteljahrhundert ist eine lange Zeit und hinterlässt in jedem von uns seine Spuren. Dies wird einem im Spiegel – zumindest den Männern – morgens unbarmherzig vor Augen geführt. Falls dieses Schicksal einen dennoch verschonen würde, wird man daran durch seine Kinder an der Schwelle zum Erwachsenenalter erinnert. Sehr vieles kann sich in 25 Jahren verändern, und es verändert sich auch. Aber es gibt etwas, was unverändert bleibt. Und auf das, was selbst während 25 Jahren unverändert blieb, können wir, die das System verändert haben, stolz sein und sind es auch. Wir waren und sind die Anhänger eines freien und unabhängigen Ungarns. Wir waren dies bereits in den Zeiten des Kommunismus, zum Zeitpunkt der politischen Wende, und vertreten dies auch heute noch. Wir sind diejenigen, für die die Souveränität Ungarns kein Verhandlungsgegenstand darstellt. Wir möchten in einem freien und unabhängigen Ungarn leben, das Teil der westlichen Zivilisation und ein gleichberechtigtes und anerkanntes Mitglied der Europäischen Union und der NATO ist. Und an dieser Stelle, meine liebe Freunde und sehr geehrten Damen und Herren sollten wir ein paar Worte über die Frage unserer Mitgliedschaft in der Europäischen Union sprechen.
Aufgrund des Tieffluges der Linken erscheint derzeit die Partei des rechten Randes als führende oppositionelle Kraft. Ob es sich dabei lediglich um ein Pfingstkönigreich, das heißt, um eine Herrschaft von sehr kurzer Dauer handelt, wird sich mit der Zeit herausstellen. Wir stellen aber bereits jetzt klar: ich bin zwar bereit, in jeder denkbaren Frage eine Kritik zur Europäischen Union zu äußern, eine Diskussion mit den Brüsseler Bürokraten zu führen, aber ich bin entschieden dagegen, und deshalb schlage ich vor, dass wir dagegen kämpfen, wenn irgendjemand versucht, das Land in Richtung eines Austrittes aus der Europäischen Union oder der NATO zu lenken. Es mag zwar sein, dass manchmal schreckliche Ideen und an Verrücktheiten grenzende Vorschläge aus der bürokratischen Maschinerie der Union an die Oberfläche gelangen, und es mag ebenfalls zutreffen, dass wir auch keinen Mangel an empörenden Ungerechtigkeiten erleiden müssen, aber wir Ungarn gehören zu dieser Familie, und unser Interesse besteht darin, diese voranzubringen und niemals zu verlassen. Wir werden uns nicht scheiden lassen. Wir hatten ebenfalls gute Gründe der NATO beizutreten. Unser Ziel war es und ist es auch heute noch, uns vor einer militärischen Bedrohung aus dem Osten zu verteidigen, wobei ich es als elementares Interesse unseres Landes ansehe, gute wirtschaftliche Beziehungen zu Russland zu unterhalten. Wir dürfen dabei nicht vergessen, was die Kommunisten und die Sowjets unserem Volk, unserem Geist, unserer Kultur und unserer Lebensart angetan haben, aber in gleicher Weise gilt auch eine andere Wahrheit: wir sind eine Nation, die starke Wirtschaftsbeziehungen zum modernen Russland hat, und es ist von ausschlaggebender Bedeutung hinsichtlich unserer Zukunft, dass wir eine von den Nationen sind, wo der Handel zwischen Ost und West blüht. Dabei handelt es sich um ein nationales Interesse Ungarns. Die Logik Deutschlands mag hier sinnvoll sein. Die Deutschen haben erkannt, dass es wichtig ist, auf höchster Ebene Wirtschaftsbeziehungen zu Russland zu unterhalten, und gleichzeitig im Westen die Freiheit mit ganzer Kraft zu unterstützen.
Die hier Anwesenden wissen alle, dass derzeit eine grundlegende Meinungsverschiedenheit zwischen uns und den Bürokraten in der Union besteht. Darüber sollten ebenfalls einige Worte gesprochen werden. Dabei geht es um das Thema der Einwanderung. Wir gehören zu den Ländern, die die neue Einwanderungsregelung, die Brüssel Ungarn und den anderen Ländern aufzuzwingen versucht, am vehementesten kritisieren. Wir hoffen, dass man unserer Argumentation in Brüssel ein Ohr schenken und verstehen wird. Falls mir jemand mein grundlegendes Recht nehmen will, zu bestimmen, wen ich in mein Haus und in mein Heim oder in meine Heimat hineinlasse, der will mir nichts Gutes, sondern etwas Schlechtes. Derjenige möchte mich um mein elementarstes Selbstverteidigungsmittel bringen. Aber wie eine Person, kann genauso wenig eine Gemeinschaft nicht ihrer elementarsten Rechte beraubt werden. Dabei geht es um unsere eigene Angelegenheit, um unsere eigene Frage, um unsere eigene Zukunft und um unsere eigene Heimat. Über unsere Zukunft müssen wir selbst entscheiden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wir sind also Mitglied in einer großen Familie, in der von Zeit zu Zeit Diskussionen austragen werden müssen. Wir befinden uns in einer extrem sensiblen Gleichgewichtssituation, aber während wir balancieren, gilt es hinsichtlich der Zukunft Ungarns als entscheidend, zu unseren größten Partnern die bestmöglichen Beziehungen zu unterhalten. Wir möchten, dass Ungarn erfolgreich ist. Unser Ziel ist es, dass alle Großmächte ein Interesse daran haben, das Ungarn ein erfolgreiches Land ist. Einige sind der Meinung, dass es eine derartige Politik nicht möglich sei. Wer dies jedoch behauptet, kennt, meiner Meinung nach, nicht den Westen, nämlich jedes westliche Land bemüht sich, eine solche Politik zu praktizieren. Es gibt einige Länder, die dabei erfolgreicher sind, und wieder andere, die weniger Erfolge dabei erzielen. Die außenpolitische Denkweise, die die unterschiedlichen Tendenzen und Richtungen der internationalen Beziehungen als einander ausschließend betrachtet, gilt in Wirklichkeit als ein Erbe des Kommunismus, und ist somit nach meiner Ansicht völlig veraltet. Ich kann es auch so formulieren, wir müssen Ungarn aus der Welt ohne eigene Interessen und eigene Ziele in eine Welt der eigenen nationalen Interessen und Ziele überführen. Ich vertrete dabei der Ansicht, dass dies zwar zum Preis von kontroversen Diskussionen und zum Preis von ungarischen und internationalen Diskussionen geschieht, aber uns bereits heute gelungen ist.
Hierzu war eine Sache erforderlich: nämlich Mut. Das wir dies getan haben, stand nämlich in niemandes Interesse, einzig und allein in unserem eigenen Interesse. Ausschließlich und allein im Interesse Ungarns. Uns genügt dies als ausreichende Begründung und Argumentation. Es besteht zwar eine kritische Argumentation von den Linken, die ein mutiges Rückgrat für überflüssig, und als ein unnötiges Herumspringen und für unzweckmäßig ansieht. Dies veranschaulicht übrigens auch die wesentlichen Unterschiede zwischen der bürgerlichen Seite und den Linken. Unserer Auffassung nach kann nämlich jedermann glücklich sein. Die Schönen und auch die Hässlichen, die Alten und die Jungen, nur einer kann nie glücklich werden, und zwar der Feigling.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Und noch ein Thema, das an dieser Stelle angesprochen werden muss. Die frühere Regierung hat sich, wie wir dies seit der Rede von Öszöd wissen, selbst nach einem Geständnis als unehrenhaft erwiesen. Wir in der FIDESZ und in der Christlich Demokratischen Volkspartei haben hart dafür gearbeitet, eine Regierung zu bilden, auf die die Menschen stolz sein können, da sie der moralischen Messlatte entspricht, die dieses Volk verdient hat. Aus diesem Grund darf man niemandem erlauben, weder draußen, noch drinnen, wie auch immer, das in uns gesetzte Vertrauen der Menschen zu untergraben. Es ist schwer zu sagen, welche die zielführende Methode wäre, die Versuche zum Untergraben dieses Vertrauens abzuwehren. Welche wären die richtigen, vernünftigen und effektiven Mittel hierzu? Und was wären dagegen die Mittel, die lediglich einen hoffnungslosen Kampf gegen Windmühlen zum Ergebnis hätten? Eines ist sicher, wir müssen viel Energie, intellektuelle und politische Kraft dazu aufwenden, und zwar in einer Weise, wie wir dies mit anderen Worten formuliert von Herrn Ministerpräsidenten Péter Boross gehört haben. Aber mindestens genauso wichtig wäre es auch, dass wir einige moralischen Grundsätze und Messlatten erneut fest machen.
Niemand steht über dem Gesetz, und keiner darf seine Position und Macht missbrauchen. Niemand. Aber wir können auch nicht akzeptieren, dass man Menschen aus purem Neid heraus, weil sie mutig und erfolgreich sind, angreift. Einfach weil sie aktiver sind, und dabei mehr erreichen. Wir selbst möchten jedermann genau dazu anspornen und motivieren. Man sollte Ambitionen und Pläne haben und mehr tun und mehr erreichen. Schauen Sie, wie im öffentlichen Leben des Landes die ersten Ergebnisse zu beobachten sind, sofort wenn Erfolge und erfolgreiche Menschen auftauchen, kommt auch Neid auf. Die Kultur des Neides gehört zum Erbe des Kommunismus. Dazu kommt noch, dass extreme Parteien mit Vorliebe darauf ihr politisches Programm aufbauen. Diese versuchen, für jeden erfolgreichen Menschen den Nachweis zu führen, dass dieser in Wirklichkeit ein Mann der FIDESZ oder unter Umständen der Christdemokraten ist, und auch nur deshalb erfolgreich ist. Die Situation ist daher nicht ganz einfach. Ich schlage vor, dass wir auch in diesem Zusammenhang das richtige Gleichgewicht finden. Wir dürfen nicht akzeptieren, dass jemand seine Position und Macht missbraucht, aber gleichzeitig auch nicht erlauben, dass uns Neid erneut in den Sumpf der Kleinkariertheit, Kleingläubigkeit und Erfolglosigkeit hinunterzieht.
Für den Erhalt des Vertrauens muss man sehr viel arbeiten. Wir haben es uns erarbeitet. Jetzt müssen wir verstehen, dass es nicht ausreicht, unsere Arbeit gut zu erledigen. Für den Erhalt des Vertrauens müssen wir zusätzlich arbeiten. Man muss die Anschuldigungen klären, und das Prinzip der Null-Toleranz sowohl gegenüber allen Missbräuchen, als auch gegenüber allen unbegründeten Verleumdungen geltend machen. Die Arbeit zum Erhalt des Vertrauens hat auch ihre eigene Geschwindigkeit, ihre Finesse und Methodik. Man muss schwimmen und nicht herumstrampeln, und das Ganze auch noch mit großer Ausdauer. Wir werden in dieser Angelegenheit alles unternehmen, was in unserer Macht steht. Wir sind an der Regierung, damit wir den Menschen dienen. Für unsere Regierung steht Ungarn nach wie vor an erster Stelle. Wir dürfen uns nicht schämen es auszusprechen: wir möchten die beste Regierung der Ungarn aller Zeiten sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wir regieren nun ununterbrochen länger als fünf Jahre. Für jeden ist es ersichtlich, dass wir über keine außergewöhnlichen Fähigkeiten verfügen. Ich bin der Ansicht, dass es vielleicht eine Sache gibt, in der wir etwas Herausragendes bieten können. Ich denke, dass es wenige gibt, die so entschlossen an den Erfolg Ungarns und der Ungarn glauben, und diesen Erfolg so sehr erreichen wollen, wie wir dies tun. Man kann mir vielleicht vieles vorwerfen, aber diese eine, unsere Überzeugung und sogar Leidenschaft kann uns niemand abstreiten. Man bezichtigt uns von Zeit zu Zeit damit, dass uns eine leidenschaftliche Machtsucht leiten würde. Diejenigen, die dies behaupten, verstehen vielleicht die ungarische Geschichte falsch, und möglicherweise verstehen dabei auch die Geschichte unserer bürgerlichen, nationalen, christlichen und politischen Gemeinschaft falsch. Was zutrifft, ist, dass wir in der Tat eine gemeinsame Leidenschaft haben, deren Gefangene wir vielleicht sogar auch sind. Diese unsere Leidenschaft nennt sich Ungarn. Aber in unseren Augen ist dies kein Fehler, sondern eine Tugend. Für uns gilt die Frage des Erfolgs Ungarns und der Ungarn nicht als politische, sondern als moralische Frage. Diese ist die entscheidende Überzeugung unserer politischen Gemeinschaft.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Zum Schluss bleibt noch eine wichtige Frage offen. Was resultiert aus dem, was ich Ihnen bisher gesagt habe? Wir sind davon ausgegangen, dass wir eine Epoche abgeschlossen haben. Wir haben große Veränderungen und große Taten vollbracht. Ich könnte es auch so ausdrücken, dass wir wichtige und große Fragen zum Abschluss gebracht haben. Wir haben die Ruinen abgetragen, haben die aus der Vergangenheit zurückgebliebenen Hindernisse aus dem Weg geräumt, und haben die politische Wende vollendet und abgeschlossen. Wir haben jetzt einen Stand erreicht, an dem wir uns endlich damit beschäftigen können, warum wir das Ganze vor nahezu drei Jahrzehnten begonnen haben. Das heißt, die Zeit ist reif, unser gemeinsames Ziel der bürgerlichen Ordnung zu realisieren. Vor 30 Jahren haben wir noch die Meinung vertreten, dass es hierzu ausreichen wird, wenn die sowjetischen Soldaten abgezogen werden, und wir ein demokratisches Mehrparteiensystem und die Marktwirtschaft einführen. Heute wissen wir, dass die Sache weit komplizierter ist, und wir wissen auch, dass die bürgerliche Ordnung nicht lediglich Ideale bedeutet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Es gibt eine politische Lehrgeschichte, die sich wie folgt anhört: ein führender Politiker besucht am Stadtrand eine ältere Dame, und fragt sie vor laufenden Kameras, ob sie sein Kernenergieprogramm unterstützen würde, worauf die ältere Dame erwidert: „Ich unterstütze es, wenn Sie vorher dafür sorgen, dass in unserem Haus die Ratten ausgerottet werden.”
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Die ältere Dame hat natürlich Recht. Die großen und hochgesteckten Ziele sind wichtig, der Sinn der Politik besteht aber dennoch im tagtäglichen Wohlergehen der Menschen und der Linderung ihrer Probleme und Sorgen. Ich selbst konnte die Gefahren kennenlernen, die einer noch so erfolgreichen Regierung gefährlich werden können. Der größte Fehler, den eine Regierung begehen kann ist, sich in der Arbeit des Regierens völlig zu verlieren, und dadurch zulässt, dass das Regieren ihre Aufmerksamkeit von den Menschen ablenkt. Eine Regierung kann noch so ausgezeichnete Maßnahmen treffen, wenn sie gleichzeitig zulässt, dass sie vom tagtäglichen Leben abgekoppelt wird. Ich kann nicht zulassen und wir können es gemeinsam nicht zulassen, dass sich die Regierung in die große Fragen des Regierens völlig vertieft, und die Menschen allmählich das Gefühl haben, dass wir gar nicht die Antworten auf ihre Fragen suchen, und ihr Wohlergehen, ihre Sicherheit und ihr Leben nicht unsere wichtigste Regierungsangelegenheit darstellt. Aus diesem Grunde haben wir im ersten Zyklus die nationalen Konsultationen eingeführt, und haben jetzt deshalb eine neue Runde zum Thema Einwanderung in Gang gesetzt, und werden deshalb auch in Zukunft immer wieder Konsultationen zu allen wichtigen Fragen durchführen, die uns das Leben stellen wird. Wir sehen uns als Regierung der nationalen Konsultationen, und bleiben auch die Regierung der nationalen Konsultationen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Die bürgerliche Ordnung beinhaltet viele Aspekte, aber im Zentrum ihres Wesens und ihres Herzens steht dennoch die Menschennähe und die menschliche Dimension. Eine bürgerliche Ordnung bedeutet, dass die Politik nicht irgendwo ganz Oben in der Welt der abstrakten Ideale und noch so wichtigen Makroindizes angesiedelt ist, sondern an die Türen der Menschen klopft, und versucht, für ihre Probleme und Sorgen Lösungen zu finden. Derzeit haben wir die großen Angelegenheiten, das Krisenmanagement und das Beseitigen der Ruinen abgeschlossen, und werden jetzt ein neues Kapitel aufmachen. Das neue Kapitel bedeutet gleichzeitig auch eine Verlagerung des Schwerpunktes. Im Haushalt für das Jahr 2016 geht es bereits darum. Jeder kann einen Schritt nach Vorne tun. Wir müssen den Schwerpunkt auf die Qualität, auf die Lebensqualität, d.h. auf die Schaffung einer bürgerlichen Lebensqualität verlegen. Bürgerliches Regieren bedeutet, dass wir für die arbeitenden, von Lohn und Gehalt lebenden Menschen dieses Land angenehm gestalten möchten. Jetzt besteht die Aufgabe darin, bequemere und angenehmere Lebensumstände für diejenigen zu schaffen, die von ihrer Arbeit leben und durch ihre Arbeit im Leben weiter kommen möchten.
Dennoch, meine sehr geehrten Damen und Herren, gibt es hier etwas, das wir nicht außer Acht lassen können. Kann ein Ungar, der seine Arbeit Tag für Tag verantwortungsvoll erledigt, in der Tat so angenehm und ausgeglichen leben, wie ein Spanier, ein Österreicher, ein Franzose oder ein Deutscher? Geben wir zu, dass die Reaktion in Ungarn auf diese Frage bisher immer nur spöttische Mienen und ablehnende Handgesten waren.
Selbst in der besten Zeit des bürgerlichen Ungarns, im Reformzeitalter hat Bertalan Szemere auf folgende Weise geklagt: „Der Engländer besitzt nicht lediglich das Wort 'comfort', sondern auch das, was das Wort bedeutet, während in unserer Sprache nicht nur der Begriff fehlt, sondern auch die Sache selbst, die es bedeutet.” Der „größte Ungar“, István Széchenyi hat ebenfalls darüber geschrieben, dass der Ungar sich noch nie „comfortable“ fühlen konnte, weshalb der Ungar nicht wirklich verstehen kann, was es bedeutet, ein Heim oder ein Haus richtig in Besitz zu nehmen und zu bewohnen. Bis heute allerdings, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind wir soweit gekommen, dass es endlich ein Ziel geworden ist, das man sich stecken kann, und das sich auch in Sichtweite befindet, woran wir früher nur voller Wehmut gedacht haben. Wir können uns jetzt das Leben als Ziel setzen, das für einen durchschnittlichen Ungar noch in den vorangegangenen Jahrzehnten als ein unerreichbares Ziel galt. In den nächsten Jahren werden wir zwar noch nicht so viel verdienen, wie die Deutschen oder die Franzosen, aber wir können damit anfangen, unser Land endlich für uns einzurichten, und zwar so, dass darin jeder von uns immer angenehmer und heimeliger leben kann. Meiner Meinung nach können wir dabei auf die Leistungsfähigkeit der reformierten Wirtschaft bauen. Jeder weiß, dass im Alltag selbst heute noch Phänomene auftauchen, die das Leben der Menschen verbittern können. Die bürgerliche Ordnung bedeutet aber auch, dass wie die Menschen vor den alltäglichen Widrigkeiten schützen, und gerade deshalb erwarte ich in dieser Hinsicht entscheidende Impulse von unseren Programmen zur Bürokratieabbau.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Zuletzt bedeutet die bürgerliche Ordnung auch, dass Ungarn ein ungarisches Land ist. Mit kleinen Buchstaben und in zwei getrennten Worten geschrieben. Dies bedeutet, dass an der ersten Stelle die Sicherheit, das Wohlergehen und der Wohlstand der Ungarn stehen, und alles Weitere wird daran angepasst. Dabei geht es um das Wohlergehen und den Wohlstand derjenigen, die ihrer Arbeit nachgehen, ihre Kinder in die Schule bringen, für ihre Familien sorgen und ihre Eltern versorgen. Ihre Heimatliebe äußert sich vielleicht nicht lautstark, aber diese Menschen wissen, dass Ungarn ihr Heimat ist, und sie bauen um sich herum eine Welt des alltäglichen Patriotismus auf, welcher sich bereits früher als stärkste erhaltende Kraft der ungarischen Nation erwiesen hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Unsere Ambitionen für die Zukunft mögen unverschämt großartig ausfallen. Wir möchten nicht einfach noch mehr Arbeitsplätze, sondern unser Ziel ist die Vollbeschäftigung. Das heißt, jeder soll Arbeit bekommen, der arbeiten möchte. Mehr Arbeitsplätze, weniger Steuern, Familiensubventionen, größere Ordnung, aber mit weniger Regelungen, ein angenehmes Leben, eine stolze Haltung und Rückgrat, um unsere Angelegenheiten erledigen zu können. Aus all diesen Punkten besteht die bürgerliche Ordnung.
Und dann gibt es hier noch etwas, was logischerweise aus dem bisher Aufgeführten abgeleitet werden kann. In den vergangenen fünf Jahren war das Schlüsselwort des Regierens: die Kraft. Es galt, ein verhängnisvoll geschwächtes, sogar aktiv geschwächtes Land zu stärken. Es ist verständlich, dass das wichtigste war, dass das Land eine starke Führung erhält. Es ist gelungen, und heute steht Ungarn fest auf seinen eigenen Füßen. Die starke Führung darf natürlich auch nach all dem nicht schwächer werden, da wir in einem erbarmungslosen Verdrängungswettbewerb unseren Mann stehen müssen, wo auch rasche und bestimmte Entscheidungen getroffen werden müssen, aber dennoch gilt heute nicht mehr die Kraft als der wichtigste Schlüssel. Von nun an wird der Schlüssel der Regierung die Aufmerksamkeit sein. Die Aufmerksamkeit für die Menschen und die Aufmerksamkeit für das Alltagsleben. Wir dürfen uns nicht irren, dies könnte eine noch anspruchsvollere Arbeit werden, als die Arbeit, die wir davor erledigt haben.
Das fünfjährige Jubiläum bietet eine gute Gelegenheit, mich bei Ihnen allen, meine sehr geehrten Damen und Herren, für Ihre bis heute für die Regierung geleistete Unterstützung zu bedanken. Ich bedanke mich bei denen, die uns bereits seit 25 Jahren, und auch bei denen, die seit 1998 und auch bei denen, die erst in den letzten fünf Jahren unterstützt haben. Wir zählen auf Sie, und werden Ihre Unterstützung auch in Zukunft benötigen.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Péter Boross! Sehr geehrter Präsident György Matolcsy! Liebe Mária und lieber Zoltán!
Ich bedanke mich dafür, dass wir heute hier zusammen gekommen sind.
Vorwärts Ungarn, Vorwärts Ungarn!
(Amt des Ministerpräsidenten)