Weihnachtliches Gespräch mit Ministerpräsidenten Viktor Orbán

Péter Csermely: Frohe Weihnachten, Herr Ministerpräsident! – mit diesem Titel hat man vor einigen Tagen eine Demonstration der gesamten Opposition veranstaltet. Die guten Wünsche waren vermutlich ironisch gedacht, denn man forderte hauptsächlich Ihren Rücktritt.

Jedes Haus besitzt seine eigenen Gepflogenheiten, wie das die ungarische Redewendung sagt, es gibt Orte, wo man auf diese Weise frohe Weihnachten wünscht, und es gibt solche, an denen mit Liebe, Geschenken, der Wärme des Heims. Ich habe eine Familienpostkarte mit mir mitgebracht, mit ihr möchte ich der Opposition und dem ganzen Land ein gesegnetes Weihnachtsfest wünschen. Natürlich ist die Politik eine Welt, in der selbst am Weihnachtsabend Auseinandersetzungen geführt werden können, auch die Demonstrationen gehören zum Alltag der Demokratie. Doch die Gewalt, die Zerstörung, der Vandalismus sind nicht in Ordnung.

In Budapest und auf dem Land haben sich alle erdenklichen Oppositionsparteien im Rahmen dieser Demonstrationen nebeneinander aufgereiht, ergänzt um die Vertreter der Gewerkschaften. Das ist eine neue Erscheinung.

Auch das besitzt einen Vorteil. So ist die Lage wenigstens für einen jeden leichter zu durchschauen. Die Regierung vertritt die Arbeit, das Zuhause, die Familie, die Sicherheit, und uns gegenüber steht die Opposition mit jener Politik, mit der sie einmal schon Ungarn kaputtgemacht hat. Auf der einen Seite die das Land verteidigen wollende ruhige Kraft, und auf der anderen die Aggression, die Gewalt, die Unterstützung der Einwanderung und die Steuererhöhungen.

Sie sagen, sie würden – neben anderen vielen Dingen – gegen die Ausbeutung der Arbeitenden auftreten, und sie fordern die Zurücknahme der von ihnen mit dem Namen „Sklavengesetz“ bezeichneten Maßnahme.

Wer gegen die Veränderung des Arbeitsgesetzbuches spricht, der spricht gegen die Arbeitenden, denn der Schritt dient ihren Interessen. Dies wird die Zeit unter Beweis stellen. Wer mehr arbeiten und mehr verdienen möchte, der wird jetzt hierzu die Möglichkeit haben. Die Modifizierung wird einen Lohnzuwachs mit sich bringen und entgegen der Lügen der Opposition müssen die Arbeitgeber auch in Zukunft, so wie bisher, die wachsenden Löhne monatlich auszahlen.

Worauf bezieht sich dann der ominöse Zeitrahmen von 36 Monaten?

Der Zeitrahmen hat nichts mit der Auszahlung der Löhne zu tun. Dass die Oppositionsparteien die Wähler beschwindeln, darin ist nichts Neues, doch habe ich von den Gewerkschaften mehr erwartet. Schon allein deshalb, weil die Gewerkschaften, die Arbeitgeber und die Regierung vor zwei Jahren eine sechs Jahre dauernde, umfassende Vereinbarung über die Steuersenkungen und die Lohnerhöhungen geschlossen haben, und damals hatten die Gewerkschaften den Eindruck erweckt, sie könnten seriöse Partner der Regierung sein. Diese meine Überzeugung hat jetzt eine Delle erhalten.

Kann das Zweidrittel des Parlaments überhaupt eine Maßnahme treffen, die die Opposition unterstützen würde?

Ja, die unseres Rücktritts. Sonst nichts. Es gab seit 2010 keine einzige wirtschaftliche Maßnahme von uns, die die Opposition akzeptiert hätte, ganz gleich ob es um Lohnerhöhungen, die Unterstützung der Familien, Steuersenkungen, die öffentliche Beschäftigung, die Rettung der in Fremdwährungen Verschuldeten ging. In jedem einzelnen Fall haben sie gegen die Regierung und die Menschen gestimmt. Zuletzt haben sie zum Beispiel monatelang gegen die Erhöhung des Satzes für die Betreuung zu Hause demonstriert, und als wir den Schritt taten, was geschah? Sie haben nicht dafür gestimmt.

Ist die Zweidrittelmehrheit nicht verantwortlich für dieses extrem schlechte Verhältnis?

Nach unserem Wahlsieg in diesem Jahr hatte ich gesagt, wir sind bereit im Interesse des Landes mit einer konstruktiven Opposition zusammenzuarbeiten. Das haben sie zurückgewiesen, da sie um jeden Preis die Regierung stürzen wollen. Obwohl hierüber nicht sie, sondern ausschließlich die Wähler befugt sind, zu entscheiden, und die nächste Gelegenheit hierzu wird 2022 kommen.

Den Widerstand verkündete als erster Ferenc Gyurcsány, und er hat mehrfach deutlich gemacht, dass er zu keinerlei Zusammenarbeit mit der Regierung bereit ist.

Der ehemalige Ministerpräsident der Sozialisten hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er in die Macht zurückkehren möchte. Und die restlichen Teile der Opposition haben sich an ihm ausgerichtet. Wir haben zur Kenntnis genommen, dass sich die Opposition entschieden hat. Die Sportart, die sie gewählt haben, heißt Rugby; wir laufen nach vorne und dabei raufen wir.

Auch die europäische Politik ist angespannt, es ist spürbar, wie der Zeitpunkt der europäischen Parlamentswahlen sich nähert. Sie haben mehrfach darauf hingewiesen, dass die die Einwanderung zurückweisenden Kräfte, zu denen auch die ungarische Regierung gehört, erstarken können. Doch hierfür gibt es keine Garantie.

Es gibt tatsächlich eine Anspannung. Die westliche Hälfte Europas hat vor Jahren ein Experiment begonnen. Die großen westlichen Länder versuchen eine gemischte Zivilisation zu erschaffen, sie denken, aus dem christlichen Europa sollte ein christlich-muslimisches Europa werden. Ob dieses Experiment Erfolg haben oder ein Fiasko wird, kann man heute noch nicht absehen, doch nehmen die Anzeichen dafür zu, dass der Weg auf alle Fälle lang und steinig sein wird. Mitteleuropa hat im Gegensatz dazu entschieden, mit diesem Experiment nicht einmal zu beginnen, denn die Risiken sind äußerst hoch. Wir wollen nicht, dass unsere Länder von einer gemischten Bevölkerung bewohnt werden sollen, deshalb schützen wir unsere Grenzen, und lehnen die Einwanderung ab. Ein jeder kann sehen, dass die Westler unsere Entscheidung nicht respektieren. Sie versuchen, uns ihren Willen aufzuzwingen. Sie benutzen die ungarische Opposition als ein Instrument. George Soros und seine Netzwerke tolerieren es nicht, dass Mitteleuropa von ihrem großen gesellschaftsformenden Experiment ausgenommen bleibt, und sie steuern ihre Beauftragten in Ungarn entsprechend der Logik der internationalen Aktionen. Sie demonstrieren gleichzeitig gegen die die Einwanderung ablehnenden Regierungen in Wien, Rom und Budapest. In dieser Auseinandersetzung werden die Wahlen zum Europäischen Parlament einen wichtigen Meilenstein darstellen, denn da werden die das christliche Europa verteidigenden beziehungsweise die die Einwanderung unterstützenden politischen Seiten ihre Kräfte messen. Erneut stellt sich jene historische Situation ein, in der Ungarn nicht nur für sich selbst, sondern zugleich auch für das christliche Europa kämpft. Die ungarische Regierung wird nichts an ihrer Politik verändern, wir werden Ungarn auch weiterhin verteidigen.

Die markanteste Brüsseler Bedrohung war auf diesem Gebiet die obligatorische Verteilung der Einwanderer auf Grund einer Quote. Hiervon scheint sich aber die Führung der Union zurückzuziehen.

Die Auseinandersetzung um die verpflichtende Quote hat leider nicht abgenommen, das Thema kam auf der letzten Sitzung der Ministerpräsidenten der EU erneut auf die Tagesordnung. Es geht darum, dass die großen westeuropäischen Länder die Europäische Union zu einem Reich umgestalten wollen. Wir wollen aber nicht Teil irgendeines Reiches werden. Wir werden innerhalb der EU dafür kämpfen, damit anstelle des Reichsgedankens das Europa der gleichberechtigten Nationen die geistige Grundlage der europäischen Politik sei. Wenn Sie wollen, dann kämpfen wir um unsere Unabhängigkeit.

Was wird hier der Sieg sein? Oder was wird hier die Niederlage sein?

Diese Schlacht wird nicht mit militärischen Waffen ausgefochten, deshalb wird sie auch nicht auf eine so spektakuläre Weise entschieden, wie das in Kriegen der Fall zu sein pflegt. In dieser Auseinandersetzung wird danach das Ergebnis verkündet, wer erfolgreich ist und wer erfolglos. Und auf diesem Gebiet zeigt Mitteleuropa eine gute Leistung, obwohl wir mit einem gewaltigen historischen Rückstand gestartet sind. Aus Österreich sind die Sowjets zum Beispiel schon 1955 abgezogen. Mitteleuropa findet sich jetzt, und ist schon der wirtschaftliche Motor Europas. Es steht vor einer schönen Zukunft. Dies gilt auch für unsere Heimat, denn unsere Ergebnisse sind Jahr für Jahr besser. Ungarn hat den Weg nach oben eingeschlagen. Es ist an der Zeit, dass die Geschichte ihre uns gegenüber bestehenden Schulden begleicht.

Trotzdem haben Sie nach den Wahlen die Möglichkeit einer Krise zur Sprache gebracht. Geschah dies aus obligatorischer Vorsicht?

Wir dürfen unseren Kopf nicht in den Sand stecken. Es ist eine bestehende Frage, ob die ungarischen wirtschaftlichen Erfolge in den Zeiten einer europäischen oder weltweiten Wirtschaftskrise nachhaltig sein werden. Erinnern wir uns nur an 2008, als Ungarn unter den ersten zu Boden geschickt wurde. Jetzt steht die ungarische Wirtschaft aber auf starken Beinen, und ich halte sie für fähig, auch unter sich schwieriger gestaltenden Umständen zu bestehen. In Krisenzeiten erlebt es eine Aufwertung, wenn ein Land eine stabile Regierung besitzt, in solchen Situationen erlebt das Zweidrittel eine Aufwertung, denn die Handlungsfähigkeit ist eine wichtige Kraftquelle. Es hat acht Jahre gedauert, bis es den Ungarn gelungen ist, sich gegenseitig davon zu überzeugen, dass ihre Arbeit einen Sinn besitzt. Langsam sind wir an dem Punkt angelangt, dass mehr Menschen als jemals zuvor arbeiten. Deshalb hält die ungarische Wirtschaft heute einiges aus.

Für Europa und in ihm für Ungarn stellt heute der Bevölkerungsschwund die größte Gefahr dar. Im Westen hat man als Antwort hierauf die Unterstützung der Einwanderung gefunden. Wenn Ungarn dies ausschließt, dann ergibt sich die Frage, ob man allein aus eigener Kraft diesen Prozess umkehren kann.

Die Einwanderung beinhaltet außergewöhnliche Risiken, und das Zusammenleben der Zivilisationen stößt auf Schwierigkeiten, die Europa vielleicht nicht meistern kann. Andererseits bedeutet es auch eine Kapitulation, wenn ein Land diesen Weg betritt. Wenn wir soweit kommen, dass wir uns nicht einmal biologisch erhalten können, dann bedeutet dies, dass wir nicht einmal für uns selbst wichtig sind. Warum sollten wir dann für die Welt wichtig sein? Die Demographie ist also eine Schicksalsfrage. Die Menschen gestalten ihr Leben natürlich nicht in dieser Perspektive, sie schauen eher darauf, ob ihre Heimat sie darin unterstützt, Kinder aufzuziehen, und ob ein Kind jeweils einen Segen oder nur wachsende Belastungen bedeutet. Die ungarische Regierung unternimmt alles im Interesse der Stärkung der Familien, weil wir daran glauben, dass die Chance für die Fortsetzung der ungarischen Geschichte, das heißt die Zukunft der Nation in den Familien liegt. Wir, Ungarn, können nur auf uns selbst zählen. Deshalb haben wir die Nationale Konsultation über die Familien initiiert. Ich halte dies für die wichtigste Angelegenheit auf der Agenda der heutigen ungarischen Politik. Ich vertraue darauf, dass wir in der Lage sein werden, mit den ungarischen Frauen eine Vereinbarung zu treffen, die zugleich ihr Leben unterstützt und Ungarn stärkt.

Dazu müssen sie auch mit den Männern eine Vereinbarung treffen.

Meine Erfahrungen sind andere. Die Frauen sind stabil. Und da man eine Familie nur auf eine stabile Grundlage aufbauen kann, lohnt es sich in erster Linie, mit den Frauen eine Vereinbarung zu treffen. Die Zukunft der Familien liegt in ihren Händen, und ohne Kinder bekommende, starke Frauen kann die ungarische Welt nicht erhalten bleiben. Wir, Männer, lieben es selbstsichere Äußerungen über unsere eigene Wichtigkeit zu treffen, aber wenn wir das tatsächliche ungarische Leben untersuchen, dann werden wir sehen, dass unser Leben vielmehr von dem Netzwerk der Frauen organisiert wird.

Was erwarten Sie von dem Jahr 2019? Es ist eine Tatsache, dass es politischen Hochbetrieb geben wird, mit zwei großen und wichtigen Wahlen.

Natürlich, es wird 2019 Wahlen geben, aber unser Horizont ist 2030. Als Ergebnis der gemeinsamen Arbeit von acht Jahren stehen wir vor einer neuen Periode, und ich glaube daran, dass wir nicht nur losgegangen sind, sondern auch ankommen werden. Ungarn hat das zwanzigste Jahrhundert verloren, doch das einundzwanzigste wollen wir gewinnen. Das vergangene Jahrhundert hat uns unsere Selbstachtung, den Wohlstand, die Schaffenskraft, die Anerkennung genommen, und es hat uns die Einheit der Nation genommen. Das alles möchten wir jetzt zurücknehmen. Dies kann bis 2030 auch restlos gelingen. Die hundert Jahre Einsamkeit der Ungarn im Karpatenbecken geht jetzt zu Ende. Wir erlangen die Anerkennung und den Respekt der Nachbarn zurück. Aber bis 2030 dauert es noch, heute bereitet sich das Land aber auf den Heiligen Abend vor. Deshalb wünsche ich einem jeden ein glückliches, friedliches, gesegnetes Weihnachten. Dieses Fest soll uns auch an die Grenzen der Politik erinnern. Die Politik kann den Menschen dabei helfen, besser zu leben, aber dabei nicht, auch schöner zu leben. Sein eigenes Leben kann nur jeder selbst schöner machen. Es wäre gut, wenn dies jedem Ungarn gelingen würde.

(miniszterelnok.hu)