4. März 2016

Wie sieht Viktor Orbán die Situation in der Flüchtlingskrise und die der Europäischen Union?

Es ist vier Minuten nach halb acht. Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen. Sie hören die Sendung „180 Minuten“. Im Studio anwesend ist Ministerpräsident Viktor Orbán. Guten Morgen!


Auch ich wünsche Ihnen einen guten Morgen!

Könnte die EU wegen der Flüchtlingskrise auseinander brechen? Diese Frage hat man in einem Interview Angela Merkel gestellt, die darauf erwiderte, wer an einen nationalen Sonderweg denkt, der müsse auch bedenken, dass wenn die Länder der EU alle einzeln für sich selbst handeln, dann können wir die Welt in einem nur viel geringeren Maß in eine unseren Werten und Interessen entsprechende Richtung bewegen, weil wir nur als eine Union, die zusammenhält, stark sind. Ich nehme an, die Botschaft der Kanzlerin war auch an Ungarn gerichtet.


Ich denke über dieses Interview oder über diese Meinung, dass es besser ist, gesondert zu handeln, als gemeinsam untätig zu bleiben. Und heute ist dies die Situation. Die Europäische Union ist untätig. Ungarn war der erste Nationalstaat, der selbständig handelte, deshalb ist Ungarn heute der am besten geschützte Staat in der Europäischen Union. Und jene, die viel länger als wir auf die Lösung durch die Europäische Union gewartet haben, auch jene haben heute den Pfad des selbständigen Handelns betreten. Weil es besser ist zu handeln, als gemeinsam untätig zu bleiben.

Aber wenn jeder für sich, was Sie sagen, dann bedeutet dies auch auf einmal ein Europa der mehreren Geschwindigkeiten.

Nun, das ist eine andere Frage. Es gibt unabhängig von der Flüchtlingskrise eine andere Frage, die zur Disposition steht, nur wird sie durch die Schatten der Flüchtlingskrise vor unseren Augen verdeckt. Doch ist dies eine intensiv geführte Debatte, eine bedeutende Diskussion, und sie kann auch längerfristig von Wirkung auf unser Leben sein. In dieser Diskussion geht es darum, ob die den Euro benutzenden Länder, also die zur Eurozone gehörenden Staaten ihr heute noch nicht existierende Politik und ihr Institutionensystem ausbauen sollen, sagen wir die gemeinsame Steuerpolitik, gemeinsame arbeitsrechtliche Regelungen, eine gemeinsame Sozialpolitik, die nur für sie, die den Euro benutzenden Länder gültig ist. Dies würde bedeuten, dass Europa gar nicht zwei Geschwindigkeiten hätte, ich würde nicht diesen Begriff benutzen, sondern wie sie es sagen, es gäbe ein Kern-Europa und ein Ring-Europa um den Kern herum. Meiner Ansicht nach wird nicht so heiß gegessen wie gekocht wird, dies ist nicht das Problem von morgen, vielleicht auch nicht von übermorgen, jedoch sind noch in diesem Jahr wichtige Entscheidungen zu erwarten. Dies wird auch Ungarn mit Dilemmas, mit zu beantwortenden Fragen konfrontieren, und jedes andere Land auch, das nicht über den Euro verfügt. Doch ich sage es noch einmal, dies ist eine andere Angelegenheit, hinzu kommt noch, dass sie auch kompliziert ist. Nicht wahr, die ungarische Verfassung legt die ungarische Währung fest, also wäre zum Anschluss an den Euro eine Zweidrittelmehrheit notwendig, hinzu kommt noch, dass die Länder außerhalb der Eurozone heute viel schneller wachsen als jene Länder, die zu ihr gehören. Jene die außerhalb sind, scheinen auch flexibler zu sein, über ein besseres Instrumentarium zu verfügen als jene, die drinnen sind. Das ungarische Volk und seine gewählten Vertreter werden also vieles abwägen müssen, wenn diese Frage auf den Tisch kommt. Doch ich sage es noch einmal, heute wird diese Frage von der Migrantenkrise überholt, denn sie klopft hier auf unserem Tisch und überschreitet unsere Türschwelle.

Sprechen wir über die Lösung! Diese so genannte gemeinsame europäische Lösung, welchen Begriff wir seit einiger Zeit schon als ein episches Epitheton benutzen, jedoch über deren Details wir kaum etwas sagen können, weil vorerst ist dies, nicht wahr, eine Quote, oder jener Dringlichkeitsfonds, von der die Europäische Kommission spricht. Ein Dringlichkeitsfonds von siebenhundert Millionen Euro wird für die Unterstützung der humanitären Krise für die Mitgliedsstaaten der Union geschaffen. Griechenland hat bereits seine Ansprüche für 480 Millionen Euro eingereicht. Wofür wird dieser Dringlichkeitsfonds die Lösung sein?

Nun, die finanziellen Angelegenheiten der Europäischen Union sind undurchschaubar. Man hört von Zeit zu Zeit Zahlen, dass man nur so schaut. Hier ist zum Beispiel das, was Sie sagen, doch inzwischen wendet Ungarn langsam 250-270-300 Millionen Euro zu seiner eigenen Verteidigung auf, und wenn ich richtig gezählt habe, so konnten kaum mehr als 4-5 Millionen Euro aus der Union gekommen sein. Und auch die im Rahmen der uns zustehenden regelmäßigen Unterstützung. Wir können also ruhig sagen, dass die Gesamtkosten für den Schutz gegen die Migranten heute von Ungarn beglichen werden und die Europäische Union hilft dabei überhaupt nicht. Während im Übrigen in Mitteilungen solch große Zahlen in der Luft herumschwirren.

Doch würden wir hiervon um Geld bitten? Die Griechen bitten darum.

Wir werden sehen, wozu Geld da ist, wozu es benutzt werden kann.

Ist dieses Geld überhaupt vorhanden?

Das ist die Frage, ob überhaupt dieses… Schauen Sie, das Geld der Union, das ist immer eine merkwürdige Sache. Ich möchte das Gespräch nicht auf ein Nebengleis führen, aber wissen Sie, dort wird Geld anders verstanden als bei uns. Also bei uns ist das Geld, das ich anfassen kann, auf den Tisch lege, hier ist es, ich sehe es, ich habe es gezählt, das ist so und so viel. Und dort rechnet man so, besonders im Wirtschaftsentwicklungsprogramm, wir legen einen Euro auf den Tisch, der wird dann drei weitere bewegen, und jene fünf, acht, und am Ende stellt sich heraus, dass wir fünf Euro besitzen, und wir behaupten, wir würden dann hundert ausgeben. Das ist eine andere Welt, sie rechnen anders.

Damals als man über einen langen Zeitraum hinweg die Alarmglocken ertönen ließ, dass europäische Politiker, Experten, dass jemand Griechenland sagen müsste, es solle etwas unternehmen, hat dies lange Zeit gedauert. Die europäischen Politiker waren nicht so laut, wie das die europäischen Menschen von ihnen erwartet hätten. Und jetzt versendet Griechenland allen Botschaften, dem Balkan, den Österreichern, es rennt zu Deutschland, schimpft auf uns. Hätte man nicht früher Entschlossenheit zeigen müssen?

Das größte Rätsel des vergangenen Jahres ist Griechenland. Es ist unverständlich, warum Griechenland die Auflösung der türkisch-griechischen Grenze hingenommen hat. Aus welchem Grunde hat es toleriert, dass Flüchtlinge millionenfach ohne jede Kontrolle das griechische Gebiet betraten, vor allem auf die Inseln übertraten? Und vollkommen unverständlich ist, warum Griechenland staatlich die sich auf den Inseln befindlichen Menschen mit Fähren auf das griechische Festland hinübertransportiert hat. Und von dort hat es sie in Richtung auf Europa, so auch nach Ungarn losgeschickt. Das sind rätselhafte Dinge. Ich erinnere mich noch gut daran, dass einmal die Fährenkapitäne für einige Tage einen Streik angeordnet hatten, und da hörte der Flüchtlingsstrom auf. Dies zeigt also sehr gut, dass es Mittel gab, sie auch im vergangenen Zeitraum gegeben hätte, jedoch hat Griechenland diese nicht benutzt. Zugleich möchte niemand Griechenland beim Namen nennen, was ich verstehe. Auch ich mache das nicht gern. Nach ungarischer Sitte muss man auch im Fußball immer der kleineren Mannschaft den Daumen drücken, dies ist irgendwie eine Frage der Ehre, deshalb drücken wir den Griechen den Daumen, weil sie mit der halben Welt auf dem Kriegsfuß stehen, mit ihr in wirtschaftspolitischen Auseinadersetzungen stehen. Und wir würden uns freuen, wenn es den Griechen gelänge, sowohl souverän zu bleiben, ihr Erbe zu ordnen als auch nicht zuzulassen, dass die Kreditgeber sie ausbeuten. Es besteht also eine große Sympathie für Griechenland, doch diese darf uns nicht mehr daran hindern, das Kind beim Namen zu nennen. Die Wahrheit ist, dass jene über Griechenland hereinkommen, die danach auf der Balkanroute Probleme verursachen, an den Grenzen Ungarns und später dann in Deutschland. Und die geheimnisvollste Sache ist in der griechischen Angelegenheit, wer denn der Protektor war. Also wer ist es, der – obwohl Griechenland unaufhörlich das Schengen-Abkommen verletzt hat – die Flüchtlinge hereingelassen und uns in den Nacken gesetzt hat. Trotzdem hat irgendjemand...

Wer?

...es ständig verteidigt. Nun, da haben sich die Deutschen hervorgetan, doch ich glaube, da stehen auch noch andere hinter der Gardine. Vermutlich auf Grund von NATO-Gesichtspunkten haben sie Griechenland ständig in Schutz genommen. Was richtig ist, doch damit haben sie die griechischen Rechtsverletzungen in Schutz genommen, die Verletzung des Schengen-Vertrages, was aber nicht richtig ist.

Wenn Sie schon die NATO erwähnen. Der Oberbefehlshaber der europäischen Kräfte der NATO sagt, Moskau und Damaskus würden den Flüchtlingsstrom als Waffe zur Destabilisierung Europas einsetzen. Ihrer Ansicht nach würde im Übrigen die Bombardierung Syriens durch Russland die europäische Flüchtlingskrise verursachen. Und er sagte auch, früher handelte es sich zwar um einen Flüchtlingsstrom, heute ist es aber alltäglich geworden, dass zusammen mit den um Asyl Bittenden Kriminelle, Terroristen, fremde Kämpfer nach Europa hineingelangen. Im Zusammenhang damit gibt es zwei Fragen. Einerseits, warum sprechen die Amerikaner jetzt hierüber? Und andererseits, ob es sich dabei im Grunde um eine an Russland gerichtete Botschaft handelt oder nicht? Und, Verzeihung, es gibt auch noch eine dritte. Wenn wir es wissen oder sie es wissen, wenn es auch die Amerikaner wissen, auch die NATO weiß es, dass Kriminelle und Terroristen ankommen, dann was unternehmen sie?

Wenn Sie erlauben, würde ich jetzt auf solch ein internationales Hickhack nicht eingehen.

Ist das denn dies?

Sie sind jung, Sie erinnern sich nicht daran, aber wir, die wir ergraute Schläfen besitzen, wir erinnern uns sehr genau daran, dass dies auch früher Mode war. War irgendetwas in der Welt geschehen, dann haben die Länder der beiden einander gegenüberstehenden Blöcke gesagt, das würde durch den anderen verursacht. Ich bin niemandes Fürsprecher, doch auch vor den russischen Bombardierungen in Syrien strömten die Flüchtlinge bzw. die Migranten Richtung Europa. Sodass hierfür die Schuld den Russen zuzuschieben auch nach den einfachen Regeln der Logik nicht als ein vernünftiger Standpunkt erscheint. Was aber die Terroristen angeht. Dies ist ein anderes, ich will nicht sagen Rätsel, sondern eine Folge der europäischen Stumpfheit, dass während die europäischen Staaten Truppen in die Territorien asiatischer Länder entsenden, was bedeutet, dass wir dort im Krieg stehen, bewaffnete Aktionen durchführen, vom Gebiet ebendieser Länder unkontrolliert Migranten hereingelassen werden. Was glauben wir denn, wird der, mit dem wir im Krieg stehen, diese Möglichkeit nicht nutzen? Auch hierzu muss man kein Atomwissenschaftler sein, deshalb gibt es die Explosionen und deshalb gibt es die Attentate in Europa. Ungarn kann hier eine einzige Sache tun, weil wir vor unserer eigenen Tür kehren müssen. Wir lassen hierher niemanden ohne Kontrolle herein. Hierher kann weder ein Terrorist noch ein Krimineller, ein Wirtschaftsmigrant und ein politischer Flüchtling ohne Kontrolle hereinkommen. Und wir werden es nicht zulassen, dass in Ungarn solche Zustände herrschen, wie wir sie woanders sehen können. Hier wird es also kein Durchbrechen von Zäunen, hier wird es keine Einwandereraufstände, keine angezündeten Flüchtlingslager geben, und es werden nicht verschiedenste Banden auf ungarische Frauen Jagd machen, auf unsere Ehefrauen und Töchter. Dies ist unmöglich. Dies darf nicht vorkommen. Wenn wir auch nur das leiseste Anzeichen von etwas sehen, das Anzeichen von irgendetwas solchem, dann – hierzu hat der Innenminister Anweisung erhalten – muss das aufgehalten, im Keim erstickt werden, und danach muss das Rechtssystem konsequent Vergeltung üben. Wir machen aus Ungarn kein Europa, in dieser Hinsicht kein Europa. Dies bleibt ein sicherer Ort.

Gleich etwas über die ungarischen Grenzen und die Lage in Ungarn. Doch sprechen wir noch ein bisschen über die Verursacher, sprechen wir über die Türken! Der Türkei-EU-Gipfel ist neulich ausgefallen, doch kann ich mir die Beratung der führenden Köpfe der Europäischen Union so vorstellen, dass was auch immer geschieht, wenn eine türkische Frage auf den Tisch kommt, sich dann die Führer der Europäischen Union erschrocken etwas weiter zurückziehen. Haben die Türken das Ass in der Hand?

Wenn wir über die Türken sprechen, so wie es dann auch am Montag einen Gipfel der Europäischen Union in Brüssel geben wird, und wir dies tun werden, dann werden gleichzeitig viele verschiedene Meinungen vorgelegt. Im Hinblick darauf, dass die Türkei ein großer Brocken ist, stimmen jetzt konkret alle darin überein, dass wir sehr auf die Türkei angewiesen sind, doch ist das Verhältnis zwischen der Türkei und der Europäischen Union nicht geregelt. Die Türken möchten der Europäischen Union beitreten, die meisten Mitgliedsstaaten weisen dies zurück, und zwar tun sie dies sehr bestimmt. Manche auf rohe Weise, andere höflich, andere empfehlen etwas anderes an Stelle der Mitgliedschaft, manche nicht einmal dies. Und dann kommt die Frage auf das Tapet, ob die Türken, wenn es auch keine Mitgliedschaft für sie gibt, ohne Visum reisen dürfen sollen oder nicht. Worauf wir, Ungarn, zum Beispiel sagen, das kann nicht vorkommen. Wir haben hier in der Nachbarschaft die Ukraine, nicht wahr, mit der wir verschiedenste Vereinbarungen abgeschlossen haben, die sich an Europa annähern möchte, doch aufnehmen wollen und können wir sie nicht, dies ist heute die Lage, helfen können wir auch nur in begrenztem Rahmen, und wir geben den Bürgern der Ukraine nicht einmal die Möglichkeit der visafreien Einreise nach Europa. Also wenn – sagen wir – wir, Ungarn, in der Zukunft irgendjemandem die Möglichkeit der visafreien Einreise gewähren, dann muss die Ukraine an erster Stelle stehen, und dann alle anderen danach. Also bringt die türkische Angelegenheit deutlich ersichtlich auch andere Fragen mit sich und bringt sie aufs Tapet. Jetzt, was die mit den Türken geschlossene Vereinbarung angeht. Die ungarische Außenpolitik unterstützt sie. Also mit der Türkei eine Vereinbarung zu schließen, ist im Rahmen eines vernünftigen, klugen, besonders gut durchdachten Vertrages eine nützliche Sache. Aber es ist wenig. Es reicht allein an sich nicht aus. Weil der Mensch darf es sich niemals erlauben, vor allem nicht ein Kontinent mit einer Bevölkerung von fünfhundert Millionen, dass seine Sicherheit von den Schritten eines Landes mit siebzig-und-ein-Paar Millionen abhängt. Europa unterschätzt...

Jetzt hängt es von ihnen ab.

Nun, jetzt ist das die Lage. Aber auch meiner Ansicht nach ist das auch nicht gut so. Europa unterschätzt sich selbst. Nun, wir, Europäer, sind zu fünfhundert Millionen, und dies bedeutet, dass wir mehr sind, als die Russen und die Amerikaner zusammengenommen. Wir sind eine der am meisten entwickelten Wirtschaftsregionen der Welt. Unsere technologischen Mittel, unser Entwicklungsstand, unsere finanzielle Kraft macht es uns möglich, uns zu verteidigen. Warum müssen wir dann unsere Sicherheit von einem Land mit siebzig-und-einigen Millionen Einwohnern erbetteln, anstatt sie zu verteidigen, niemand versteht das. Nun ist es natürlich gut, dass es Vereinbarungen mit den in der Grenzregion der Europäischen Union liegenden äußeren Staaten gibt, das ist immer nützlich. Doch dies ersetzt und erspart uns nicht die eigene Verteidigung.

Man versteht in Europa, in Brüssel nicht, warum die Volksabstimmung über die Quote wichtig ist...

Sie verstehen das schon, sie tun nur so, als ob sie es nicht verstehen würden.

Martin Schulz versteht nicht, warum wegen 1.294 Menschen eine Volksabstimmung nötig ist.

Ich denke, die Politik ist nun mal eine listige Angelegenheit, und man findet in ihr auch viele listige Menschen. Und von Zeit zu Zeit ziehen sie es vor, anstatt der deutlichen Rede listig zu sein. Auch Herr Schulz tut so, als ob er nicht wüsste, was wir im Übrigen überall vorgetragen haben, dass jene Entscheidungen, die früher getroffen worden sind, schon der Vergangenheit angehören. Gegen die gehen wir auf gerichtlichem Wege vor und wollen sie außer Kraft setzen lassen. Das ist die eine Sache. Und bei der Volksabstimmung geht es um die Zukunft. Auch er weiß ganz genau, so wie auch ich das weiß, dass es Mitte März erneut einen Gipfel der Europäischen Union geben wird, wo ein Vorschlag vorgelegt wird, in dem es darum geht, dass die frühere Einzelentscheidung, mit der sie die Migranten in Europa verteilt haben, dieser bezog sich auf 120 Tausend Personen, statt diesem wollen sie ein kontinuierliches und ständiges Verteilungssystem. Das heißt sie wollen die langsam mehrere Millionen von Migranten in Europa auf juristisch verbindliche Weise auch dann verteilen, wenn irgendein Mitgliedsstaat, zum Beispiel die Ungarn, dies nicht wollen. Hiergegen rufen wir die Bürger Ungarns ins Gefecht, und gegen dies rebelliert Ungarn, und dies müssen wir aufhalten. Hierauf sage ich, dass wir, Ungarn, Brüssel aufhalten müssen.

Das heißt, wir haben uns dann wegen der 1294 Menschen, die im Dezember beschlossen worden sind, was Sie in Brüssel unterschrieben haben, an das Gericht gewandt, und im Zusammenhang mit der sich auf die Zukunft beziehenden Quote geht es bei der Volksabstimmung über die Quote hierum?

Zunächst einmal habe ich nichts unterschrieben, und ich werde auch nichts unterschreiben, was sich auf die verpflichtende Quote bezieht, ganz gleich ob es eine ständige oder einmalige sei.

Aber in der Abschlusserklärung steht doch diese Quote.

Ja, die Abschlusserklärung pflegen wir nie zu unterschreiben, in der geht es darum, wer was denkt. Der Text, den sie erwähnen, verweist auf die Beratung im Dezember zurück, auf der Ungarn und die Slowakei eindeutig dargelegt hatten, dass sie dem Niedergeschriebenen nicht zustimmen, das darin Enthaltene auch nicht akzeptieren, und sich ans Gericht wenden. Wir haben also in Brüssel offiziell mit den Slowaken erklärt, dass wir uns an das Gericht wenden. Also gilt alles, was dem entgegengesetzt ist, selbstverständlich juristisch für uns, doch politisch stimmen wir dem nicht zu, und unternehmen dagegen auch Schritte. Also wir, besonders die V4, und innerhalb dieser auch die Slowakei und Ungarn, vertreten kämpferisch unsere Interessen in Brüssel. Die Situation ist die folgende, dass wir im Falle der Verteilung der 120 Tausend Menschen, von denen 1200-und-einige auf Ungarn entfallen würden, auf richterlichem Wege versuchen, den ungarischen Standpunkt Geltung zu verschaffen. Und gegen die Ende März zur Annahme vorgesehene neue Regelung bitten wir schon jetzt die Menschen, im Rahmen einer Volksabstimmung Stellung zu nehmen.

Der Generalsekretär des Europarates sagt im Zusammenhang mit dem ungarischen Referendum, dass einzelne Länder unter dem Vorwand der Flüchtlingskrise von den Grundsätzen der UNO-Erklärung zurücktreten, und er sagt auch, dass diese ganze Situation, dieses ganze Referendum eigentlich gefährlich sei und einen Präzedenzfall schaffen könnte. Sind im Grunde die Menschenrechte in Gefahr oder ist es der Dominoeffekt, vor dem sie Angst haben?


Diese Äußerung macht auf eine sehr interessante Frage aufmerksam, denn viele Menschen glauben, die richtige Flüchtlingspolitik könnte in einen Gegensatz zum Volkswillen geraten. Wir müssen die Frage stellen, ob eine Flüchtlingspolitik richtig sein kann, wenn sie im Gegensatz zum Willen des Volkes steht. Ob man die Zukunft, die demographische Zusammensetzung, die Lage der öffentlichen Sicherheit, das kulturelle Muster des einen oder des anderen Volkes im Namen eines Ideals höherer Ordnung auf die Weise verändern darf, dass dabei die Menschen dies nicht wollen. An diesem Punkt prallen die liberale und die demokratische Denkweise aufeinander. Die Liberalen denken, warum man dies denn nicht könnte. Gesellschaften sind nicht aufgeklärt genug, sie sind in ihren Werten noch nicht modern genug, deshalb müssen wir, Führer, einige Dinge, wenn es sein muss, auch gegen die Menschen durchsetzen. Es gibt die Demokraten, wir, Ungarn, gehören hierher, die sagen, natürlich können solche Debatten vorkommen, doch in grundlegenden Fragen, die das Schicksal der Völker bestimmen, ist nicht die Frage, was wir denken, sondern das, was die Menschen denken. Deshalb muss man sie fragen, man muss ihnen zuhören und ihre Meinung, ihre Entscheidung akzeptieren. Hier prallen die liberale Auffassung und die demokratische Auffassung aufeinander. Ungarn gehört eindeutig zu den Demokraten, ins Lager der demokratisch denkenden Völker.

Auch Sie verweisen auf einen Zusammenprall, erneut auf eine Situation, in der jetzt auch schon andere Länder sich Brüssel entgegenstellen, doch sprechen wir jetzt über die ungarische Lage. Also ist die ungarische Richtung der Brüsseler Richtung entgegengesetzt, und bei solchen Anlässen ist – aus den Erfahrungen des vergangenen Zeitraums eine Lehre ziehend – passiert, dass man versucht hat Ungarn auf irgendeine Weise zu reglementieren. Da gibt es zum Beispiel diesen Länderbericht, in dem darauf hingewiesen wird, dass wenn zum Beispiel der Wettbewerb im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe in Ungarn auch weiterhin eingeschränkt bleibt, dann droht Ungarn auch die Gefahr des Geldverlustes. Rechnen Sie nicht damit, dass wenn Ungarn sich wegen der Quote Brüssel entgegenstellt, dann zum Beispiel Vertragsverletzungsverfahren solcher Art, dann Geldentzug folgen kann?

Wenn ich den Innenminister zu fragen pflege, wie geht es Dir, lieber Sándor, dann pflegt er zwei Antworten zu geben. Die eine entsprechend des Dienstreglements, die andere im bestrafbaren Zustand. Auch mir geht es so und auch Ungarn geht es so. Wir sind also bereit, die Schlachten auszufechten, die wir ausfechten müssen. Wir sind bereit, Brüssel Vorschläge zur Lösung der Situation zu machen. Und wir sind auch bereit, jene Strafen, die übrigens unberechtigterweise als Drohungen erwähnt werden, zu ertragen oder abzuwenden. Ich glaube also, man darf sich nicht erschrecken lassen. Wenn der Mensch physisch in einem bestrafbaren Zustand ist, dann wird er jeden Angriff ertragen. Ich glaube, die ungarische Diplomatie ist stark genug, wir haben die Wege der Durchsetzung der ungarischen Interessen im vergangenen Zeitraum gut ausgetreten, und wir werden auch gegenüber den rohesten Drohungen den Kampf im Sinne des Dienstreglements aufnehmen können. Ich halte es für sehr wichtig, dass wir dabei nicht vergessen, warum wir dies auf uns nehmen. Denn Ungarn ist endlich, nach langer Zeit, wenn auch nicht in Siebenmeilenstiefeln, so doch in Schritten, die anerkennenswert sind, in Richtung auf die Verwirklichung seiner eigenen Ziele losgegangen. Schließlich haben wir die Arbeitslosigkeit von 11,5% in die Nähe von 6% gesenkt, ich weiß nicht seit dreißig-und-wieviel Monaten der Einzelhandelsverbrauch steigt, unser Wirtschaftswachstum übersteigt den des Durchschnitts der Europäischen Union deutlich. Die Löhne erhöhen wir als Bestandteil des Laufbahnmodells, die staatlichen Löhne erhöhen wir kontinuierlich, auch wenn die davon Betroffenen damit niemals zufrieden sein werden, was ich im Übrigen verstehe, doch bleibt die Erhöhung dennoch eine Tatsache. Den Wert der kleinsten Löhne konnten wir im Laufe von fünf Jahren auf das Anderthalbfache anheben. Es gibt also meiner Meinung nach eine national denkende Renaissance. Dass die Ungarn stärker geworden sind, kann man nicht nur in Ungarn, sondern auch im Karpatenbecken verspüren, was nicht bedeuten soll, wir hätten keine Probleme, es gebe keine Armut, keinen demographischen Schwund, wir leiden auch unter vielen Problemen, jedoch sind wir doch in eine Richtung losgegangen, in der wir eine bessere Zukunft erwarten. Dies wird jetzt gefährdet durch die Migrantenlage und die Unfähigkeit Brüssels, die ein Chaos verursacht. Wir kämpfen also nicht deshalb, weil wir aus einer Laune heraus keine besseren Ideen hätten, sondern weil wir die Entwicklungsperspektiven Ungarns verteidigen wollen, die in den vergangenen Jahren verrichtete Arbeit schützen wollen und die Chance, die wir uns für die Zukunft erschaffen haben. Deshalb lohnt es sich im bestrafbaren Zustand auf die Verhandlungen in Brüssel wartend all das auf uns zu nehmen, was dieser Diskussion entspringt.

Wenn über die Verstärkung der Grenzsperren gesprochen wird, handelt es sich um die Verstärkung der vorhandenen oder um die Errichtung weiterer?

Beides. Mein Eindruck ist also, dass wenn die Mazedonier ihre Stellungen nicht mehr halten können, obwohl sie bisher gut kämpfen und ihre Leistung Anerkennung verdient, und Anerkennung verdient meiner Ansicht nach auch die Kooperation der auf dem Balkan lebenden Völker und der mitteleuropäischen Völker, und die Unterstützung, die wir uns gegenseitig geben, doch kann es trotzdem geschehen, dass dort der Damm einreißt. Obwohl ich noch einmal sage, es besteht auch die Chance, dass dies nicht eintritt, und die dort angesammelten Menschen in das Innere Griechenlands zurücktransportiert werden. Doch wenn es trotzdem Probleme gibt und es die Pflicht der Regierung und des Ministerpräsidenten eines Landes ist, sein eigenes Land nicht nur auf das Gute, sondern auch auf das Schlechte vorzubereiten, dann müssen wir die Grenzen verteidigen. Die gegenwärtigen physischen Hindernisse sind gut, sie waren erfolgreich. Früher sind vielleicht sogar vierhunderttausend Menschen hereingekommen, und jetzt waren es im vergangenen Jahr im Zeitraum nach der Errichtung des Zaunes vielleicht dreitausend. Vor der Errichtung des Zaunes sind zehn- bis zwanzigmal mehr Migranten gekommen als danach. Die Schutzlinie ist deutlich erkennbar eine sinnvolle Sache und erfüllt ihren Zweck, doch im Falle eines großen Drucks durch Massen müssen wir in der Lage sein, ihn zu verteidigen. Bei Röszke ist es hierzu schon einmal gekommen. Ich glaube, das Zaunsystem muss verstärkt werden, damit es auch in breiteren Abschnitten verteidigt werden kann. Und da es nicht auszuschließen ist, dass sie sich auch Richtung Rumänien wenden, und wir nicht wissen, ob die Rumänen in der Lage sein werden, die Migranten aufzuhalten – hierüber kann man spekulieren, doch man kann es nicht wissen –, deshalb müssen wir uns auch darauf vorbereiten, dass wenn es dort, am rumänischen Abschnitt Probleme gibt, wir innerhalb von zwei-drei Wochen in der Lage sind, den gesamten rumänisch-ungarischen Grenzabschnitt auch physisch zu verteidigen. Hierzu sind wir in der Lage, das Material haben wir gelagert, wir haben es herstellen lassen, hierzu haben die entsprechenden Minister die Anweisung erhalten, also wenn es plötzlich Probleme geben sollte, dann können wir schnell reagieren.

Aus all dem, was Sie in den vergangenen 20 Minuten im Zusammenhang mit der Migration gesagt haben, schließe ich darauf, dass auf dem außerordentlichen Unionsgipfel nächste Woche keine schrecklich großen Fortschritte geschehen werden.


Also auf eine Sache können wir hoffen. Am Montag ist der von Ihnen erwähnte Gipfel der Ministerpräsidenten. Und vielleicht gelingt es mit den Türken ein eindeutigeres Abkommen zu schließen. Etwas anderes erwarte ich nicht vom Gipfel am Montag, denn dieser ist im Grunde ein Gipfel zwischen der Türkei und der Europäischen Union sowie eine sich daran anknüpfende Verhandlungsreihe. Die echte große Gefahr besteht nicht am Montag. Nervenaufreibende Wochen stehen uns bevor, und deren herausragender Punkt wird der für den 17. und 18. März anberaumte Gipfel der Europäischen Union sein, auf dem wir das erste Mal jenen europäischen Vorschlag lesen können, ihn das erste Mal sehen werden, in dem es um die verpflichtende, sich auf alle erstreckende, ständige Verteilung der Flüchtlinge geht, auf Grund der mehrere Millionen Menschen in Europa verteilt werden sollen, darunter auch in solche Länder, die dies im Übrigen nicht wollen, so wie Ungarn. Dieser Mitte März abzuhaltende Gipfel der Europäischen Union wird die echte große Herausforderung für uns sein.

Ein jeder beobachtet in Europa, wie sich die Angelegenheit der Migration bei den Wahlen in den benachbarten Ländern sich niederschlägt, und wir sind wegen der oberungarischen Ungarn ganz besonders von den Wahlen in der Slowakei betroffen. Was erwarten Sie?


Nun, in der Slowakei müssen im Sinne der dortigen Gesetze seit gestern Mitternacht die Wahlkampagnen ruhen. Dies beschränkt natürlich auch meine Möglichkeiten. Vielleicht darf ich soviel sagen, dass ich die in Oberungarn lebenden Ungarn, jene vielen hunderttausend Menschen darum bitten möchte, so freundlich zu sein und an den Wahlen teilzunehmen. Die Zukunft der Slowakei ist wichtig für die dort lebenden Ungarn und auch wichtig für die in Ungarn lebenden Ungarn. Eine stabile und ausgewogene Slowakei, mit der wir im Bündnis stehen können, so wie wir das in den vergangenen Jahren waren, gibt uns auf der europäischen Bühne die Möglichkeit zum gemeinsamen Auftreten. Eine nicht stabile Slowakei ist ein großer Verlust auch für Ungarn. Es wäre auch für die dort lebenden Ungarn schlecht, aber für uns Ungarn in Ungarn wäre das ein großes Problem. Sodass wir an einer stabilen und starken, sowie einer konsequenten Slowakei und an einer solchen slowakischen Außenpolitik interessiert sind, und im vergangenen Zeitraum hat die Slowakei solch eine Politik verwirklicht. Soviel muss ich aber ganz unabhängig von der Slowakei sagen, dass es in den vergangenen zwei-drei Monaten auch anderswo in Europa Wahlen gegeben hat, und diese machen uns nicht fröhlich, da jede Lage nach der Wahl instabil zu sein scheint. Also es gab die Wahlen und es gibt keine Regierungen oder die Regierungsbildung zieht sich dahin, breite Koalitionen sind entstanden, die keine Kraft, sondern viel mehr in zahlreichen Ländern Schwäche hervorgerufen haben. Sodass sich die politische Kraft der europäischen Staaten im vergangenen Zeitraum verringert und damit insgesamt auch Europa geschwächt hat. Ich hoffe, dass in der Slowakei nicht dies geschieht, sondern eine über eine starke, deutliche Legitimation verfügende Regierung gebildet wird. Wir drücken den Slowaken die Daumen und drücken die Daumen auch für die in der Slowakei lebenden Ungarn.

Wir haben noch ein ganz wenig Zeit übrig, Sie haben nach dem Oscar auf Ihrer Facebook-Seite geschrieben, dies sei ein großer Tag für den ungarischen Film, wir danken allen. Ein großartiger Erfolg, aber was steht bei solch einem Anlass in der Verantwortung der Regierung eines Landes? Wird ein helleres Licht erstrahlen, wird die ungarische Filmindustrie größere Unterstützung erhalten? Was wird geschehen?

Nun, die ungarische Filmindustrie hat im vergangenen Zeitraum so viel Unterstützung erhalten, dass man diese nicht mehr weiter anheben kann. Ich muss sagen, wir sind ganz weit unten gestartet, also im Jahre 2010, jetzt gehe ich auf die kriminellen Dinge erst gar nicht ein, doch haben wir in dem Bereich der Filmförderung das vollkommene juristische und finanzielle Chaos übernommen. Vielleicht erinnert sich noch ein jeder daran, wie schlecht die Stimmung damals war, ein jeder fühlte sich betrogen, ein jeder meinte, man wäre ihm etwas schuldig während man selber für nichts verantwortlich war. Es war sehr schwer, hier für Ordnung zu sorgen. Den Namen von Andy Vajna können wir hier nicht umgehen, der einer der mutigsten Ungarn ist, der die Arbeit auf sich genommen hatte, in diesem Wespennest Frieden, Gerechtigkeit und eine schöpferische Atmosphäre zu schaffen. Die Arbeit langer Jahre steckt in diesem Erfolg, ich möchte allen im Filmfonds arbeitenden Menschen dafür meinen Dank aussprechen, Andy Vajna auch noch gesondert. Natürlich ist es nicht Sache des Filmfonds, selber Filme zu machen, sondern es ist seine Aufgabe, Talenten Raum zu bieten, damit sie die ihren Fähigkeiten entsprechende Laufbahn beschreiten können. Dies ist jetzt geschehen, sodass wir dem Regisseur von „Sauls Sohn“, dem Operateur, dem Hauptdarsteller, überhaupt allen danken. Wir haben ihre Arbeit von Ungarn aus mit der größten Anerkennung beobachtet. Was den Filmfonds angeht, und das System des Films, so habe ich aus Anlass von „Sauls Sohn“ zusammenzählen lassen, wie viele Preise in den vergangenen Jahren die im Rahmen des neuen Systems entstandenen ungarischen Filme gewonnen haben. Die Zahl ist erstaunlich. Mehr als 130 verschiedene Anerkennungen haben die ungarischen Filme in der Welt erhalten. Der herausragende Berggipfel darunter ist „Sauls Sohn“, zu dem ich den Verfassern noch einmal gratulieren möchte, und ich freue mich darüber, dass es derart talentierte ungarische Menschen in der Welt gibt.

Sie hörten Ministerpräsidenten Viktor Orbán.

(miniszterelnok.hu)