Éva Kocsis interviewed Prime Minister Viktor Orbán on Kossuth Rádió’s “180 minutes” programme (2. Oktober 2015).

Im Studio zu Gast ist Ministerpräsident Viktor Orbán, guten Morgen!

Küss‘ die Hand, ich wünsche einen guten Morgen!

Sie kommen nicht direkt von der Generalversammlung oder der Sondersitzung der UNO, jedoch beinahe, Sie sind unlängst aus den USA zurückgekehrt. Beginnen wir hiermit, Sie haben gesagt, wir müssen Frieden stiften und in unseren Ländern einen Wirtschaftsentwicklungsplan ausarbeiten. Was für eine Rolle kann  Ungarn dabei übernehmen, zum Beispiel bei dieser Ordnung? Hierbei denke ich in erster Linie an die humanitäre.

Wir können eine verhältnismäßige Rolle übernehmen, denn auf dem Platz spielen größere Jungs, als wir es sind. Ungarn kann nicht glauben, dass ohne die Vereinigten Staaten, Russland, China sowie die reichen arabischen Staaten bzw. anstatt dieser, jedweder Vorschlag lebensfähig sein kann. Wir haben eine Aufgabe,  wenn die führenden Politiker der Welt zusammenkommen, um die Lage zu überblicken und um einen Ausweg zu suchen, dann müssen wir direkt und ehrlich unsere eigenen Erfahrungen mitteilen. Ich bin aus dem Grunde nach New York, zur Generalversammlung der UNO gefahren, um die ungarischen Erfahrungen mitzuteilen, die nicht theoretischer Natur sind, nicht aus Büchern stammen, nicht aus statistischen Angaben aufgebaut sind, sondern persönliche, tägliche Erlebnisse sind. Wir wissen, worüber wir sprechen, wir wissen, was diese Erscheinung ist, der wir gegenüberstehen, und wir wissen auch, was funktioniert, und auch, was nicht funktioniert.

Das auf der UNO-Generalversammlung Erlebte zeigt in  Richtung einer Ordnung?

Meine Eindrücke waren gemischt. Von den  führenden Politikern Europas waren die Malteser und Ungarn jene, die unumwunden und – formulieren wir es so – mit Mut die Einführung einer Weltquote vorgeschlagen haben, das heißt, dass jeder eine bestimmte Anzahl von Flüchtlingen übernehmen soll und diesen, solange sie nicht in ihre eigene Heimat zurückkehren können,  Lebensbedingungen garantieren soll. Die restlichen europäischen Länder haben das gleiche Janusgesicht gezeigt, wie wir es hier in Europa kennen, das heißt Europa ist uneins, und im Übrigen ist gerade dies eine Ursache der Probleme. Die Probleme werden nicht nur durch die Flüchtlings- und Migrantenkrise verursacht, sondern auch durch das Fehlen einer einheitlichen Antwort auf diese. Dies ist ein mindestens so großes Problem, wie  die Herausforderung selber.

Als Sie die Weltquoten vorgeschlagen haben, was haben die führenden europäischen Politiker Ihnen auf dem Flur gesagt?

Das ist so, wie in der Familie zuhause. Also wenn alle am Tisch sitzen, dann gibt es eine Meinung, und wenn wir uns unter vier Augen unterhalten,  dann gibt es auch eine Meinung. So steht es auch hier um die Dinge; die Sprechweise der Welt ist in diesem Moment außerordentlich unvorteilhaft, lebensfremd, ist voller guter Absichten, Gutmütigkeit, mitfühlenden Herzens, doch weiß sie nur sehr wenig über die tatsächliche Natur des Problems. Also zum Beispiel, dass es sich hierbei um einen viele tausend Menschen beschäftigenden, illegalen Menschenschleppergeschäftszweig handelt, dass ein massives Geschäftsmodell ausgebaut worden ist, ohne dessen Zerbrechen die Situation nicht geregelt werden kann, dies ist eine unerzählte Geschichte, wir sehen hiervon keinerlei Anzeichen in der amerikanischen Presse oder nur einen sehr blassen Abdruck dessen. Oder dass ca. 80 Prozent der Einwanderer aus jungen Männern besteht, sie ähneln vielmehr einer Armee, als  Asylsuchenden, ein Großteil von ihnen ist vollkommen ungeschult, ein anderer Teil spricht nur arabisch. Das Problem ist, dass kaum einer von ihnen über Arbeitserfahrungen verfügt, also was für Schwierigkeiten im späteren gemeinsamen Zusammenleben sich bereits jetzt entfalten, hierüber spricht beinahe niemand. Ich muss also sagen, die Realität, das Wirklichkeitsgefühl dominiert dieses Thema noch nicht.

Was ist der Unterschied zwischen der europäischen und der Weltquote?

Wissen Sie, dass ist ja letztlich kein gangbarer Weg, dass Europa entgegen seines gesamten guten Willens alle Beschwernisse der Welt auf sich nehmen will und sich einbildet, es sei in der Lage, diese zu lösen. Dies muss man unumwunden sagen, hierzu sind wir nicht in der Lage, oder wenn wir das machen, wenn wir hierfür einen Versuch unternehmen, dann zermalmen wir jene Lebensweise, jene Rahmen, Werte, Stärken unseres Lebens, die wir in den vergangenen einigen hundert Jahren in Europa ausgebaut haben. Wir haben also  eine Lebensweise erarbeitet, haben ein Lebensniveau erarbeitet, und auch für die Freiheit hatte man arbeiten müssen, man musste die Voraussetzungen des freien Lebens austragen, wie wir unser Verhältnis zueinander, unser Staatssystem ausbilden müssen, damit unsere Bürger auf  eine möglichst freie Weise leben können, dies ist das Ergebnis unseres mehrere hundert Jahre umfassenden Kampfes. Wenn wir glauben, auch solche Lasten abtragen zu können, die wir nicht abtragen können, dann werden wir all das, was wir erreicht haben, kaputt machen. Wir werden also nicht jenen Menschen helfen, die auf Hilfe angewiesen sind, sondern werden auch noch unsere eigenen Kinder der Chance auf jenes Leben berauben, für das wir, unsere Eltern und unsere Großeltern so viel in Europa gearbeitet haben.

In Ordnung, jedoch ergeben sich auch bei der Weltquote die gleichen Probleme, wie bei der europäischen, das heißt, dass es nicht sicher ist, dass der jeweilige um Asyl Ansuchende, der jeweilige Migrant, Wirtschaftseinwanderer gerade jenes Land an einem anderen Punkt der Erde wählen möchte.

Dies ist ein Grundproblem. Die in Genf angenommenen, Konvention genannten internationalen Abkommen machen deutlich, dass die in Not geratenen Menschen das Recht auf Hilfe und Hilfestellung haben, aber es existier t– wie man es so sagt –  kein à la carte Flüchtling. Der sich in Not befindliche Mensch kann also nicht vorschreiben, dass ihm irgendein Land, in dem er im Übrigen in Sicherheit leben könnte, nicht zusagt, und er in ein anderes gehen will, so etwas gibt es nicht. Das internationale Recht schafft diese Möglichkeit nicht. Wenn wir also meinen, dass zum Beispiel Griechenland ein sicheres Land ist, und es ist nun mal Mitglied der Europäischen Union oder, dass Kroatien ein sicheres Land ist, denn auch dieses ist Mitglied der Europäischen Union oder wenn wir der Meinung sind, dass Serbien ein sicheres Land ist, denn es ist ja schließlich ein Beitrittskandidat zur Europäischen Union, und wenn die Flüchtlinge dort schon angekommen sind, dann können sie von dort nur dann in ein anderes Land weitergehen, wenn es jemanden gibt, der sie aufnimmt, denn im Übrigen sind sie nicht mehr in Gefahr. Dieses Prinzip müsste in der Praxis zur Geltung kommen, jedoch kommt es nicht zur Geltung, weil ein Teil der führenden Politiker der Europäischen Union den Eindruck erweckt, ja häufig habe ich das Gefühl, dass sie es auch ernst meinen, dass sie sich darüber freuen, dass ihr Land von zehntausenden unkontrolliert dort ankommenden Ausländern überschwemmt wird.

Ist es der Zweck der Weltquote, des Sprechens von der Weltquote, die entwickelten Länder dazu zu zwingen, Farbe zu bekennen?

Dies ist eine unhöfliche Formulierung, also wir sprechen in den internationalen Beratungen nicht in diesem Ton, sondern wählen lieber einen anderen Ton. Es geht nicht, dass die Vereinigten Staaten keine Menschen aufnehmen oder wenn ich es richtig sehe, dann insgesamt vielleicht 10 oder 15 tausend, und  die reichen arabischen Länder scheinen zu zögern, Israel nimmt überhaupt nicht auf, Australien nimmt überhaupt nicht auf, und dann blicken alle auf Europa, weil irgendjemand die Flüchtlinge, bzw. die Wirtschaftseinwanderer in diese Richtung losgeschickt hat. Wenn wir über den Berg sein werden und der auf uns lastende Druck geringer sein wird, wird es aber lohnenswert sein zu untersuchen, wie diese Menschen sich auf den Weg gemacht haben, wie diese ganze Angelegenheit angefangen hat, weil dies zu plötzlich geschehen ist, es läuft innerhalb zu  sehr organisierten Rahmen ab. Der Mensch muss sich also bei solchen Anlässen im Hinterkopf einige Fragen stellen oder einige Fragezeichen zeichnen, um die Natur dieser ganzen Bewegung zu verstehen. Aber wie auch immer: Ich möchte auf den Punkt zurückkommen, dass das Problem darin besteht, dass es in der Europäischen Union keine Übereinstimmung hinsichtlich der Natur dieser Erscheinung gibt, einige halten sie für eine Flüchtlingskrise, ich persönlich tue dies nicht, und soweit ich sehe, tut dies auch die Mehrheit in Ungarn nicht, wir sehen eine Völkerwanderung, es gibt keine Übereinstimmung hinsichtlich der Dimension, also des Umfangs. Einige sprechen permanent über die syrischen Kriegsfolgen, wohingegen die Tatsachen etwas anderes aussagen, nach Ungarn sind Menschen aus 101 Ländern gekommen, das heißt, wir stehen einer globalen Erscheinung gegenüber. Und zum Dritten gibt es in Europa keinen Konsens darüber, ob das was passiert, eine gute oder eine schlechte Sache ist. Die französische Politik, die italienische Regierungspolitik ist eindeutig auf dem Standpunkt, dass das, was geschieht, eine gute Sache sei. Ihre Gesellschaften sehen also hierin keine Herausforderung, keine Gefahr, sondern eine Möglichkeit. Das von der Europäischen Kommission selbst herumgereichte Dokument – das wir Mitte Oktober besprechen müssen – schließt mit dem Gedanken, den ich überhaupt nicht akzeptieren kann, dass wir unsere Bürger davon überzeugen müssen, dass das, was jetzt geschieht, keine schlechte Sache, sondern eine für Europa nicht wiederkehrende Möglichkeit sei, um seine demographischen Probleme, das heißt den Bevölkerungsschwund zu beheben. Ich weise diesen Gedanken sowohl auf philosophischer Grundlage, als auch als Familienvater und als Ungar sowie als Europäer zurück. Ich glaube nicht, dass die demographischen Probleme auf diese Weise gelöst werden müssten, in Ungarn mit Sicherheit nicht. Ich stelle das Recht keines einzigen europäischen Landes in Abrede, seine demographischen Probleme mit jungen, als Kämpfer erscheinenden Männern aus der arabischen Welt zu beheben, wenn die Menschen dort dieser Ansicht sind, dann sollen sie dies eben tun, doch wir können nicht akzeptieren, dass sie diese Herangehensweise Ungarn aufzwingen, und wir über eine für uns schlechte Sache so denken müssen, als ob sie gut für uns wäre. Übrigens erscheint dieser Gedanke auch in anderen Ländern, bei den Franzosen, ich habe in den vergangenen Tagen einige Äußerungen von Herrn Sarkozy bzw. des ehemaligen Staatspräsidenten gelesen, die sehr kraftvoll sind, und die der ungarischen Annäherung sehr ähnlichen philosophischen und politischen, denkerischen Wurzeln entstammen und aufs Entschiedenste von dem offiziellen französischen Standpunkt abweichen. Man kann also sehen, dass es auch in anderen Ländern riesige Debatten gibt. Auch in Ungarn ist die Lage so, dass die Sozialisten auch bei uns, bzw. ein Teil von ihnen, Verzeihung, auch ein Teil der politischen Linken dies als eine große Möglichkeit betrachtet, die Partei des ehemaligen Ministerpräsidenten, einige kleinere liberale Parteien nehmen an, dass das was geschieht, keine Gefahr, sondern eine gute Sache für Ungarn sei. Ich halte dies für einen fatalen Irrtum, jedoch ist dieser Gedanke in einem größerem Ausmaß, und vertreten durch größere Länder, tatsächlich in der europäischen Politik präsent und verhindert, dass wir zu einem Konsens kommen.

Sie haben am Anfang des Gesprächs auf die Übernahme von Verantwortung durch die und das Eingreifen der Großmächte verwiesen. Wenn wir jetzt den einen Aspekt, die Regelung der Bürgerkriegssituation betrachten, die syrische Sache ansehen, dann sagen die Experten, dass das Eingreifen Russlands, selbst wenn es ein unumgänglicher Akteur ist, Öl auf das Feuer ist. Wie sehen Sie das?

Wir wissen es nicht, ich weiß es nicht, ob es ein noch größeres Feuer geben kann, wie das, was wir jetzt schon haben. Gewiss ist, dass die Großmächte der Erde seit langer Zeit in dieser Angelegenheit, was man denn in Syrien tun sollte, nicht in der Lage sind, zu einem Konsens zu gelangen. Doch ein noch größeres Problem als das ist, dass es auch schon früher keinen Konsens in der Frage gab, was man im Irak machen müsste, dann gab es auch keinen Konsens darüber, was man in Afghanistan tun muss. Es ist nicht meine Aufgabe, dass Ungarn den großen politischen Akteuren gute Ratschläge erteilt, ich möchte nicht als Besserwisser erscheinen, sondern diese schlechte oder missverstandene Rolle vermeiden, doch es schadet vielleicht nicht, wenn wir die Wahrheit aussprechen: Das sind Wirtschaftsvölkerwanderer, die heute unterwegs sind oder sich vorbereiten. In der Europäischen Kommission hat der polnische Präsident, der persönlich diese Länder und Lager besucht hat, offen ausgesprochen, dass sich Zigmillionen Menschen auf die Wanderung vorbereiten, weil sie es so wissen, dass sie in Europa gern gesehen sind. Ich möchte nur so viel sagen, dass diese Menschen, obwohl sie für die europäische Lebensweise eine Gefahr darstellen – und über den Terrorismus haben wir noch gar nicht gesprochen –, in ihrer Gesamtheit doch eher Opfer sind. Denn schließlich sind sie Opfer der schlechten Politik ihrer eigenen Regierungen, denn sie können nicht zu Hause bleiben und dort leben, doch wir sollten nicht vergessen, dass auch die internationalen politischen Entscheidungen  eine Rolle dabei gespielt haben, dass diese Menschen ihre eigenen Länder verlassen mussten. Hier sprechen wir über eine afghanische Politik, eine Irak-Politik, eine syrische Politik, über die Politik des „arabischen Frühlings”, über eine libysche Politik, und ich wage Ihnen gegenüber über keine einzige davon zu behaupten, dass dies erfolgreiche Formen der internationalen Politik gewesen wären.

Sie sind zum Gipfel in Brüssel mit Vorschlägen erschienen, von denen der eine die Übernahme einer humanitären Rolle war, nicht wahr, Sie haben zum Beispiel  auch die türkischen Lager erwähnt. Können Sie sich vorstellen, dass das im Übrigen zu Recht weltberühmte ungarische Wissen auch bei der Lösung humanitärer Krisensituationen eventuell im guten Sinne importierbar ist, dass wir in diesen Lagern Verantwortung übernehmen?

Wir können helfen, doch das Problem besteht heute nicht darin, dass in diesen Lagern das entsprechende Wissen nicht zur Verfügung stünde. Es fehlt vielmehr Geld  und noch mehr fehlt der Wille aus Europa, diesen Lagerbewohnern zu sagen, dass Europa  sie nicht aufnehmen wird. Ich sage ernsthaft, in diesem Studio über die Angelegenheit nachdenkend erscheint es als beinahe unglaubwürdig, aber Zigillionen Menschen glauben, dass es einen Kontinent gibt, der in Wohlstand lebt, und der es kaum erwarten kann, dass sie hierher kommen. Mit Arbeit, noch eher aber ohne Arbeit die existenziellen Schwierigkeiten ihres Seins behebend werden sie mit Freundschaft empfangen werden und sie erhalten den Wohlstand auf eine ebensolche Weise, wie sie das im Fernsehen zuhause sehen, wie die Menschen in den entwickelten westlichen Ländern leben. Diese Vorstellung findet sich in den Köpfen von Zigmillionen Menschen, und meiner Ansicht nach verspüren die europäischen Politiker nicht den Zwang oder die Verantwortung, dass jeder Diskurs, den wir über diese Frage führen, in zwei verschiedenen Arten von Köpfen gedeutet wird: In den unseren, wie wir über die Fragen sprechen, und den Köpfen dieser Zigmillionen Menschen. Wenn wir über Quoten reden und wenn wir von Mitgefühl und humanitären Fragen sprechen, sowie über ähnliche europäische christliche Werte reden, die sehr wichtig sind, wird das in ihren Köpfen als Einladung gedeutet. Wenn es also ganz am Anfang keinen Satz gibt, der deutlich macht, dass Europa nicht einen jeden aufnehmen kann und keinerlei unkontrollierten, unbeaufsichtigten Prozess akzeptiert, weshalb ein jeder ein bestimmtes Verfahren durchlaufen muss, in dessen Rahmen sich entscheidet, ob er nach Europa kommen darf oder nicht, und der Schauplatz dieses Verfahrens nicht in Europa ist, sondern außerhalb Europas, weshalb es sich nicht lohnt, unkontrolliert, auf Menschenschlepper hörend durch die halbe Welt zu marschieren und nach Europa zu kommen, weil am Ende dessen kein glückliches Leben steht, solange wir dies nicht sagen, solange werden sie kommen.

Um dies aber mitzuteilen, hierzu müssen die uns umgebenden Länder, muss Europa einheitlich sein. Gibt es unter den uns umgebenden Ländern eines, mit dem die ungarische Richtung übereinstimmt?

Die vier Visegrád-Staaten sind in Ordnung. Ich denke, unsere Lebensinstinkte funktionieren gut, aus dem Leben der Visegráder Vier fehlt die Realität nicht. Probleme gibt es mit den weiter entfernt liegenden und den ideologischer denkenden Ländern. Ich sage es noch einmal: die Franzosen, die Italiener, ein Teil der deutschen Politik, ein ansehnlicher Teil der österreichischen Politik hält das, was jetzt geschieht, eindeutig für eine positive Erscheinung, und so ermuntert sie diese auch noch.

Gerade deshalb muss man sicherlich das Verhältnis zu Kroatien ordnen. Sie haben das kroatische Staatsoberhaupt in New York getroffen. Er hat sich ebenfalls für das Ordnen ausgesprochen.

Die kroatische Angelegenheit ist eine sehr schwierige Angelegenheit, denn zuerst haben wir 800 Jahre in einem Staat auf die Weise gelebt, dass Kroatien immer seine Unabhängigkeit besaß, also wird das Zusammenleben der beiden Nationen durch keine schlechten historischen Erinnerungen getrübt. Sicherlich hat es auch schlechtere Tage oder Perioden gegeben, doch diese sind im Vergleich zu den positiven Erlebnissen nur gering. Wir haben also einen Nachbarn, mit dem, was hier im Karpaten-Becken nicht allzu häufig vorkommt, die Geschichte die guten Seiten des Zusammenlebens zum Vorschein gebracht hat. Es besteht also kein Hindernis für die Freundschaft, ich spreche nicht einfach über die rationale Zusammenarbeit, sondern von einer Freundschaft, die auch emotionale Grundlagen besitzt. Was jetzt geschieht, das zerstört diese Grundlagen. Ich habe mich kein einziges Mal zu Bemerkungen an die Adresse des kroatischen Ministerpräsidenten hinreißen lassen und solche auch nicht erwiedert, weil ich mir gedacht habe, dass es auch in den internationalen Beziehungen Regeln gibt – gute Umgangsformen, diplomatische Höflichkeit –, die es sich nicht lohnt, zu verletzen, weil dies zwar kurzfristig als nützlich erscheinen könnte, doch langfristig  unser Volk hierfür den Preis bezahlen wird. Doch ist die Wahrheit letztlich die, dass ich den Ungarn, den verehrten Zuhörern nichts anderes sagen kann, als dass wir den Kroaten das nicht  nachtragen sollten, was sie tun. Die Dinge, die der kroatische Ministerpräsident sagt, betrachten wir nicht als die Meinung der kroatischen Menschen. Der kroatische Ministerpräsident und seine Partei sind Teil der Sozialistischen Internationale, und die Parteien der Sozialistischen Internationale unterstützen die Einwanderung, sie sind es, nach deren Meinung das, was geschieht, eine gute Sache sei. Ihre führenden Politiker – und meiner Ansicht nach viel weniger das Volk – befolgen die Anweisungen, die Aufgabenstellungen der Sozialistischen Internationale. Deshalb bitte ich die Ungarn, wenn sie den kroatischen Ministerpräsidenten hören,  nicht einen kroatischen Menschen zu hören, sondern den Beauftragten der Sozialistischen Internationale, dessen Aufgabe es ist, Ungarn zu attackieren.

Der kroatische Ministerpräsident kritisiert in erster Linie nicht Ihre Worte, sondern Ihre Entscheidung, die Grenzsperre, halten Sie das für eine Art Botschaft?

Es gibt Länder, die glauben, ein Land könne auch ohne Grenzen existieren. Sie können solche Illusionen haben, lassen Sie mich sie liberale Illusionen nennen, doch ist die Wirklichkeit eine andere. Das Land, das keine Grenzen besitzt, das nicht in der Lage ist, sie zu beschützen, das nicht in der Lage ist, zu bestimmen, wer jene Menschen sind, für deren Schicksal es Verantwortung trägt, nun, dieses Land ist in Wirklichkeit kein Land. Die Europäische Union hat  diese Grenzen zwar im Inneren unwesentlich gemacht, sie aber niemals aufgehoben, sie hat sie durchgängig gemacht, aber nicht gesagt, es gebe kein Deutschland, Österreich, Frankreich mehr oder das Ungarn aufgehört hätte zu existieren. Solange die territoriale Gerichtsbarkeit funktioniert, also solange es gewählte Parlamente und Regierungen gibt, die jene Regeln aufstellen, die das Zusammenleben auf einem gegebenen Gebiet regeln, solange muss es auch Grenzen geben. Es ist eine Illusion zu glauben, dass Nationen, dass Länder auch ohne Grenzen existieren könnten.

Was wird mit dem österreichischen Korridor? Der österreichische Kanzler hat sich Ihren Worten zufolge  dahingehend geäußert, dass wenn man sie nur mit einem Zaun aufhalten kann,  wir sie lieber durchlassen sollten.

Auch den österreichischen Standpunkt können wir als einen sich ständig verändernden sehen. Dort folgen, nicht wahr, nacheinander Wahlen; jetzt gab es sie in Oberösterreich, das waren Wahlen auf Bundeslandebene, also nicht die örtlichen Selbstverwaltungen wurden gewählt, sondern im gesamten Bundesland, sie waren also ernster als im Falle einer Kommunalwahl oder besitzen eine größere Dimension, wenn auch keine landesweiten Wahlen. In Kürze – ich glaube am 11. Oktober – werden die Wahlen in Wien sein, also ist das dortige politische Leben jetzt in einem erregten Zustand, arbeitet in einem gesteigerten Betriebsmodus. Dies müssen wir zur Kenntnis nehmen, wir müssen auch mit den Österreichern bestrebt sein, zusammenzuarbeiten, ich kann unseren österreichischen Freunden schließlich nur  sagen, dass es keine gute Sache ist, dass während ihre Grenze, die Südgrenze von Österreich  sich zum Teil an der ungarischen Grenze erstreckt, denn beide Länder sind innerhalb der Schengen-Zone, und wir diese Grenze zu verteidigen versuchen, sie uns währenddessen mit ihrem Friendly Fire von hinten in den Rücken schießen. Das ist keine gute Sache. Dies tut der Zusammenarbeit, der Freundschaft der beiden Völker nicht gut und ist  letztendlich  nicht zielführend.. Ich habe sie darum gebeten, dass wir diese Situation lieber ruhig besprechen, und wenn sie ernsthaft glauben, dass die Wirtschaftseinwanderer eine Gefahr und ein Risiko darstellen, und man sie früher oder später irgendwo aufhalten muss, und wenn Griechenland, dessen Aufgabe dies wäre, sie schon nicht aufhält, dann muss man sie irgendwo an den Grenzen Ungarns aufhalten, so wie wir das an der serbisch-ungarischen Grenze getan haben. Dies ist auch in ihrem Interesse, und wenn das so ist, dann sollten sie aber auch helfen.

Wir haben nur noch sehr wenig Zeit für innenpolitische Angelegenheiten und Fragen. Wer wird Staatssekretär für Gesundheit?

Wir haben heute Nachmittag ab 2 Uhr eine Regierungssitzung und danach wird es zu dieser Entscheidung kommen, wenn wir mit dem Minister für Humanressourcen diese Lage überblicken.

Aber haben Sie schon einen Namen im Kopf?

Der muss nicht in meinem Kopf sein, sondern in dem des Herrn Ministers, und so wie ich ihn kenne, wird er mehr als nur einen haben, das nehme ich an.

Es kam und kommt jetzt ständig zu strukturellen Änderungen in der Regierung. Was ist es, was Sie sich davon erhoffen?

Ich wollte dies schon immer, nur habe ich es nicht durchführen können. Als wir 2014 die Wahlen gewonnen hatten, hatte ich schon damals gedacht, damit die Regierung gut funktioniert, damit auch ich persönlich meine Arbeit, die keine persönliche Angelegenheit ist, sondern jene des Landes, gut verrichten kann, das heißt, den Interessen der ungarischen Menschen gut dienen kann, dazu brauche ich eine größere Hilfe, als früher. Doch konnten wir den Fraktionsvorsitzenden nicht von der Spitze der Fraktion herausheben, weil nach einer Wahl, wenn ein neuer Zyklus beginnt, die Einheit der Fraktion besonders wichtig ist, weil dies das politische Hinterland der Regierung bildet. Die Unterstützung der Wähler kommt also hierdurch zur Geltung. Sie vertreten die Menschen, ohne die man nicht regieren kann. Deshalb konnten wir Herrn Minister Antal Rogán – jetzt kann ich ihn schon so nennen – nicht vom Posten des Fraktionsvorsitzenden abberufen, weil die Stabilität der Fraktion wichtiger war. Doch jetzt ist ein Jahr vergangen, die Dinge haben sich meiner Ansicht nach, besonders in Hinsicht auf die ungarische Wirtschaft, jetzt schon in eine vielversprechende Richtung gewendet, obwohl wir noch sehr viel arbeiten müssen. Ich habe das Gefühl, dass man jetzt den Fraktionsvorsitzenden wechseln kann und ich auf diese Weise jene Hilfe bekommen kann, die ich im Rahmen der Regierungsarbeit benötige.

Die Hilfe dieser Art, über die Sie jetzt sprechen, haben Sie bisher nicht erhalten?

Ich habe sie bekommen, nur etwas weniger. Ein Mensch verrichtet zwei Arbeiten, dies ist sicher im Beruf eines Radiomoderators auch so, das heißt wenn jemand gleichzeitig Fraktionsvorsitzender ist und auch die politische Arbeit des Ministerpräsidenten koordiniert, dann ist das wahrscheinlich nicht die gleiche Arbeit, als wenn er sich nur um eine einzige Sache kümmern müsste. Und in den vergangenen zwei Jahren musste der Herr Fraktionsvorsitzende zwei Dinge lösen: die Fraktion leiten und mir helfen. Ich konnte es schon kaum erwarten, dass ich einen ganzen Mann bekomme.

Sie hörten Viktor Orbán, Ungarns Ministerpräsidenten.

(Amt des Ministerpräsidenten)