30. Oktober 2015
Éva Kocsis: Ich wünsche einen guten Morgen. Wir haben 4 Minuten nach halb 8, im Studio zu Gast ist Ministerpräsident Viktor Orbán, guten Morgen!
Ich wünsche einen guten Morgen!
Auch in Madrid wurde über die Migrantenlage verhandelt und auch in Brüssel gab es einen Minigipfel unter der Teilnahme jener Länder, die am ehesten von dieser Frage betroffen sind. Sie haben über 17 Punkte auf diesem Gipfel gesprochen, oder wenn man sich diese 17 Punkte durchliest, dann zeichnet sich eher das Bild ab, dass die Ankunft der Migranten humaner gestaltet werden soll, sie aber nicht aufgehalten oder ihr Tempo verringert werden soll, doch dies kann man nur schwerlich als eine Lösung oder zumindest als einen zur Lösung führenden Weg bezeichnen.
Auch weiterhin wird eine Diskussion in der Europäischen Union geführt. Wir, Ungarn, verstehen diese Diskussion nicht genau, denn wir leben in einer anderen Zeitzone, wir haben die Lösung eines Problems bereits hinter uns gebracht, und andere suchen nach der Lösung. In Ungarn liegt es für 9 von 10 Menschen auf der Hand, dass die Grenze eine gute Sache ist, die Grenze muss geschützt werden und die geschützte Grenze gibt Sicherheit, man muss unter Kontrolle halten, wann und wer ein Land betritt. Wenn das nicht so ist, wie das gegenwärtig in zahlreichen Ländern Europas nicht so ist, weil unter einer Invasion, unkontrolliert drängen täglich zu Zehntausenden niemandem bekannte Menschen auf das Gebiet der Union. Also weiß die Europäische Union, während dies die Lage ist, noch immer nicht, ob sie jenen ungarischen Standpunkt oder den Standpunkt des nüchternen Verstandes akzeptiert, nach dem man die Grenzen verteidigen muss. Nun, während wir diese Frage bereits beantwortet und in diesem Zeichen gehandelt haben, diskutieren sie noch immer darüber, ob dies ein richtiger Ausgangspunkt sei. Deshalb haben Sie das Gefühl, dass wir Papiere fabrizieren, während die Realität Europa unter sich begräbt.
Sind wir darüber hinweg? Und wenn die Abschiebungen beginnen? Laut der Vereinbarungen müssen wir die bei uns Registrierten aufnehmen.
Zuerst lohnt es sich uns klarzumachen, dass wir in großen Schwierigkeiten stecken. Es stimmt zwar, dass Ungarn im Vergleich mit mehreren europäischen Mitgliedsstaaten heute eine Insel der Stabilität ist, – in wirtschaftlichem Sinne und auch in Hinblick auf die öffentliche Sicherheit, auch in Hinblick auf die Migrantenkrise, aber es gibt trotzdem gemeinsame Gefahren in Europa. Die erste ist das Anwachsen der Terrorgefahr. Es gibt verschiedene Schätzungen darüber, in welchem Maße die Bedrohung durch den Terror in Europa angestiegen ist. Meinem Standpunkt nach ist bereits ein Terrorist einer zu viel. Die zweite Frage ist die, wie sich die öffentliche Sicherheit gestaltet, denn nacheinander kommen die Nachrichten aus Europa, dass die öffentliche Ordnung und die öffentliche Sicherheit auf Grund der hohen Zahl der Einwanderer umkippt, wegen ihrer inneren Konflikte, das heißt die Gefahr droht, dass darüber hinaus, dass die Zahl der Verbrechen in Europa anwachsen wird, lassen wir, ja wir rufen sogar die eigentümlichen inneren Konflikte des Nahen Ostens in die Europäische Union. Denn auch die Zusammenstöße zwischen den gegenwärtigen Einwanderern besitzen zahlreiche Ursachen, die nicht hier entstanden sind, keiner sozialen Natur sind, sondern von ihnen von Zuhause mitgebracht worden sind, dies sind die eigentümlichen inneren Konflikte ihrer Welt, doch jetzt äußert sich all dies auf dem Territorium Europas. Die dritte Sache ist die, dass die Völker Europas zu erwachen beginnen oder erkannt haben, dass dies natürlich eine schwierige soziale Frage ist, also die, was wir mit ihnen anfangen, eine schwierige Frage der Sicherheit, doch in erster Linie eine kulturelle Frage. Unsere Identität steht auf dem Spiel, unsere Lebensweise, unsere Sitten, die Art, wie wir bisher gelebt haben. Können wir so leben, wie bisher? Dies ist eine Frage der Identität, der Kultur, und dies sehen immer mehr Menschen in Gefahr, deshalb wird die Stimme der europäischen Völker gegenüber den gegenwärtigen Ereignissen stärker. Ich sage es noch einmal: die Völker Europas beginnen zu erwachen.
Doch was ist ihre Meinung über die Abschiebung? János Lázár sagte, hierher dürfen sie nicht zurückkommen, jedoch werden sie im Sinne der Abkommen jene hierher zurückschicken, die wir hier registriert haben.
Wir müssen zweierlei Herausforderungen ins Auge blicken. Die eine ist die, ob jene, die wir hier registriert haben, nach Ungarn zurück abgeschoben werden dürfen? Unser Standpunkt lautet nein, weil die Regeln nicht das aussagen, dass sie hierher zurück abgeschoben werden müssen, sondern dorthin, wo sie das erste Mal das Gebiet der Europäischen Union betreten habe, und dies ist Griechenland. Übrigens ist der Schlüssel für die ganze Situation heute Griechenland. Viele halten die Türkei für solch einen Schlüssel, auch darin steckt etwas Wahrheit, doch sie ist außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Europäischen Union, den sie ist kein Mitgliedsstaat der Europäischen Union. Griechenland ist ein Mitgliedsstaat der Europäischen Union und wenn die Griechen die Absicht hätten, die südlichen Grenzen Griechenlands zu verteidigen, dann könnten die Einwanderer nicht in das innere des Kontinents hineingelangen. Jedoch verrichten die Griechen diese Arbeit nicht, sie behaupten, sie würden sie im Übrigen verrichten, hierüber gab es scharfe Debatten in der Union, das heißt auf der letzten Beratung. Meiner Ansicht nach verrichten sie diese Arbeit nicht, einen Teil davon können sie auch gar nicht verrichten, hinsichtlich des anderen Teils verstehen sie vielleicht auch gar nicht, dass sie diesen verrichten müssten. In Brüssel und im Übrigen auch in Griechenland kommt eine sehr starke Aktivisten-, das heißt Menschenrechtsaktivistenattitüde zur Geltung, die die Einwanderung nicht aufhalten möchte, sondern diese vielmehr unterstützen will. Nun kann man aber die Grenze gegen die diese illegal Übertretenden gleichzeitig verteidigen und sie auch unterstützen, sondern man muss deutlich machen, dass wir nur jenen helfen können, die die Gesetze einhalten. Derzeit kommt in Griechenland nicht diese Denkweise zur Geltung. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Nachdem Griechenland Mitglied der Europäischen Union ist, ja viel mehr auch das südliche Tor der die freie Bewegung bedeutenden Schengen-Zone ist, und alle dort hereingekommen sind, deshalb muss bei der Abschiebung auch das Land die Abgeschobenen aufnehmen, das sie hat eintreten lassen. Dies ist die eine Frage, die werden wir dann mit den anderen Mitgliedstaaten der Union diskutieren. Es gibt eine andere, eine größere Gefahr als diese bedeutende Frage. Diese pflegt man im Allgemeinen als Quotenfrage zu bezeichnen, doch geht es jetzt schon um mehr, weil früher es darum ging, dass es eine bestimmte Zahl von Menschen, die illegal nach Europa gekommen waren, auf Grund einer Quote unter den Mitgliedstaaten verteilt werden. Wir sind dagegen, weil wir es erstens für unberechtigt halten, in zweiter Linien halten wir es für unvernünftig, und drittens halten wir es für unfair. Es ist keine korrekte Sache, jemanden in unser Land einzuladen, ihn hereinzulassen, und ihn danach unter anderen zu verteilen, dies würde ich nicht als ein faires Verfahren bezeichnen. Doch jetzt ist dieser Quotengedanke schon in eine noch größere Gefahr hinübergewachsen, weil jetzt sagen sie schon, dies wäre kein außergewöhnlicher Fall, sondern man würde ihn zu einem ständigen Mechanismus, einer ständigen Rechtsvorschrift umformen, deren Wesen darin besteht, dass die Ankommenden kontinuierlich auf Grund eines bestimmten Schlüssels automatisch unter den Mitliedstaaten der Europäischen Union verteilt werden. Nun, das werden wir mit Sicherheit nicht akzeptieren! Dies steht in einem schroffen Gegensatz zur Meinung der ungarischen Menschen und zu den Interessen der ungarischen Menschen. Hier wird also bis zum Ende des Jahres, soweit man dies auch bis dahin bescheidenerweise voraussehen kann, bis zum Jahresende werden diese beiden Themen – wie schützen wir Ungarn vor der Quote und dem System der permanenten Verteilung – die politische Öffentlichkeit beherrschen.
Nun gut, doch die eine Voraussetzung für permanente Mechanismen ist, dass Europa in grundlegenden Fragen klar sehen soll. Zum Beispiel in der, über die der Spiegel schon vor langer Zeit geschrieben hat, auch sie haben so wie alle Experten die Tausenddollarfrage gestellt, in Ordnung. Was wird mit der Verteilung, wenn der Migrant sagt, ich will weder nach Prag noch nach Budapest gehen?
Ja, dies ist eine wichtige Frage. Deshalb sage ich, dass sie auch unvernünftig ist. Jedoch ist nicht nur die Unvernünftigkeit das Problem, die Vernunft ist eine wichtige Sache, jedoch gibt es Fundamente, die noch wichtiger als sie sind, zum Beispiel die Frage, wer und auf welcher Grundlage ein souveränes Land dazu zwingt, auch solche Personen hereinzulassen, die es nicht hereinlassen möchte. Mit dem Status als Mitgliedstaat der Europäischen Union geht nicht einher, dass Ungarn gegen seinen Willen von jemandem anderen irgendwo gesagt bekommt, dass du, lieber Ungar, diese deinerseits unerwünschten, früher illegal nach Europa gekommenen Menschen in folgender Anzahl aufnehmen musst. Das ist Nonsens! Dies steht nicht nur im Gegensatz zur Vernunft, sondern stellt die Basis des sich auf die Nationen aufbauenden Europa in Frage. Und die wichtigste Lehre dieser gegenwärtigen Krise besteht darin, dass wir von Brüssel keine Lösung erwarten können. Zwar spricht ein jeder darüber, dass es irgendeine gemeinsame Lösung in Brüssel geben werde, doch darauf können wir nicht warten. Die Nationalstaaten müssen dieses Problem auf die Weise lösen, wie Ungarn dies seinerseits auch getan und seine Pflicht erfüllt hat.
Welche Schritte planen Sie, wenn – sollte es gültig werden – auch für Ungarn das Quotensystem verpflichtend ist?
Dies wird eine große Debatte werden, das ungarische Parlament diskutiert diese Frage gerade jetzt, die nationalen Parlamente haben eine Mitsprache in Europa, auch die Regierungen haben eine Mitsprache, und wir werden unseren Standpunkt vertreten, wir sind nicht allein mit dieser unserer Meinung. Schauen Sie es sich an, nicht nur die Völker Europas sind dabei, zu erwachen, sondern jetzt formulieren auch schon immer mehr Regierungen, dass die Grenze keine schlechte Sache ist, doch müsste die Grenze nicht offen sein, die Grenze müsste kontrolliert werden. Und es taucht auch eine andere Frage auf – so wie die Zeit vergeht erhält sie ein immer größeres Gewicht –: wer hat die Führer Europas oder einige seiner Führer dazu ermächtigt, solch eine Politik zu betreiben? Wann ist das geschehen und wer hat es getan? Dies ist ein demokratischer Kontinent, wann hat man und wer hat darüber abgestimmt, dass hierher illegal millionenfach Menschen von außerhalb unseres Gebiets hereingelassen und diese dann verteilt werden? Wo haben wir hierüber entschieden? Weder im Rahmen nationaler Parlamentswahlen ist solch eine Entscheidung gefällt worden, noch ging es bei den Wahlen zum Europäischen Parlament um solch eine Frage. Das was heute geschieht, entbehrt der demokratischen Grundlage. Mag sein, dass es liberal ist – wie das in Brüssel viele glauben –, doch ist es keinesfalls demokratisch. Man kann die Meinung der Menschen nicht negieren, sie außer Acht lassen, man muss sie zu einem gewissen Maße, natürlich ist es am besten, so stark wie möglich, man muss die Meinung der Menschen in die politische Entscheidungsfindung einbauen. Es gibt keine europäische Politik ohne den Respekt für die Meinung der zu den Mitgliedstaaten gehörenden Bürger. Heute geschieht aber dies, und hieraus können auch eine innere demokratische politische Spannung und eine Krise der Demokratie in Europa entstehen, was wir vermeiden sollten. Und es gibt noch eine Erscheinung, die man ansprechen muss, denn schließlich: worauf war unser Kontinent stolz? Selbstverständlich war er stolz auf seine wissenschaftlichen Entdeckungen, auf seine Hochkultur, stolz auf seinen Wohlstand, wenn auch im Weltmaßstab im Wettbewerb die von unserer Wirtschaft eingenommene Position schwächer wird, so sind wir immer noch der Kontinent in der Welt, auf dem es sich am besten leben lässt. Es gibt einiges, auf das wir stolz sein können, doch worauf wir am meisten stolz waren, war, dass man hier frei sprechen konnte, dass hier Gedanken-, Meinungsfreiheit und die Freiheit der freien Rede herrschte. Jetzt schauen Sie sich nur an, wohin wir gekommen sind. Das Wort „Zaun“ kann man nicht mehr aussprechen. Nicht weil der österreichische Bundeskanzler dieses Wort nicht kennt oder seine Lautbildungsorgane auf einmal gelähmt wären, sondern es hat sich in Europa ein Meinungsklima, ein Hauptstrom, ein solcher Druck herausgebildet, eine derartige Meinungsunterdrückung, dass demgegenüber die Politiker es gar nicht wagen, im Zeichen einer anderen Konzeption, eines anderen Gedankenganges das Wort zu ergreifen. Grenze, Zaun, Kontrolle, Nationalstaat – dies sind heute in Europa für die gewählten führenden Politiker gefährliche Ausdrücke. Nun, da sind wir angekommen …
Sprechen wir über den Widerspruch, auf den Sie bereits vorhin hingewiesen haben. Deutschland hat über lange Monate hinweg damit argumentiert, dass die Mitgliedstaaten nicht selber eine Lösung suchen müssen, sondern es würde eine große, gemeinsame, europäische Lösung geben, und jeder solle gefälligst das Dublin-Abkommen einhalten. Darauf hält nun am Mittwoch in Paris der Präsident der Europäischen Kommission eine Rede und sagt, das Dublin-System funktioniert nicht, und wenn es nicht funktioniert, dann kann man es auch nicht anwenden. Was für Regeln gibt es denn nun?
Es ist tatsächlich eine wichtige Eigenschaft Europas und des ganzen Gebäudes der Europäischen Union, dass es auf gründlich durchdachte und bis in Feinheiten ausgearbeitete juristische Lösungen basiert, und wenn die Union diese Grundlage der Legalität verlässt, dann kann sie innerhalb von Momenten in der Anarchie versinken. Jetzt beschreiten wir diesen Pfad oder wir stürzen entlang dieser Felsenmauer ab. Wir bewegen uns heute also von dem Zustand der geordnet, legal wirkenden Europäischen Union hin in Richtung auf anarchische Zustände. Dies geschieht, weil wir die Regeln nicht einhalten. Mehrere berufen sich darauf, dass man sie auch nicht einhalten könne – dies entspricht nicht der Wirklichkeit. Dies ist keine philosophische, sondern eine praktische Frage. Ungarn ist der Beweis dafür, dass man sie einhalten kann, weil man die Schengen-Regeln einhalten kann, man kann die Dublin-Regeln einhalten. Es kann sein, dass wir diese verändern wollen, dann kann man darüber sprechen, es gibt eine Verfahrensordnung dafür, um ein Regelsystem zu suspendieren, eine Diskussion über die Schaffung eines neuen zu beginnen, um temporäre Regeln einzuführen. Man kann vieles tun, doch eines sollte man nicht dürfen, das was jetzt geschieht, dass sich die Europäische Union selbst auf das Gebiet der Illegalität verirrt und unsere eigenen Führer die früher gemeinsam abgeschlossenen Vereinbarungen einseitig für ungültig erklären. Wer hat gesagt, dass sie nicht funktionieren? Wo haben wir dies ausdiskutiert? Wo findet sich hierin die Meinung der Mitgliedstaaten? Wie wollen wir einen Kompromiss schließen? Ich sage es also noch einmal: Wenn die politischen Führer den Zustand der Illegalität als natürlich akzeptieren, dann schaden sie ihrer eigenen Gemeinschaft beträchtlich, und wer heute solche Dinge sagt, der schadet meiner Meinung nach der Gemeinschaft der europäischen Völker.
Noch kurz etwas zur Migration: sprechen wir über die Türken und die Griechen! Die Rolle der Türkei haben Sie auch, nicht wahr, erwähnt, dass jeder diese für eine Schlüsselfrage hält. Einerseits wurden sie, nicht wahr, zu diesem Treffen in Brüssel nicht eingeladen, hinzu kommt noch, dass, so scheint es, die Türkei für ihre Kooperation doch einen ziemlich ernsthaften Preis von Europa verlangen wird, es scheint ein bisschen eine Schachmatt-Situation zu sein, und da ist Griechenland, und was niemand versteht, ist, aus welchem Grund keine Rüge seitens der Europäischen Union ausgesprochen wird. Sind sie nicht in der Lage die Regeln einzuhalten, wollen sie es nicht, können sie es nicht oder warum?
Heute bewegen meiner Ansicht nach zwei Dinge den Flüchtlingsstrom, diese Migrantenflut, diese Invasion. Das eine ist das Business, das Geschäft. Heute ist also der größte Auftrieb nicht der Krieg und nicht das Elend und die Unsicherheit, denn sie kommen gar nicht mehr aus einer Kriegsregion, aus der Kriegsregion sind die Menschen schon in Flüchtlingslager gegangen, wo sie heute in keiner unmittelbaren Lebensgefahr mehr sind. Es strömen also Menschen, die in keiner unmittelbaren Lebensgefahr sind, nach Europa hinein, und dies ist deshalb so, weil die Menschenschlepper ein Schleppernetz aufgebaut haben, das mehrere zehntausend Menschen beschäftigt. In Deutschland sind auch Schätzungen über die Größenordnung der Summe veröffentlicht worden, die im Laufe eines Jahres auf der ganzen Welt und auch gesondert in Europa bewegt wird, dies ist eine riesige Summe, und heute ist dies das Geschäft, so wie wir dies auch auf zahlreichen anderen Gebieten der Welt, das heißt auf anderen Gebieten des Lebens sehen, das Geschäft und das Geld bewegt diesen Strom. Die Menschen werden geradezu angeworben, damit sie kommen. Und die zweite Sache sind die Aktivisten. Es gibt also eine Denkweise in Amerika und in Europa, im Westen, sie verfügt über ein ausgebautes Netz von Aktivisten. György Soros – nur damit auch wir Ungarn erwähnt werden – steckt da mit drin, sein Name symbolisiert dies vielleicht am stärksten, jene, die alles unterstützen, was die Nationalstaaten schwächt, alles unterstützen, was die gewöhnliche europäische Lebensweise verändert, von den Fragen der Lebensweise bis hin zur Einwanderung. Diese Aktivisten, die den Einwanderern helfen, werden im Grunde unwillentlich Teil dieses internationalen Menschenschleppernetzwerkes. Diese beiden Dinge schieben die Menschenmassen hoch nach Europa, währenddessen in Brüssel Menschen sitzen, die vorerst ratlos sind, Papiere fabrizieren, und keine Entscheidungen fällen, und unter denen sich im Übrigen ebenfalls sehr viele Menschen befinden, die wie Aktivisten denken. Nicht aus dem Blickwinkel der nationalen Verantwortung, der Verantwortung gegenüber der eigenen Nation, der Verantwortung für die kulturelle Identität Europas betrachten sie diesen Prozess, sondern ganz anders: in einer abstrakten, Menschenrechtsdenkweise. Dies hat seine eigenen Theorien, diese sind niedergeschrieben und veröffentlicht worden. Worüber ich spreche, ist keine Wahnidee, sondern ein publizierter, von sehr ernsthaften, sehr hochgeschätzten europäischen linken Philosophen und Gesellschaftswissenschaftlern niedergeschriebener Gedanke, von dem ausgesehen das, was jetzt geschieht, diese Einwanderungsflut keine schlechte Sache, sondern eine gute Sache ist, die ihnen dabei hilft, das ein von ihnen erdachtes Europa entsteht. Wir verstehen dies nicht, denn es steht im Gegensatz zur Vernunft, wir denken ganz anders. Es ist schwer, einem ungarischen Menschen zu erklären, was jetzt geschieht, dass von außen, durch eine Invasion, gegen unseren Willen die kulturelle Identität unseres Kontinents und unserer Heimat verändert wird, was ist gut daran? Wir verstehen das nicht, aber es gibt Menschen, die davon leben, hierüber Theorien herzustellen, Bücher zu schreiben, Aktivisten auszubilden und diese dann in den verschiedenen Teilen der Welt zu stationieren und sie im Zeichen dieses Gedankens und dieses Geistes wirken zu lassen. Dies ist heute ein Bestandteil der modernen Welt.
Vermutlich verstehen wir es aus dem Grunde nicht, weil hierbei im Menschen der Gedanke entsteht, warum denn ein Land die Kraft einer stabilen Region zerbrechen wollen sollte? Doch Sie haben von amerikanischen Aktivisten gesprochen. Es gibt noch eine amerikanische Person, von der Ungarn eine kalte Dusche erhalten hat, die amerikanische Botschafterin.
Wonach Sie mich jetzt fragen, ist eine Frage anderer Natur, ich muss sie von der vorhergehenden Frage trennen. Die vorherige Frage ist nicht nur eine amerikanische Erscheinung, obwohl sie dort ihre starken Vertreter hat, dies ist auch eine europäische Erscheinung. Die letztere Sache, nach der Sie mich fragen, ist schon Realpolitik, dies ist bereits Kraftpolitik, dies ist schon die Welt der Interessen. Dies ist nicht mehr der Fragenkreis des Geistes, der Ideologie, des „was-halten-wir-für-eine-gute-Gesellschaft”, sondern ist nacktes nationales oder imperiales Interesse. In der Tat unterstützen die Vereinigten Staaten nicht jene Art der Einwanderungspolitik, die Ungarn vertritt, das heißt, dass man die Grenzen kontrollieren muss und die europäische kulturelle Identität, die – im Übrigen ist dies auf Grund historischer Ursachen und dies ist keine ideologische Frage, sondern Tatsache – eine christliche kulturelle Identität ist, denn aus dieser erwuchs, hierauf baute auf, hierein impfte sich die Aufklärung ein. Diese Auffassung unterstützen sie nicht. Amerika hat andere Vorstellungen über die Einwanderungspolitik, diese haben sie auch offen dargelegt – ich habe mir den UNO-Botschafter der Vereinigten Staaten in New York auf dem letzten Gipfel angehört, woraus sich eindeutig herausstellte –, dass es für sie nicht unsympathisch ist, ihren Interessen nicht entgegengesetzt ist, ja im Gegenteil … wenn in Europa auf einmal mehrere Millionen oder mehrere Zehnmillionen Einwanderer aus den von Krieg betroffenen Regionen ankommen.
Sprechen wir kurz über ungarische innenpolitische Angelegenheiten.
Verzeihen Sie, aber lassen Sie mich noch soviel hinzufügen, dass während dies natürlich ihren Interessen nicht entgegengesetzt ist, so wäre ich doch neugierig, dass wenn jemand ohne Visum in die Vereinigten Staaten gelangen wollte, ob dies dieser Person lebend gelingen würde? Wohl kaum. Oder ob wenn jemand in die südamerikanischen Länder hineingelangen wollte, ob dies gelänge? Wohl kaum. Oder in irgendein arabisches Land? Wohl kaum. In der Welt macht also Europa aus einer solchen Frage ein Gewissensproblem, aus der außer ihm niemand in der Welt ein Gewissensproblem macht, weil es für alle evident ist, dass Grenzen dazu existieren, damit die Sicherheit der innerhalb der Grenzen lebenden Menschen garantiert werden kann. Dieser Gedanke besitzt nur in Europa keinen Vorrang. In den Vereinigten Staaten steht dieser Gesichtspunkt vor allen anderen, sie bauen einen Zaun, bauen Mauern, es gibt den Schießbefehl. Wenn wir nur die Hälfte dessen machen würden, was die Amerikaner tun, die uns zugleich kritisieren, dann würden sie uns auf das Heftigste kritisieren, soviel über die Heuchelei der Welt.
Ich denke, das haben Sie jetzt für die amerikanische Botschafterin angedeutet.
Nein, ich habe Ihnen geantwortet.
Reden wir über innenpolitische Angelegenheiten. Wir kennen die neuesten Angaben des Zentralen Statistischen Amtes über die Beschäftigung und den Kleinhandel. Ungefähr zur gleichen Zeit fertigte übrigens auch die Zeitschrift Figyelő eine Liste an, sie fasste die Meinungen der größten multinationalen Unternehmen in Ungarn zusammen, und im Wesentlichen untermauerte sie die Angaben, von denen das Statistische Zentralamt berichtet hatte. Sie beschäftigen mehr Menschen, ihre Einnahmen liegen höher, doch sind sie im Gegensatz zum Kleinhandel, pessimistischer. Was ist Ihrer Meinung nach der Grund für diesen Widerspruch?
Wenn sich drei Menschen in Ungarn zusammensetzen, um etwas zu besprechen, dann werden sie vier verschiedene Meinungen vertreten; darin sehe ich eher eine historische Kontinuität. Die Fakten zählen, und über die Fakten wird nicht gestritten, es wird allgemein akzeptiert, dass sich alles in die Richtung entwickelt, in welche sie sich entwickeln sollen. Es wird allgemein anerkannt, dass die ungarischen Reformen funktionieren, es wird allgemein anerkannt, dass es der Regierung gelang, Mittel zu finden, mit denen sie die Anzahl der Menschen erhöhte, die von Arbeit leben. So ein Mittel ist der Aktionsplan zum Schutz der Arbeitsstellen, welchen beinahe eine Million Menschen in Ungarn in Anspruch nimmt, so ein Mittel ist die öffentliche Beschäftigung und so ein Mittel ist das Steuersystem, das die ungarischen Klein- und Mittelbetriebe dazu anspornen will, möglichst viele Menschen zu beschäftigen. Diese Mittel funktionieren. Wir haben auch Grund dazu, dies im Tone der Anerkennung zu sagen, mit gebührender Bescheidenheit, natürlich, denn seit der politischen Wende arbeiteten noch nie so viele Menschen in Ungarn, wie heute. Wir sind bereits weit über vier Millionen Beschäftigten, beinahe sind wir bei vier Millionen dreihunderttausend, und die Tendenz steigt. Ich würde die Hände aber nicht in den Schoß legen, sondern suche nach immer neuen Mitteln, dass wir in den kommenden Jahren mindestens einer weiteren halben Million Menschen einen Arbeitsplatz geben können. Sie erinnern sich sicher, dass wir in zehn Jahren eine Million Arbeitsplätze in Ungarn versprochen haben, wir gehen gegenwärtig in diese Richtung, ich suche die Art und Weise dessen, wie wir durch die Änderung des Steuersystems der Klein- und mittelständischen Betriebe, die Vereinfachung des Steuerverfahrens, im Rahmen einer Vereinbarung mit den Arbeitgebern, besonders mit den ungarischen Unternehmern durch die Verbesserung der Lohnsituation oder durch Impulse für den Wohnungsbau immer neue und neue Arbeitsstellen schaffen können. Darin liegt unsere Zukunft, in Ungarn hat sich die Denkweise verbreitet, dass aus dem Nichts keine Leistung entsteht, Leistung entsteht nur durch Arbeit. Ein jeder soll also etwas tun, damit man weiterkommen kann, die Regierung kann die Menschen nicht erlösen oder ihr Leben ordnen, aber sie kann Chancen, Möglichkeiten schaffen. Wenn jemand etwas leistet, dann kommt er weiter; diese Politik, diese Denkweise genießt heute in Ungarn Unterstützung.
Uns bleibt für das letzte Thema sehr wenig Zeit übrig. Letztes Jahr im Juli haben Sie auf der Delegiertenversammlung des Magosz (Landesverband der ungarischen landwirtschaftlichen Genossenschaften) in Gödöllő darüber gesprochen, dass man die Bodenbesitzstruktur in Ungarn in einem Verhältnis von 80 zu 20 Prozent zugunsten der Kleinwirtschaften ändern sollte. Nun, dies ist, bei dem Verkauf des staatlichen Agrarlandes das meist kritisierte, oder das zurzeit von der Opposition am öftesten kritisierte Thema. „Landverteilung unter den Amigos” – um nur einen Gedanken oder einen Satz daraus zu zitieren, was Sie wegen des Verkaufs des staatlichen Agrarlandes an Kritik bekommen.
Ja, es ist richtig dies nicht als Gedanken zu bezeichnen, weil diese Lügengespinste und Niederträchtigkeiten dessen nicht würdig sind, dass wir ihnen die Qualität eines Gedankens verleihen. Nein, es geht hier darum, dass die Gesetze in Ungarn eindeutig sind. Eine Person darf höchstens 300 Hektar Land besitzen, und weil wir jetzt das staatliche Agrarland in öffentlichen, transparenten Auktionen an Landwirte vermitteln werden, können von diesen Landwirten nur die einen Kauf tätigen, die auch selber Landwirte, Bauern sind, nicht mehr als 20 Km weit von dem zur Versteigerung angebotenen Grundstück wohnen, und nicht mehr als 300 Hektar Land besitzen. Mehr als 300 Hektar Land darf eine Privatperson in Ungarn nicht besitzen, dies legt das vom ungarischen Parlament mit einer Zweidrittelmehrheit verabschiedete Gesetz eindeutig fest, und dies ist eine der wichtigsten Regelungen der aktuellen Versteigerungen. Ich sehe langfristig keine andere Lösung im Interesse des ungarischen Agrarlandes, was ich als eine Frage der Souveränität betrachte, genauso wie die Frage der Einwanderung, weil wir dann in Sicherheit sind, wenn das Agrarland bei den Landwirten ist, man muss unter der Beachtung der Vorschriften der Europäischen Union – was eine beachtliche Leistung ist – verhindern, dass das ungarische Agrarland von Ausländern erworben wird. Wir sollten uns daran erinnern, dass wenn die Politik fortgeführt worden wäre, die die Sozialisten betrieben haben, dann wäre Transdanubien durch so genannte Taschenverträge bis zur Hälfte oder Gänze in den Händen von Ausländern. Es gibt Länder, in denen übrigens Ausländer über beträchtliches Land verfügen, wir wollen nicht, dass Ungarn zu so einem Land wird. Nicht, weil wir Probleme mit Ausländern hätten, sondern weil es ungarische Landwirte, ungarische Traditionen, ungarische Familien gibt, die etwas von der Landwirtschaft verstehen, die die Frage des Agrarlandes schon immer gut behandelten, die dazu fähig sind, dass sie von dem leben, was sie auf dem Agrarland erwirtschaften, und wir können Hunderttausenden von Menschen eine Existenz bieten, wenn wir die Möglichkeit haben, sie in den Besitz von Agrarland kommen zu lassen. Wir schützen also die ungarischen Interessen, wenn wir diese Agrarpolitik betreiben, meiner Meinung nach erweist sich dies im Ganzen auch auf nationalwirtschaftlicher Ebene Ungarn als dienlich.
Sie hörten Herrn Ministerpräsident Viktor Orbán
(Amt des Ministerpräsidenten)