Deutsche Übersetzung der wortwörtlichen Abschrift der Antwort von Ministerpräsidenten Viktor Orbán am 21. September 2015 im Parlament.

Ja, Herr Präsident, ich möchte die Möglichkeit nutzen, zur Diskussion beizutragen, da einige wichtige, konkrete Angelegenheiten angesprochen worden sind, die ich durch mein eigenes Wissen und durch meine Kenntnisse ergänzen möchte, damit die sich hierfür interessierende Öffentlichkeit bzw. die Beitrag leistenden Abgeordneten die Lage übersehen können.

Zuerst möchte ich meinem Abgeordnetenkollegen Tóbiás sagen, geehrter Herr Fraktionsvorsitzender, dass die internationalen Verträge über die Flüchtlinge, an denen auch wir beteiligt sind, deutlich besagen, dass der Flüchtling nicht selber das Land wählen kann, wohin er sich  flüchten möchte, deshalb ist der Ansatz, dass wir ihn durchlassen, und aufnehmen,  und hin- und herschickensollen, nicht interpretierbar.. Ich möchte deutlich machen, dass die Regeln des Flüchtlingswesens für Wirtschaftseinwanderer überhaupt nicht gelten. Das heißt, sie müssen von niemandem auf der ganzen Welt in Empfang genommen werden, es sei denn,  man will –hierzu zwingt kein internationales Recht –,Wirtschaftseinwanderer aufnehmen. Im Falle der tatsächlichen Flüchtlinge, die wirklich wegen Erniedrigung oder Lebensgefahr fliehen, bietet ihnen die Welt einen sicheren Ort, doch der Flüchtling kann nicht selber bestimmen, „ich will in Deutschland Flüchtling sein, ich will in Mazedonien Flüchtling sein oder in Ungarn“. Er hat keine Wahlmöglichkeit! Dies geschieht auf die Weise, meine sehr geehrten Damen und Herren, wie es auch 1956 geschah. Wer Flüchtling ist, der arbeitet mit den Behörden eines Landes zusammen, sagen wir, mit denen Österreichs, er geht in eine Flüchtlingsbetreuungsstelle, wo er die für seine Existenz notwendige Sicherheit und Verpflegung erhält, und dort darauf wartet, dass die internationalen Quoten verkündet werden, nach denen er weitergehen darf – im Jahre 1956 hat übrigens Nicaragua die höchste für Ungarn angeboten –, und danach werden einzeln die Asylanträge bearbeitet. Doch davon kann keine Rede sein, dass ich in die Welt losgehe und sage, mir ist Griechenland, ja mir ist nicht einmal die Türkei gut genug – sicherlich ist das Leben in einem Flüchtlingslager in der Türkei nicht gut, jedoch ist es sicher –, mir ist Griechenland nicht genehm, dann gehe ich nach Mazedonien, doch mir gefällt das auch nicht, dann gehe ich weiter nach Serbien, doch mir entspricht auch Serbien nicht, dann nach Ungarn. Ungarn? Das kommt auch nicht in Frage, ich will von hier weiter! Österreich? Nun, das verbitte ich mir! Aus Österreich sofort nach Deutschland. Sie geben nicht sofort Leistungen? Dann gehe ich nach Schweden! Nun, dies gibt’s nicht, dies hat nichts mit irgendwelchen internationalen Verträgen über Flüchtlinge zu tun, darum soll uns niemand berufen!

Hieran schließt jene Frage an, die unser Abgeordnetenkollege Schiffer aufgeworfen hat. Hier vermischen sich zwei verschiedene Wörter, und es lohnt sich, diese zu unterscheiden: die Lösung der Situation und der Umgang mit der SituationEs ist wichtig, diese Unterscheidung zu treffen, damit wir auch unser Denken sauber halten und bestimmen können, was wir übernehmen können und was nicht. Also Ungarn kann die Situation nicht lösen, ich meine, dass der Flüchtlingsstrom aufhört, bzw. dass jene Gründe überwunden werden, die den Flüchtlingsstrom generieren. Wir können an einer internationalen Aktion teilnehmen, die hierauf abzielt, doch wir können es allein nicht lösen. Worauf wir uns einlassen können, ist es, mit der Situation umzugehen, denn wenn wir sie nicht lösen können, so sind wir doch nicht bereit, mit einem Problem unter jedweden Bedingungen zusammenzuleben. Wir sind nicht bereit - während auch wir wissen, dass wir die Lage nicht lösen können -, zuzustimmen, dass unter Missachtung der geltenden ungarischen Gesetze Menschen ohne Registrierung, ohne Identifizierung, außerhalb der Möglichkeiten der ungarischen Behörden, sie zu erkennen, einfach so durch das Land ziehen oder hier bleiben, und machen, was sie wollen. Dies ist unmöglich! Das heißt also, wenn wir einen Zaun errichten und unser Strafgesetzbuch verschärfen, dann wollen wir das Problem nicht lösen, weil wir es nicht können, sondern wir legen eine bestimmte Art des Zusammenlebens mit einem globalen Problem fest. Wir werden auf diese Weise mit diesem Problem zusammenleben, solange es die internationale Gemeinschaft nicht löst. Also sind der Umgang und die Lösung zwei verschiedene Dinge. Die Lösung des Problems können wir nicht vollbringen, jedoch unternehmen wir es, dieses zu behandeln, wir müssen es halt unternehmen. Es ist unsere Verantwortung gegenüber den ungarischen Menschen,  eine den ungarischen Interessen entsprechende, akzeptable Form des Zusammenlebens mit diesem Problem zu finden. Ich unterstütze es nicht, ich stimme dem nicht zu, ich werde auch immer dagegen kämpfen, dass hier Parteiführer aufstehen, die vom ungarischen Volk gewählt worden sind, ihre Hände ausbreiten und sagen, nun, sehen Sie, hierfür gibt es keine ungarische Lösung; wenn die internationale Gemeinschaft das Problem löst, dann wird sich die Lage bessern. Damit kann man nicht zusammenleben. Wir müssen für den Umgang mit der Sache einen akzeptablen Lebensrahmen ausbilden. Das ist das, was jetzt geschieht, dies kann ein jeder mit Recht von uns erwarten, und diesem Maßstab werden wir auch entsprechen.

Dies führt uns zur Frage des Zauns. Warum unterstützt die ungarische Regierung den Zaun? Weil er funktioniert. Weil er funktioniert! Sehen Sie es sich an, die serbisch-ungarische Grenze ist 175 Kilometer lang, schauen Sie es sich an, Sie können die Zahlen sehen. Wir hatten früher gehofft, dass entsprechend den internationalen Erfahrungen die Zahl der illegal das Land Betretenden auf ein Sechstel, auf ein Siebtel zurückfallen würde. Dies war nicht der Fall, die Zahl der Illegalen ist in einem viel größeren Maße zurückgefallen. Also können wir über die serbisch-ungarische Grenze Ihnen sagen, dass der Zaun – über dessen Einzelheiten ich noch etwas sagen muss, der übrigens eine doppelte Schutzlinie ist, nicht einfache, sondern doppelte –, also reicht die doppelte Schutzlinie so, dass hinter ihm Polizisten Dienst haben und hinter ihnen militärische Manöver durchgeführt werden und wir über ein strenges Strafgesetzbuch verfügen, dies reicht auf diese Weise aus, um auf 175 Kilometern, nur unter dem Einsatz der Polizei, den illegalen Eintritt auf das Landesgebiet Ungarns zu verhindern. Nicht den Eintritt. Denn das Wort, die Wortzusammensetzung „Grenzsperre“ kommt öfters vor, nicht wahr,, doch sperren wir nicht die Grenze, sondern die grüne Grenze. Die Grenzen sind an den vorgesehenen Eintrittspunkten wie im Übrigen im Rahmen des normalen Lebens auch früher geöffnet, unter Beachtung der bestehenden internationalen und ungarischen Rechtsvorschriften sind der Eintritt und der Austritt möglich, doch haben wir die grüne Grenze tatsächlich abgesperrt und ein physisches Gebilde errichtet, das verteidigt werden kann. Ich möchte mich an dieser Stelle nicht mit operativen Fragen beschäftigen, doch kann ein jeder einsehen – oder wenn auch nicht jeder, so doch jeder, der Soldat war, der kann es mit Sicherheit –, wenn ich eine Linie in den Staub ziehe und diese dann verteidigen will, dann habe ich hierbei keine Chance, dort muss ein physisches Hindernis geschaffen werden, das man dann mit Kraft verteidigen kann, deshalb ist irgendeine physische Grenzsperre notwendig. Es ist nicht nur ein Kommunikationstrick, dass wir nicht von einem Zaun reden, sondern von der Grenzsperre, weil tatsächlich ein physisches Hindernis geschaffen werden muss, was ad absurdum auch ein Zaun sein kann, doch könnte es aber auch etwas anderes sein; wir sollten jetzt an dieser Stelle unsere Fantasie lieber im Zaum halten.

Jedoch führt dies zu der Frage, die unser Mitabgeordneter Schiffer aufgeworfen hat: wenn wir behaupten, der Zaun funktioniert, und im Falle Serbiens funktioniert er, was ist dann mit der kroatischen Angelegenheit. Mit der kroatischen Angelegenheit stehen wir folgendermaßen, meine sehr geehrten Damen und Herren, die beiden Grenzen zusammen, die serbische und die kroatische, können wir ohne das Militär nicht verteidigen. Das, was Sie uns als Bewegungsspielraum gegeben hatten, war nur, dass wir die Polizei einsetzen können. Sie haben uns nicht die Ermächtigung zum Einsatz des Militärs gegeben, deshalb können wir den serbischen Abschnitt verteidigen, und wir können auch den kroatischen Abschnitt verteidigen, jedoch brauchen wir dazu auch das Militär, damit sie gemeinsam mit der Polizei Streifendienst leisten kann. Wenn wir auch die Ermächtigung zum Einsatz des Militärs zusätzlich zu dem der Polizei erhalten, dann sind wir in der Lage, auch den kroatischen und den slowenischen Grenzabschnitt zu verteidigen, doch hierzu brauchen wir eine Zustimmung, doch diese haben Sie uns verweigert. Erlauben Sie mir daher zu sagen, dass jene, die uns verweigert haben, dass unsere Soldaten gemeinsam mit den Polizisten Streifendienst leisten, und jetzt sagen, wir seien nicht effektiv genug, Heuchler und Pharisäer sind. Dies ist kein korrekter politischer Standpunkt.

Unser Mitabgeordneter Schiffer hat hier vorhin einen sehr wichtigen Begriff verwendet – obwohl er unbillig und ungerecht, jedoch trotzdem immer noch wichtig ist; wie viele solche Ausdrücke wir haben! –, als er sagte, die ungarischen Behörden hätten jenen, die dazu berechtigt, darauf angewiesen waren die Versorgung verweigert. Ich möchte, dass das Hohe Haus auch in dieser Frage klar sieht. Ungarn gibt jedem sein Landesgebiet betretenden Menschen, selbst dem, der es legal betritt – und selbst dem, der es illegal betritt! –, in den Flüchtlingslagern bzw. laut dem neuen Strafgesetzbuch an den festgelegten Festhaltepunkten eine umfassende Versorgung: Man erhält eine medizinische Versorgung, bekommt Obdach über den Kopf, zu essen und zu trinken. Es ist aber nicht möglich, dass jemand sagt, ich bin nicht bereit, da hinzugehen, nicht einmal so, dass ich in ein Flüchtlingslager, zu einem Sammelpunkt transportiert werde, sondern ich setze mich hier nieder, und sage, ich möchte die Versorgung hier bekommen, ich möchte hier essen, ich möchte hier trinken. Dies ist unmöglich! Keinerlei internationaler Vertrag verpflichtet uns zu akzeptieren, dass die Grenze im Übrigen gesetzwidrig überquerende Menschen sich auf den Boden setzen und sagen: Wir fordern die Versorgung. Demgegenüber kann man von den ungarischen Behörden erwarten, und ich erwarte auch von ihnen, dass jeder Mensch, der zur Kooperation bereit ist, der zum Registrierungspunkt geht, sich registriert, medizinische Versorgung, Obdach, zum Essen und Trinken bekommt. Das wird er erhalten, hat es auch bisher erhalten, und Ungarn hat in dieser Hinsicht dank den zivilen Helfern weit über seinen Verpflichtungen geleistet, denn die ungarische Regierung erfüllt so viel, wie sie erfüllen muss, aber die zivilen Helfer, die ungarischen zivilen Helfer sind weit darüber hinaus gegangen. Sie sagten – ich weiß nicht, was sie gesagt haben, aber sie hätten auch sagen können –: Es ist verständlich, dass die ungarische Regierung eine Ordnung aufrechterhalten muss und sie deshalb nur dort Verpflegung gibt, wo sie diese laut dem internationalen Recht im Übrigen auch geben muss, wer aber darüber hinausgeht, weil er nicht zur Kooperation bereit ist – was im Kopf des Staates ein Gesichtspunkt sein kann, und ich bestehe darauf, dass wir diesen Gesichtspunkt einhalten, dies ist ein staatlicher, ein gesetzlicher Gesichtspunkt –, doch die zivilen Helfer haben gesagt, ihre Arbeit muss man nicht auf diese Weise beurteilen, dies ist nicht die Richtschnur ihres Handelns, und sie gaben auch jenen, die nicht bereit waren, zu kooperieren. Dies ist eine großartige Sache! Ich denke, dass die Solidarität Ungarns, der Anteil an Solidarität weit darüber hinausgeht, was das internationale Recht vorschreibt, und darüber, was man im Übrigen von Ungarn erwarten kann. Ich sage es nur ganz leise unter uns, dass wir den zivilen Organisationen eine bedeutende finanzielle Hilfe geben, damit sie diese Arbeit verrichten, was übrigens laut dem internationalen Recht gar nicht unsere Verpflichtung ist, doch wir tun es. Wir schließen mit ihnen Vereinbarungen, und sie verrichten diese Arbeit.

Es gibt hier noch drei andere wichtige Sachen. Die eine, die die Jobbik aufgeworfen hat, ist, was denn mit dem Zurückschicken los sei? Jetzt schlage ich vor, dass wir zuerst unsere Grenzen verteidigen, und dann kommt auch die Zeit dafür, wenn wir jene große Diskussion nicht werden vermeiden können, die mit dem Zurückschicken im Zusammenhang steht. Weil was ist der Stand heute? Die Lage ist die, dass diese illegalen Einwanderer das Gebiet der Union das erste Mal in Griechenland betreten haben; dann zum zweiten Mal in Ungarn. In Griechenland sind sie nicht registriert worden, in Ungarn schon. Deshalb kann es vorkommen, dass auf uns ein Druck lasten wird, dass nachdem sie hier das erste Mal registriert haben, auch hier wieder aufgenommen werden müssen, worauf wir sagen, das ist unmöglich, denn es ist ein alter, ein uralter Rechtsgrundsatz, dass sich niemand auf sein eigenes gesetzwidriges Verhalten berufen kann, wenn es um Verpflichtungen geht. Griechenland kann sich nicht darauf berufen, dass sie zwar bei ihm eingetreten sind, dort doch nicht registriert wurden, und deshalb nach Ungarn geschickt werden sollen. Dies ist unmöglich! Dies würde allem internationalen Recht, jedem Rechtsgrundsatz und jeder Tradition widersprechen. Man wird hierum kämpfen müssen, es wird eine große Diskussion geben, sie muss nicht jetzt geführt werden, denn jetzt liegt der Akzent auf der Verteidigung, jedoch wird es solche Debatten geben, in denen Ungarn diesen Standpunkt sehr deutlich wird vertreten müssen. Wir können in vielen Fällen beweisen, in der Mehrzahl der Fälle auch über die Grenzen des klaren Verstandes hinaus, außerhalb der Rahmen des klaren Verstandes, dass die hierher Kommenden aus Griechenland kommen mussten, wenn sie nicht auf ihren Flügeln geflogen sein sollten. Meine sehr geehrten Damen und Herren, dies ist die griechische Debatte.

Eine Winterpause wird es, ich möchte nicht, dass wir uns irgendwelchen Illusionen hingeben, nicht geben. In der Angelegenheit der Flüchtlinge, in der Angelegenheit der illegalen Einwanderung, in der Angelegenheit der globalen Krise wird es keine Winterpause geben. Wenn Sie sich jene auch öffentlich zugänglichen Graphiken, Statistiken, Tabellen anschauen, die die zeitliche Verteilung der illegalen Einwanderer zeigen, dann werden Sie ungefähr sehen, dass bis Anfang Oktober die Hälfte der gesamten Jahresmenge ankommt und von Oktober bis Ende Dezember die zweite Hälfte. Es wird hier also keine Pause geben, sondern einen zunehmenden Druck! Wir haben keinen Grund zu glauben, dass die Menschenschlepper ihre Routen dieses Jahr anders organisieren werden, als sie es in den vorhergehenden Jahren getan haben, und wenn jene Tendenzen gültig sind, dann müssen wir uns auf das Gegenteil vorbereiten: nicht auf die Pause, sondern auf den zunehmenden Zustrom, auf die Flut und auf die Menschenmassen.

Mehrere Stimmen sagen hier, der ungarische Zaunbau sei auch deshalb keine Lösung, weil dann ein jeder einen Zaun bauen müsste. Natürlich, dies ist die Lösung! Noch bescheidener formuliert: Wir haben ein Abkommen unterschrieben, dies nennen wir das Schengen-Abkommen. Mit gemeinsamem Willen und aus freien Stücken hat jeder es unterzeichnet. Darin steht, dass die Verteidigung der Grenze die Pflicht des Nationalstaates ist. Er hat keine Wahl, dies zu tun, wenn es ihm gefällt, wenn er dazu in der Lage ist oder wenn er Lust dazu hat, darin steht, dass es seine Pflicht ist, und dieser Vertrag legt auch fest, dass das Schengen-Gebiet, also das freie gemeinsame europäische Gebiet nur an den von dem jeweiligen Staat festgelegten geographischen Punkten und zur Geschäftszeit betreten werden darf. Davon kann also keine Rede sein, dass wir hineinströmen, nicht einmal an den Eintrittspunkten darf man Tag und Nacht verkehren. Dies hat seine Ordnung. Nun ist meine Meinung, dass wenn es ein Abkommen gibt, dann kann man mit ihm zwei Dinge tun: entweder halten es alle ein oder wir modifizieren es durch gemeinsamen Willen. Vorerst hat es niemand modifiziert. Ich sehe auch nicht den gemeinsamen Willen dahinter. Also ist dies eine Vereinbarung, die eingehalten werden muss. Wenn die Griechen sie einhalten würden, hätten wir kein Problem, wenn wir sie einhalten, haben die Österreicher kein Problem. Wenn die Kroaten sie einhalten würden, obwohl sie Schengen noch nicht unterzeichnet haben, doch wollen sie beitreten… Dies sollten wir an dieser Stelle für einen Moment in Klammern setzen, die Realität dessen, hierzu ist eine einstimmige Entscheidung notwendig, und danach, was hier passiert ist, werden wir im Parlament schwer die  für den Beitritt der Kroaten notwendige unterstützende Stimmen sammeln können, doch auch dies ist ein späteres Problem. Also auch sie möchten beitreten, sonach kann man mit Recht von ihnen erwarten, dass auch sie ihre eigenen Grenzen schützen.

Es scheint etwas absurd zu sein, doch wenn wir es bedenken, dann ist es auch gar nicht so absurd. Griechenland muss sich mit irgendeinem Mittel, wenn es nicht anders geht, dann eben mit einem Zaun verteidigen, Ungarn, Kroatien und Slowenien müssen sich verteidigen, und dann ist das südliche Grenzsystem der freien Schengen-Zone, das der Europäischen Union auf dem Festland geschützt. Jetzt verteidigt sich ein ansehnlicher Teil der politischen Führer in der Europäischen Union damit, womit wir uns hier in Ungarn nie verteidigen, nämlich dass dies eine so große Aufgabe ist, die man nicht lösen kann. Meine Meinung ist, dass wenn wir Argumentationen dieser Art hören, dann ist dies in Wirklichkeit das Eingeständnis der fehlenden Regierungskompetenz. Unserer Ansicht nach ist diese Aufgabe lösbar. Im Mittelpunkt der internationalen Diskussionen steht heute gerade, ob wir jene Meinung akzeptieren, die heute noch die Meinung der Mehrheit der europäischen Politiker ist – ich sage nicht die der Staatsbürger, aber die der Politiker –, dass wir hier einem Problem gegenüberstehen, gegen das man sich sowieso nicht verteidigen kann, das physisch nicht aufzuhalten ist, also ergeben wir uns ihm. Es gibt so eine Meinung. Und es gibt eine andere Meinung. Diese vertreten wir allein, die sagt, doch, es ist möglich, nur müssen wir unsere Kräfte sammeln, unsere juristischen Kräfte, unsere materiellen Kräfte, unsere humanen Ressourcen und unseren politischen Mut, und dann kann man die Grenze verteidigen. Und wenn jeder seine eigene Grenze verteidigt, dann ist Europa geschützt. Dies ist unser Standpunkt, und wir wollen diesen konsequent vertreten.

Und abschließend, als Vorletztes: die Einführung des Quotensystems. Selbstverständlich ist Ungarn gegen dieses System. Dies hat zwei Ursachen. Erstens muss man unserer Ansicht nach heute nicht darüber sprechen, sondern über die Verteidigung der Grenzen. Man soll nicht Quoten verschicken, sondern tausende von Soldaten, wenn es sein muss dann zehntausende in den Süden schicken, in jene Länder, wo der Grenzschutz notwendig ist und dieser vom Nationalstaat nicht durchgeführt werden kann. Hierfür gibt es heute noch keinen gesetzlichen Rahmen. Dies müsste man viel eher ausarbeiten, anstatt über die Quoten zu streiten. Doch müssen wir der folgenden Situation ins Auge schauen: Damit man das Quotensystem innerhalb des Gesetzgebungssystems der Europäischen Union aufhalten kann, denn dies ist jetzt ein Vorschlag, eine Gesetzesinitiative, dazu ist eine qualifizierte Mehrheit nötig. Diese existiert heute nicht. Selbst alle Visegrád-Staaten zusammen können nicht verhindern, dass die Europäische Union eine schlechte Entscheidung trifft. Dies kann passieren, das heißt, dass der Beschluss gefasst wird, die schlechte Entscheidung getroffen wird, selbst schon in dieser Woche, und dann wird dies eine Rechtsvorschrift sein. Und danach – wir sind ein Mitgliedssaat der Europäischen Union – wird dies für uns verpflichtend sein. Und dann wird das sehr geehrte Ungarische Parlament bzw. die Großkommission, die sich mit den die Europäische Union betreffenden Angelegenheiten beschäftigt, sich mit einer Frage auseinandersetzen müssen. Diese werde ich dort gerne einbringen, was wir tun sollen, wenn wir ein System für schlecht halten, bis zuletzt dagegen gekämpft haben, niedergestimmt worden sind, daraus eine Rechtsvorschrift geworden ist und wir sie verpflichtend einhalten müssen? Wie soll das ungarische Verhalten sein? Diese Frage werden wir dann diskutieren müssen. Ich bitte die Fraktionen darum, sich auch hierauf vorzubereiten.

Und schließlich eine letzte Frage und vielleicht die wichtigste von allen. Jetzt sprechen wir über Zaun, Polizei, Militär, wir reden über Ressourcen, Quoten und so weiter, doch ganz zutiefst in dieser Angelegenheit, soweit man mit dem menschlichen Auge überhaupt hinunterblicken kann, also sagen wir es so, bis zur Grundlage der Philosophie, muss man letztlich doch die Frage entscheiden, ob Europa sich nun verändern will oder will Europa sich nicht verändern? Das was jetzt mit Europa geschieht, ist dies eine gute oder eine schlechte Sache? Die Lage ist heute die, dass die Zahl derer, die in der Europäischen Union angekommen sind, bei weit über einer Million liegt. Ich nenne Ihnen die Zahlen auf Länder unterteilt – Irak, Syrien, Libyen, die Subsahara-Afrika-Region –, es ist offensichtlich, dass sich viele Millionen auf den Weg machen werden. Das wirkliche Problem besteht darin, dass es heute in Europa Stimmen gibt – ich weiß nicht, ob sie in der Mehrheit sind, doch dass sie unter den führenden Politikern, die solche Dinge sagen, in der Mehrheit sind, ist sicher, dies ist nicht identisch mit der europäischen Mehrheit –, die glauben, das, was jetzt geschieht, sei eine gute Sache, dies sei eine große Möglichkeit, damit sich ihre Heimat verändert. Ich nenne jetzt keine Namen, doch sagen große Führungspersönlichkeiten großer Länder, dass dies eine niemals wiederkehrende Chance sei, um sich zu verändern, und sie wollen das. Ich möchte hier klarstellen, dass es ihr Recht ist, das zu wollen. Ich denke also, dass ein jeder europäischer Nationalstaat das Recht besitzt, auf Grund seines eigenen Willens sich zu verändern. Auch jene Veränderung, auch das gehört zu ihren Rechten, wenn sie eine große moslemische Gemeinschaft aufnehmen möchten und sie jene Erfahrung nicht stört, dass wir sie bisher – dass die europäisch-christliche Kulturgemeinschaft sie – nicht integrieren konnten und deshalb in zahlreichen europäischen Ländern Parallelgesellschaften entstehen, mit einem abnehmenden christlichen und einem zunehmenden moslemischen Anteil. Es gibt Meinungen, nach denen dies gut ist. Es kann sein, dass dies auf der linken Seite keine Überraschung verursacht, hier bei uns verursacht dies eine Überraschung. Es gibt Stimmen, nach denen dies gut ist, es gibt Personen, nach denen dies wünschenswert und eine Möglichkeit ist.

Wir aber, die in diesem Augenblick die Interessen Ungarns auf Grund der Ermächtigung des Volkes vertreten, denken, ganz gleich, ob dies gut oder schlecht ist, wir wollen es nicht. Und die Frage ist letztlich, ob Ungarn das Recht hat, zu sagen, wir wollen nicht in diesem Tempo, nicht so schnell, nicht entlang einer solchen Logik das kulturelle Muster wechseln. Dürfen wir nicht, haben wir Recht dazu? Die Frage ist es nicht, ob wir Recht haben – das werden wir dann diskutieren –, denn es gibt Stimmen, die sagen, dies sei kein korrekter Standpunkt – ich denke, dies kommt von Links –, und wir werden von der nationalen und christlichen Seite sagen, dass dies kein guter Standpunkt ist. Unserer Ansicht nach ist es gut, wenn Ungarn sein kulturelles Muster behält, die Frage ist aber nicht, was das Gute und was das Schlechte ist, sondern ob Ungarn das Recht besitzt zu wollen, diese Frage selbst zu entscheiden. Und dies führt uns schließlich an den Punkt, ob irgendein europäischer Nationalstaat – unter ihnen Ungarn – das Recht besitzt, zu entscheiden, wen er in seine Heimat hereinlässt, mit wem er zusammenzuleben wünscht und mit wem nicht. Und der ungarische Standpunkt ist deshalb so fest, wenn ich ihn so bezeichnen darf – ich würde ihn nicht als breitnackigen, jedoch als festen Standpunkt bezeichnen –, weil er in dieser Frage sehr klar formuliert: Wir halten einen schnellen, erzwungenen Wechsel der kulturellen Muster mit den bekannten europäischen Erfahrungen hinter unserem Rücken für das ungarische Volk für keine gute Sache. Dies zu akzeptieren, hat uns niemand legitimiert, das ungarische Volk hat uns keine Legitimation dafür gegeben, dass wir solche Veränderungen in Ungarn generieren oder tolerieren sollen. Wir sind damit beauftragt worden, was in der ungarischen Verfassung und in den ungarischen Rechtsvorschriften steht. Und dies gibt uns das Recht, unter dem Vorwand der Einwanderung oder der globalen Flüchtlingskrise darauf zu bestehen, dass wir eine europäische Politik nicht akzeptieren, die uns – ausgesprochen oder unausgesprochen – dazu zwingen will, uns zu ändern , und so zu sein , wie sie sind. Wir möchten selber entscheiden, wie wir sind und wem wir ähnlich sein wollen. Dies ist unsere souveräne, nationale Entscheidung, und ich bitte das Hohe Haus darum, dass wir hierin nicht weichen. Dies ist eine ungarische nationale Pflicht, dies ist eine verfassungsmäßige Pflicht, dies können nur wir Ungarn entscheiden, dies kann man nicht im UNO-Hauptgebäude in New York festlegen, ja dies kann nicht einmal in den Brüsseler Zentren entschieden werden, dies kann nur die Entscheidung des ungarischen Volkes sein. Ich bitte Sie darum, dass wir an diesem Standpunkt festhalten.

Vielen Dank!

(Amt des Ministerpräsidenten)