Budapest, 7. Dezember 2018
Katalin Nagy: – Sowohl die ungarischen als auch die ausländischen Analysten wurden durch die Angabe überrascht, nach der im dritten Quartal das Bruttoinlandsprodukt, also das GDP um 5,2 Prozent gewachsen ist. In dieser Woche hat der Vorsitzende des Bankenverbandes, Mihály Patai, in einem Interview dahingehend formuliert, dass die ungarische Wirtschaft seit Trianon noch niemals in einem so guten Zustand gewesen war. Im Studio begrüße ich Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Welche Aufgabe stellt diese gute Nachricht für die Regierung dar, denn man müsste ja dies, die Nachhaltigkeit der Entwicklung, der Erweiterung der Wirtschaft auch im Weiteren sichern können.
– Tatsächlich lohnt es sich, über diese Zahlen überrascht zu sein, auch wenn ich es schon erwartet habe, dass das Land auch zu einer über dieses Wachstum von 4 Prozent hinausgehenden Leistung in der Lage sein wird, doch wir schrieben das Jahr 2018, seit 2010 sind erst acht Jahre vergangen. Wenn man also zurückschaut und sich das Ungarn von 2010 in Erinnerung ruft, das Maß von dessen Wirtschaftswachstum beziehungsweise wirtschaftlichem Niedergang, die damalige Arbeitslosigkeit, die Verschuldung, dann ersteht vor unseren Augen das Bild eines geschwächten und ausgelieferten, ausgebluteten Landes, und es sind insgesamt nur acht Jahre vergangen, und dies hat sich geändert, die ungarische Nationalwirtschaft ist eine starke, zum Wachstum fähige, den Menschen Arbeit gebende, stoßfeste Wirtschaft geworden. Der Schlüssel dafür ist, dass wir eine andere Art von Wirtschaftssystem verkündet haben, wir also nicht am alten herumgeflickt haben. Mein Eindruck war, dies habe in den zwanzig Jahren zuvor nirgendwohin geführt, weshalb wir lieber versucht haben, ein neues Wirtschaftsmodell zu verkünden. Dieses nennen wir das ungarische Modell. Ich erinnere mich, was für Diskussionen es bei dessen Verkündung sowohl unter den Wirtschaftsexperten als auch unter den Politikern geführt worden sind, und ich glaube, auch die Menschen selbst haben viel darüber debattiert, ob dies irgendwohin führen wird, doch dann haben sich schließlich auch die Menschen auf die Seite dieser Wirtschaftspolitik gestellt. Dies ist im Übrigen das Entscheidende, denn es ist leicht, gute Wirtschaftstheorien auszuarbeiten, doch die Menschen dazu zu bewegen, daran zu glauben und diese gemeinsam zu verwirklichen, ist die wirklich schwierige, um nicht zu sagen knifflige Aufgabe für die Politiker. Doch 2010 gelang dies irgendwie. Sicherlich hat der Sturz der sozialistischen Regierung, das Gespenst des wirtschaftlichen Zusammenbruchs, die Verschuldung in Fremdwährungen, die über 10 Prozent liegende Arbeitslosigkeit, also all das hat dazu beigetragen, auch die der schwierigen Situation entspringende Verzweiflung hat dazu zum Teil beigetragen, dass die damalige Regierung eine Mehrheit von zwei Dritteln erhielt, was ebenfalls zur Einleitung eines neuen Wirtschaftsmodells notwendig war, und zum anderen Teil, dass die Menschen – vielleicht auch in Ermangelung eines besseren Angebots, jedoch – daran glauben sollten, dass hieraus noch etwas werden würde. Und sie begannen zu arbeiten, und wir sind hierher gelangt, wir können heute also ein bemerkenswertes wirtschaftliches Ergebnis festhalten. Dahinter steckt Arbeit, sehr viel Arbeit. Die Frage wäre eigentlich ein Gespräch für sich, worauf man eine Wirtschaftspolitik aufbauen kann, wenn man darüber nachdenkt, ob man eine Wirtschaftspolitik plant oder vollstreckt. Ich bin der Ansicht, dass die kulturellen Gegebenheiten von bestimmender Bedeutung sind, also dieselbe Wirtschaftspolitik kann gleichzeitig nicht für sagen wir einen Chinesen und einen Ungarn, ja nicht einmal für einen Deutschen und einen Ungarn geeignet sein. Jedes Volk besitzt derartige kulturell und historisch bestimmende Eigenschaften, auf die man eine Wirtschaftspolitik aufbauen kann, und gegen bestimmte Wirtschaftspolitiken gibt es einen Widerstand unter den Völkern. Ich bin der Ansicht, ich kenne die Ungarn und die ungarischen Menschen als talentiert. Dies wird im Übrigen in der Welt kaum irgendwo in Abrede gestellt, doch die Ungarn zeigen das Talent nicht nur durch die die Aufmerksamkeit der Welt auf sich ziehende hohen intellektuelle und geistige Natur. Die Ungarn sind überall talentiert, also auch an den einfachen physischen Arbeitsplätzen. Wenn ich mit Investoren zu sprechen pflege, gibt es Fabriken, in denen die Arbeiter regelmäßig in der Hinsicht eigene Initiativen starten können, was man ihrer Ansicht nach an der Arbeit verbessern könnte, und die ausländischen Investoren sind immer wieder überrascht, dass die ungarischen Arbeiter, also nicht die Ingenieure und nicht die Wirtschaftsphilosophen, sondern die Arbeiter bezüglich des jeweiligen Gebietes Anregungen einreichen, die es sich anzunehmen lohnt. Zunächst können wir, so dachte ich mir, auf das Talent aufbauen, und andererseits habe ich gelernt – ich bin an einem Ort aufgewachsen, an dem die Menschen gerne gearbeitet haben, und wenn es Sinn hatte zu arbeiten, dann waren sie auch fleißig. Im ungarischen Menschen steckt also die Haltung, auf Grund der er – wenn die Arbeit einen Sinn hat – sich selbst und seine Familie gerne durch Arbeit aufrechterhalten möchte. Also auf diese beiden Sachen, auf das Talent und den Fleiß haben wir eine Wirtschaftspolitik aufgebaut, und dies hat ein Wachstum von über 5 Prozent gebracht. Auf die Frage, was wir tun müssen, kann ich Ihnen zunächst antworten: Wir sollten auch weiterhin daran glauben, dass diese beiden Dinge, das Talent und der Fleiß, das Wirtschaftswachstum aufrechterhalten werden. Andererseits dürfen unsere führenden Politiker – mich selbst inbegriffen – nicht bequem werden, sie dürfen sich nicht zurücklehnen und glauben, jetzt seien schon selbst die Bohnen aus Fleisch – wie man das bei uns auf dem Fußballplatz zu sagen pflegt –, sondern wir müssen uns dessen bewusst sein, dass im Interesse der nächsten Erfolge immer weitere Anstrengungen unternommen werden müssen. Auch aus diesem Grunde benutze ich nicht gerne jene Ausdrücke wie „bereits gelungen“, „zufrieden“, „beendet“, dies ist also niemals zu Ende, sondern man muss eine immer bessere Leistung bringen, wir können erfolgreicher sein, ein jeder kann einen Schritt nach vorne machen. Im Allgemeinen spreche ich gerne so über die Wirtschaft, dass die Menschen spüren können, dies ist kein garantierter Erfolg, das ist keine abgeschlossene Arbeit, über die wir sprechen, sondern es ist die natürliche Ordnung der Dinge des Lebens, dass wir immer wieder und wieder die Leistung bringen, und auf diese Weise unsere Lebensumstände erhalten, ja verbessern werden.
– Die Wettbewerbsfähigkeit kann man verbessern, und das ist auch umso lohnenswerter, denn diese Daten zeigen ja, wie schön diese Zahl an sich ist, 5 Prozent, denn wenn wir dabei beachten, dass sie innerhalb der Europäischen Union im Vergleich zum Durchschnitt das Doppelte beträgt, dann gibt es auch etwas, worauf wir stolz sein können.
– Sie berühren jetzt eine sehr schwierige Frage. Im ungarischen öffentlichen Denken gibt es ein Schema, das unsere eigene Leistung auf die Weise misst, indem es sie mit anderen, mit denen der anderen vergleicht. Das ist nicht unbegründet, es ist immer besser, wenn man über einen breiteren Ausblick auf die Welt verfügt, als wenn man sich in seine eigene Welt einschließt, der Vergleich hat also einen Sinn, doch habe ich nie danach gesucht, auf welche Weise wir zu anderen aufschließen könnten. Mich interessieren die anderen, ich sage das ganz ehrlich, nicht sehr. Sie haben ihr eigenes Leben, ihr Leben besitzt seine eigene Logik, sie wissen, wie sie glücklich sein können, wie sie das Gefühl haben können, ein ganzes Leben leben zu können, und auch die Ungarn haben ihre eigene Vorstellung vom Leben. Wir denken anders, jedes Volk denkt anders hierüber, es lohnt sich nicht, darüber Messungen anzustellen. Ich möchte, dass die Ungarn sich sui generis, wie man so sagt, also eigengesetzlich, entlang der eigenen Logik sich erfolgreich fühlen, das Gefühl haben sollen, das, was sie tun, habe einen Sinn, und nicht im Vergleich mit anderen. Natürlich stimmt es, wenn wir hinter den anderen zurückbleiben, dann werden wir immer schlechter leben, denn in der Welt herrscht Wettbewerb, und jene Nationalwirtschaft, die nicht wettbewerbsfähig ist, kann ihren Bürgern kein entsprechendes Lebensniveau garantieren. Insofern lohnt es sich, das Ausland zu beachten, doch lohnt es sich niemals, die Qualität und die Ziele unseres eigenen Lebens auf Grundlage dessen zu bestimmen, was die Ausländer vom Leben erwarten oder auf Grund ihres Entwicklungsgrades. Man ist dann glücklich, wenn man das eigene Leben entsprechend der eigenen Logik als glücklich empfindet. Jetzt lenkt die Frage der Wettbewerbsfähigkeit die Aufmerksamkeit darauf, dass es noch sehr viel zu tun gibt, wir haben also in der ungarischen Wirtschaft viele und gute Ergebnisse erreicht, sind weit vorangekommen, beinahe jedes Jahr haben wir einen Schritt nach vorn gemacht, doch gibt es noch ausreichend Dinge, die man verbessern könnte. Ich möchte also noch auf dem Gebiet der beruflichen Fachausbildung einen qualitativen Fortschritt sehen, ich wünsche mir eine Verbesserung der Fähigkeiten der Betriebsführung bei den kleinen und mittleren Unternehmern. Die Wettbewerbsfähigkeit und die Leistung der großen ungarischen und der großen internationalen Firmen bezogen auf einen Arbeiter ist viel größer als die der ungarischen Klein- und mittleren Unternehmen. Wir möchten also den Ungarn eine Hilfestellung geben, damit sie ihre eigenen Unternehmen besser betreiben können, und wir möchten erreichen, dass sie den Arbeitern mehr bezahlen. Wir möchten auch einen Anstieg der Löhne in Ungarn, doch kann man die Löhne nur dann erhöhen, wenn sich auch die Wettbewerbsfähigkeit verbessert. Wenn die Löhne ohne eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit steigen, dann wird es früher oder später Arbeitslosigkeit geben, das ist ein komplizierter Zusammenhang, den ich, wenn Sie erlauben, jetzt nicht ausführe, doch ist das Wesentliche, dass die Voraussetzung für die Lohnerhöhung darin besteht, dass die jeweilige Firma und das jeweilige Unternehmen, wo man arbeitet, kontinuierlich bessere Leistungen erbringt.
– Sie sprachen von den Lohnerhöhungen. Jetzt war die letzte Ankündigung von Herrn Minister Kásler, dass im Laufe von vier Jahren die Gehälter der im Gesundheitswesen öffentlich Bediensteten, der Health Visitors um 72 Prozent steigen werden. Das bedeutet eine gewaltig große Summe. Gibt es hierfür im Budget eine Quelle? Wie sehen Sie das: Kann dies die Abwanderung aus dem Gesundheitsbereich verhindern?
– Als ich die Experten für das Gesundheitswesen gefragt habe, nicht nur den Herrn Minister, sondern auch andere, in welcher Reihenfolge und für welche Zwecke und in welcher Reihenfolge dieser Zwecke es sich lohnt, die Ressourcen umzugruppieren oder zu nutzen, hat ein jeder an erster Stelle die Verbesserung der Situation der Krankenschwestern genannt. Sie haben den Eindruck, dies sei vielleicht der kritischste Punkt des ungarischen Gesundheitswesens. Ich habe mir – ehrlich gesagt – den Kopf gekratzt, als der Herr Minister seinen Vorschlag gemacht hat, und wir haben über lange Stunden hinweg mit Mihály Varga daran gearbeitet und überblickt, ob wir in der Lage sind, diesen Vorschlag zu erfüllen. Wir haben schließlich ein auf vier Jahre verteiltes Lohnerhöhungsprogramm verkündet. Ich halte es selbstverständlich so, dass wenn man etwas sagt, vor allem wenn man Ministerpräsident ist, dann hält man danach sein Wort, also wenn wir diese Verpflichtung schon eingegangen sind, dann muss man sie auch einhalten, doch ist das nicht in dem Sinne garantiert, da wir nicht wissen, welche Leistungen die ungarische Wirtschaft im kommenden, in dem danach kommenden und im vierten Jahr erbringen wird. Wir haben eine Meinung oder eine Hoffnung darüber, wir verfügen über eine Kalkulation, doch haben sich die kommenden vier Jahre noch nicht ereignet. Die Lage ist also die, dass wir auf Grund nüchterner Abwägung den Schwestern, den im Gesundheitswesen Arbeitenden sagen können: Wir werden im Laufe von vier Jahren eine 70% übertreffende Lohnerhöhung durchführen können, wir haben den genauen Zeitpunkt und die Summe der Lohnerhöhung mitgeteilt, wir haben versucht, berechenbare Verhältnisse zu schaffen, und ich bin davon überzeugt, Mihály Varga wird die hierzu notwendigen Quellen schaffen können, ohne das finanzielle Gleichgewicht des Haushalts zu gefährden.
– Die Nationale Konsultation über die Familie scheint dem Zeitplan nach sehr gut voranzugehen. Die Zahl der zurückgeschickten Fragebogen liegt bereits über 700 tausend, dabei sind es noch zwei Wochen bis zum Ende der Rücksendefrist. Wie sehen Sie das, halten die Menschen diese Konsultationen tatsächlich für wichtig? Dies ist ja jetzt schon das siebte Mal, doch kann dies den Trend umkehren, können wir die Geburtenrate von 2,1 Prozent erreichen, jetzt liegen wir bei etwa 1,5.
– Sprechen wir zuerst über die Konsultation. Das ist eine Methode, die früher nicht existierte. Auch ich war der Ansicht, wir sollten es versuchen, doch hat niemand vorausgesehen, wie dies funktionieren würde. Denn, woran waren die Ungarn bis 2010 gewöhnt? Alle vier Jahre haben sie ihre Meinung mitgeteilt, gut, es gibt auch Kommunalwahlen, dann sagen wir zwei Mal in vier Jahren, und dann haben sie abgewartet, was die Regierung macht, und dann haben sie bei den nächsten Wahlen entweder „husch-husch“ zu ihr gesagt oder „ihr könnt bleiben“. Ungefähr so könnte ich den Rhythmus der ungarischen Politik resümieren. Ich hatte gedacht, natürlich sei es sehr schwer, die Meinung eines jeden Menschen in jeweils der einen oder der anderen Problematik zu erfragen, doch gibt es derart wichtige Angelegenheiten, dass es sich lohnen würde, – wie ich sie nenne – Übereinstimmungspunkte zu schaffen. Also, wir leben in einer freien Welt; so viele Menschen es gibt, so viele Meinungen existieren auch, hinzukommt, dass der Ungar eine kluge Art besitzt, er hat über alles und jeden mindestens zwei Meinungen, also alles ist sehr gefächert, das ist in einer freien Welt auch normal, dass voneinander derart weit liegende Meinungen in großer Zahl vorhanden sind, das ungarische öffentliche Leben wimmelt also wie in einem Ameisenhaufen, aber ich dachte mir, es gibt einige Punkte, in denen es gut wäre, wenn Übereinstimmung vorliegen würde. Wenn wir in diesen vier-fünf Punkten übereinkommen können, dann werden alle anderen Meinungen, also die breite Skala der Meinungsunterschiede das Land nicht auseinanderziehen, sondern wenn es einige Fixpunkte gibt, dann wird es viel bunter und interessanter sein, und wir können trotzdem einheitlich bleiben. So eine Frage ist auch eben die der Arbeit, auch darüber gab es eine Konsultation; die Rente, auch über sie gab es eine Konsultation; einige grundlegende Fragen der Verfassung, auch über sie gab es eine Konsultation; die Migration, auch darüber gab es eine Konsultation, und derart sind auch die wirtschaftlichen Fragen; auch über diese gab es eine Konsultation, und solcher Art ist auch die Frage der Familienpolitik. Wenn es gelingt, diese wenigen Punkte zu fixieren, und wir die Regierung nicht nur alle vier Jahre durch Wahlen bestätigen, sondern sie vor ihren wichtigeren Entscheidungen in irgendeiner Form auch die Meinung der Menschen einsammelt, dann können Übereinstimmungspunkte entstehen, diese werden fix sein, und dann wird es gleichzeitig politische und wirtschaftliche Stabilität geben, und dann wird die Vielfarbigkeit das Land nicht auseinanderziehen, sondern unter Beibehaltung der Stabilität bereichern. Dies war mein Gedanke, und hierzu haben wir, als Form, die Nationale Konsultation ersonnen. Das hat sich im Grunde bewährt. Ich freue mich darüber, dass es in Ungarn zu hunderttausenden Menschen gibt, die bereit sind, am Küchentisch solche Fragebogen vor sich hinzulegen, die die Regierung mit ihrer Aufmerksamkeit beehren, sie lesen, ausfüllen und zurückschicken. Dies zeigt, dass den Menschen über ihr eigenes, im engeren Sinne genommenes Leben das breitere System der Zusammenhänge ihres eigenen Lebens, das Schicksal des Landes, der Nation, der Heimat auch wichtig ist, und sie bereit sind, ihre Meinung mitzuteilen. Dies unterstützt unsere Arbeit. Es gab eine Initiative, ich verschwende jetzt vielleicht hierauf keine weitere Zeit, die ich gerne gesehen hätte, deren Einführung in Ungarn ich als logisch betrachtet hatte, die aber im Rahmen solch einer Konsultation nicht die notwendige Unterstützung erhielt. Und es gab Angelegenheiten, über die ich wusste, um sie würde es große politische Kämpfe geben, denn die Opposition würde sie nicht unterstützen, und ich diese Entscheidungen nur dann würde durchbringen können, wenn ich mich darauf würde beziehen können, dass in diesen Angelegenheiten die Mehrheit der ihre Meinung artikulierenden Ungarn auf unserer Seite steht. Die Nationale Konsultation ist also sehr wohl eine nützliche Sache. Und in den ausländischen Schlachten besonders, denn die Nationale Konsultation über die Migration, die die höchste Beteiligung aufwies, zeigt sehr gut, dass der Lebensinstinkt der Menschen in Ungarn gut funktioniert. Hierbei haben die meisten ihre Meinung zurückgeschickt, sie spürten, hierin muss Ungarn einheitlich sein, es muss mit großer Kraft sich gegen die äußeren Angriffe erheben, die von Brüssel aus im Zusammenhang mit der Migration geführt wurden, und sie teilten ihre Meinung mit. Also in der Auseinandersetzung mit dem Ausland, die in einem demokratischen Raum verläuft, denn Europa ist ein demokratischer Kontinent, zählt es sehr stark, was die Ungarn sagen. Das Wahlergebnis zählt am meisten, doch danach zählen gleich jene Meinungsäußerungen wie es zum Beispiel die Konsultation ist. Dies verstärkt das Gewicht der Worte, der Argumente der ungarischen Regierung in den internationalen Schlachten wesentlich, es hilft auch mir viel. Jetzt geht es in der Konsultation um die Familien. Auf die Frage, die Sie mir gestellt haben, kann ich jetzt selbstverständlich keine Antwort geben, also ob es uns in den folgenden Jahren mit Hilfe dieser Maßnahmen gelingen wird, den Bevölkerungsschwund aufzuhalten und in eine Bevölkerungszunahme umzuwenden, doch hierfür kann es ja auch keinerlei Garantie geben. Das muss man machen, man muss arbeiten, neue und immer weitere Hilfen den Jugendlichen geben, damit sie Kinder haben möchten, damit sie nicht das Gefühl haben, durch ein Kind würde die Qualität ihres Lebens abnehmen, sondern diese würde sich bessern. Dass Kinder nicht nur für sie wichtig sind, sondern auch für die Gemeinschaft, dies sollte die Regierung zum Teil durch Respekt, durch Anerkennung und zum anderen Teil durch Materielles zum Ausdruck bringen. Dies geschieht, in den vergangenen acht Jahren sind unsere auf die Unterstützung der Familien verwendeten gemeinsamen Ausgaben, also die aus dem Haushalt gezahlten Summen, ungefähr auf das Doppelte gestiegen, was in ganz Europa ein gutes Ergebnis darstellt. Ich bin also der Ansicht, wenn wir den jungen Menschen helfen, wenn wir es deutlich machen, dass mit der Erziehung von Kindern ihr Leben nicht eingeengter, sondern erweiterter sein wird, sie dadurch nicht ärmer, sondern reicher werden, dann werden sie den Weg jener Lebensform einschlagen, in der auch wir aufgewachsen sind und in der wir auch in diesem Moment leben, das heißt dass wir in Familien mit Kindern leben, Familienväter sind, wie auch ich, und sie werden es uns glauben, dass man im Laufe seines Lebens kaum eine schönere Lebensform für sich wird finden können. Zweifellos ist es mit Konflikten verbunden, zweifellos muss man bestehen, zweifellos ist es auch mit Materiellem verbunden, aber wenn man spüren kann, dass auch die Gemeinschaft, das heißt über die Regierung auch der Haushalt auf ihrer Seite steht, in der Schaffung eines Zuhauses, in den Löhnen, dem Steuersystem, dem Kindergeld, den Krippen eine Hilfe leistet, dann lohnt es sich, darauf einzugehen.
– Sie haben dahingehend formuliert, Europa sei ein demokratischer Raum. Wenn aber Europa ein demokratischer Raum ist, wie sollen wir es deuten, dass über das Migrantenvisum bereits das zweite Mal in der LIBE-Kommission abgestimmt worden ist, und dann werden sie diese Frage sowieso erneut vor das Parlament bringen, beziehungsweise inwieweit ist es demokratisch, dass Guy Verhofstadt sein Riesenplakat, auf dem Sie zu sehen waren, durch Brüssel transportieren durfte, der Kleinbus der ungarischen Regierung aber von der belgischen Polizei angehalten wurde und sie das Plakat entfernen ließ, auf dem Guy Verhofstadt zu sehen war.
– Schauen Sie, keine Demokratie ist vollkommen. Vielleicht können wir mit dieser großzügigen Bemerkung das kommentieren, was in Brüssel geschieht. Sicherlich ist auch die ungarische Demokratie nicht vollkommen, doch die Brüsseler sind davon noch weiter entfernt. Ich muss sagen, der Umstand, dass man in einer Angelegenheit wieder und immer wieder abstimmen muss, bis das richtige Ergebnis – das nach Meinung der Bürokraten richtige Ergebnis – zustande kommt, ist ziemlich witzig. Aber ich sage auch an dieser Stelle, das Problem besteht auf Seiten der Abgeordneten, denn warum lassen sie das zu? Würde ich hier im ungarischen Parlament solche Dinge versuchen zu tun, dann würde nicht nur die Opposition, sondern sogar die Mitglieder meiner Fraktion würden rebellieren. Ich sage also immer, wenn es das Parlament gibt und wenn es Abgeordnete gibt, und letztere doch unter irgendeinem Zwang handeln, dann sind in erster Linie sie selbst dafür verantwortlich. Die Menschen wählen freie Bürger zu ihren Abgeordneten, sie erwarten von ihnen, sich auch entgegen jedes äußeren Druckes für die Interessen der sie dorthin entsendenden Menschen einzusetzen, sie sollen mutig, sie sollen entschlossen sein, sie sollen – wenn nötig – Konflikte auf sich nehmen. Die Anzeichen dessen sehen wir in Brüssel immer weniger. Wahr ist aber auch, dass die Parlamente sich zu erschöpfen pflegen. Das Brüsseler Parlament arbeitet entsprechend eines Fünfjahreszyklus‘, ich sehe ihnen die Zeichen der Müdigkeit des Zyklusendes an, zu so einem Zeitpunkt ist eine Auffrischung notwendig. Die Parlamentswahlen kommen, es kommen dann neue Abgeordnete, und meiner Ansicht nach wird sich die Qualität der Demokratie verbessern. Was die mit Herrn Verhofstadt geführte Debatte angeht, diese weist sehr genau auf jenen Unterschied hin, der zwischen den Demokratien der westeuropäischen Länder und den Demokratien der mitteleuropäischen Länder besteht. Sie haben so eine erschöpfte, institutionelle Demokratie. Ich muss sagen, dort werden die nicht angepassten Meinungen mit Überraschung aufgenommen, und wenn die Elite den Eindruck hat, sie würde angegriffen, dann ist sie beleidigt. Uns ist dieser Luxus, nicht angegriffen zu werden, nicht gegeben; ich bin seit 1990 Parlamentsabgeordneter, ich bin das 13. Jahr Ministerpräsident, jeden Morgen erwache ich damit, dass ich einen Hieb abbekomme, also irgendwo angegriffen werde, man muss ständig aufmerksam sein, man muss kämpfen. Das ist eine Arbeit, die der ständigen Kritik unterworfen ist. In Brüssel liefen die Dinge gut, beziehungsweise in Westeuropa erlebte nach dem Zweiten Weltkrieg jener Teil Europas ab den sechziger Jahren ständige wirtschaftliche Erfolge, frei waren sie auch auf eine bestimmte Weise, denn fremde Truppen waren natürlich auch auf dem Territorium ihrer Länder stationiert, ja sind dort auch heute noch stationiert, doch gab es letztlich Freiheit, denn dies waren ja schließlich NATO-Truppen, diese haben die nationale Unabhängigkeit nicht weggenommen, selbst wenn sie beobachtet wurden, sondern haben sie grundsätzlich eher garantiert, sie lebten also in Freiheit und Wohlstand, außerdem sorgte die geistige Leistung Europas über lange Jahrzehnte hinweg für die Vormachtstellung der europäischen Wirtschaft gegenüber den anderen Regionen der Welt. Es war also so, dass zwar den Menschen viele Dinge nicht gefielen, doch insgesamt waren sie mit der Richtung der Angelegenheiten, mit deren Entwicklung doch zufrieden. Deshalb war auch die die Leitung der Länder ausübende Elite daran gewöhnt, zwar manchmal etwas gezwickt zu werden, doch mussten sie niemals derartige Sätze hören, wie ich, „hau ab“, und die rohen Dinge, die mir die Ungarn manchmal an den Kopf zu werfen pflegen, und natürlich auch anderen Politikern an den Kopf werfen. Also gegenüber dieser Regierungselite waren kräftige, emotional gefüllte, schwungvolle Äußerungen – wie die, unter denen wir unsere Tage in Ungarn verbringen – in der europäischen Politik überhaupt nicht charakteristisch. Demgegenüber muss man hier jeden Angriff überleben, hier ist jede Maßnahme, auch die auf evidenteste Weise gute Maßnahme, selbst eine Lohnerhöhung, sofort der Kritik ausgesetzt. Hier kann man sich also nicht wie ein König gebärden, hier muss man wie ein Straßenkämpfer auch für die auf evidente Weise richtigen Entscheidungen kämpfen. Man muss auch darum kämpfen, gutes tun zu können. An dieser Stelle muss ich sagen, unsere Demokratie stellt eine kämpferischere oder stärker durch Auseinandersetzungen belastete Form des öffentlichen Lebens dar, als das, was wir in Westeuropa kennengelernt haben. Nun, deshalb ist es so, dass sie glauben, Herr Verhofstadt darf uns angreifen, und wir werden dann auf eine ebenso laue Weise reagieren, wie das in der Demokratie in Westeuropa gang und gäbe ist. Dem ist nicht so. Mit dem Sargentini-Bericht ist Ungarn angegriffen worden, und wir haben unseren Gegenangriff mit mindestens der gleichen Kraft geführt, aber möglicherweise mit einer größeren Kraft, als der, mit der man uns attackiert hatte. Und wir verteidigen uns bei jedem Anlass, und wir führen einen Gegenangriff, wir tolerieren es nicht, dass das Ansehen, die Ehre Ungarns ohne Konsequenzen beschädigt und angegriffen wird. Wer Ungarn angreift, wer uns beißt, der muss über ein starkes Gebiss verfügen, weil wir dies nicht hinnehmen werden. Wir unternehmen also immer einen Konterangriff. Und das ist jetzt eine interessante Erscheinung, dass während Herr Verhofstadt alle möglichen, übrigens auch mich selbst persönlich in meiner Ehre verletzenden Plakate in Ungarn vertreiben kann, und wir dann hierauf antworten, da reagieren die Belgier – von ihren bequemen demokratischen Reflexen der vergangenen dreißig-vierzig Jahren ausgehend –, dass man „hier das nicht machen kann“. Das ist eben der Unterschied! Die Wahrheit ist, dass die Lebenskraft in der Demokratie in Mitteleuropa stärker ist als in Westeuropa.
– Vielen Dank! Sie hörten Ministerpräsidenten Viktor Orbán.
(Kabinettbüro des Ministerpräsidenten)