8. März 2019

Katalin Nagy: Die Informationskampagne der ungarischen Regierung hat in Brüssel erboste Reaktionen ausgelöst. Aber wo ist heute schon der Schnee von gestern? Während früher Jean-Claude Juncker auf der Sitzung der Europäischen Volkspartei abgewartet hat, bis der ungarische Ministerpräsident den Saal verließ und er erst danach die Möglichkeit des Ausschlusses des Fidesz zur Sprache brachte, ließ jetzt der Spitzenkandidat der Volkspartei, Manfred Weber, ausrichten, er habe drei Bedingungen, und wenn diese von der ungarischen Regierung nicht erfüllt werden, dann kommt es zum Ausschluss. Also zum Ausschluss des Fidesz. Im Studio begrüße ich Ministerpräsidenten Viktor Orbán! Was ist Ihre Meinung über diesen „Bitte-um-Verzeihung-sonst-schließen-wir-Dich-aus”-Stil? Sollte das in Europa der gleichberechtigte Dialog gleichberechtigter Partner sein?

Auch ich wünsche den Zuhörern einen guten Morgen! Das sind alles sehr wichtige Fragen, doch haben wir heute den Frauentag, wenn Sie also erlauben, möchte ich zuerst besonders und respektvoll die ungarischen Frauen grüßen! Der liebe Gott möge es Ihnen auch an diesem Tag gut gehen lassen! Wir danken für all das, was sie für uns getan haben, hierin unsere Mütter, unsere Töchter und auch unsere Enkelinnen mit inbegriffen.

Vielen Dank!

Nun, hiernach können wir uns auch den weniger gewichtigen Fragen zuwenden. Europa durchläuft bekanntlich eine Veränderung. Also an alles, was heute sich im europäischen politischen Raum ereignet, lohnt es sich von der Warte aus anzunähern, dass sich eine Veränderung lange nicht mehr gesehenen Ausmaßes und ebensolcher Tiefe im europäischen Leben vollzieht – und deshalb dann auch in der europäischen Politik. Unser Leben ist durch die Migration und die Einwanderung verändert worden. Dies ist die wichtigste Frage der europäischen Zukunft und dies ist auch zur wichtigsten Frage der Politik geworden. Und die traditionellen, früheren Aufteilungen, die auch Sie bestens kennen: Linke, Rechte, Christdemokraten, Sozialisten, Liberale, ja sogar Westeuropäer, Mitteleuropäer, diese Unterschiede sind plötzlich durch eine neue Scheidelinie durchkreuzt worden. Wer unterstützt die Einwanderung und die Migration – und wer nicht? Wenn wir also verstehen wollen, was warum geschieht, zum Beispiel auch mit uns in Europa, dann lohnt es sich, diese Perspektive zu betrachten, denn von hier aus können wir die Dinge verstehen. Und auch innerhalb der Europäischen Volkspartei gibt es eine Bruchlinie. Es gibt Parteien, die ein Europa mit gemischter Bevölkerung wollen. Sie möchten die Migranten hereinlassen, ja sogar hereinbringen. Es gibt Stimmen, die meinen, dies würde für Europa gut sein. Und es gibt solche, die unsere christliche Kultur bewahren möchten. Es gibt jene, die unsere Grenzen bewahren möchten, sie halten dies für sicher und sie wollen keine massenhafte Migration. Ja, sie wollen überhaupt keinerlei Migration. Dieser Art sind zum Beispiel wir, Ungarn, und auch ich vertrete dies sowohl auf Regierungsebene als auch in der europäischen Parteipolitik. Und es geschah, dass jene, die die Migration unterstützen, also die auf der Seite der Migration stehenden Politiker, sie haben uns in der Europäischen Volkspartei angegriffen, gerade aus dem Grunde, da wir in der wichtigsten Frage einen anderen Standpunkt einnehmen als sie. Und jetzt sind sie bestrebt, die ganze Volkspartei in eine die Einwanderung unterstützende Organisation umzuformen. Und wir wollen dies verhindern. Nun, genau inmitten dieser Geschichte finden sich der Fidesz und auch Ungarn aus dem Grund wieder, da wir jenes Land sind, das als erstes unter Beweis gestellt hat, dass man gegen die Migration auftreten kann. Dies ist nur eine Frage des Willens. Die Migration kann man, auch wenn sie sich im Maßstab von Hunderttausenden bewegt, aufhalten. Es gibt Mittel, es gibt den Zaun, es gibt die Grenze. Wenn es den Willen gibt, dann ist dies möglich. Deshalb sind wir in den Mittelpunkt der Debatten geraten. Ansonsten würden die Maße Ungarns, die Zahl unserer Soldaten, unser GDP, die nationalen Ressourcen es nicht begründen, dass über uns so häufig und mit dem Gewicht geredet wird, wie das geschieht. Die Situation, die historische Situation, die Lage unserer Heimat auf der Landstraße der Völker und die offene Abwendung von der Migration sowie das offene Auftreten gegen die die Migration begrüßenden westeuropäischen linken Politiker hat dazu geführt, dass wir jetzt dort angelangt sind, wo wir stehen. Wir haben auch mehrere Möglichkeiten. Der Fidesz wird dann entscheiden, ob innerhalb der Europäischen Volkspartei oder außerhalb dieser. Ich führe täglich Gespräche mit vielen Leuten, hierüber können wir auch eventuell einige Worte reden, doch ist das entscheidende Element in dieser ganzen Situation, dass unser Mandat, die Stellung Ungarns in dieser Debatte durch die ungarischen Menschen festgelegt worden ist. Sie sagen also, die christliche Kultur sei ein Wert. Diese hat uns in den vergangenen tausend Jahren erhalten. Es gibt keinen Grund dafür, uns von dieser zurückzuziehen, sie aufzugeben. Wir müssen sie vielmehr verteidigen. Wir wollen nicht zu einem gemischten Land werden. Wir wollen keine Migration. Wir wollen die Sicherheit bewahren. Und über unsere Familienpolitik werden wir in der Lage sein, auch ohne Migranten die biologische Zukunft Ungarns aufrechtzuerhalten. Das ist ein gebundenes Mandat. Ich möchte von diesem nicht zurückweichen. Ich selbst stimme mit dieser Meinung überein, aber im Übrigen bin ich auch hiermit betraut worden. Und dies bedeutet, ganz gleich wie sich auch die Zukunft gestaltet, in der Angelegenheit der Verteidigung der christlichen Kultur und der Sache der Migration ist kein Kompromiss vorstellbar. Über alles andere kann man sich unterhalten.

Ich nehme an, nicht nur ich möchte wissen, mit wem Sie Gespräche führen, wer jene vielen Leute sind?

Jetzt brennen die Leitungen natürlich. Ich spreche, habe gestern oder vorgestern mit Jean-Claude Juncker gesprochen, dann mit Herrn Weber, habe mit den bedeutenden ehemaligen Ministerpräsidenten und Staatsoberhäuptern, auch mit amtierenden Ministerpräsidenten gesprochen. Es laufen also große Verhandlungen. Ich werde mich auch noch mit Herrn Weber unterhalten. Am Sonntag sind wir schon in Polen, die polnische Regierungspartei ist ja kein Mitglied der Europäischen Volkspartei, und wenn sich die Dinge dahingehend entwickeln, dass wir eine neue Sache in Europa starten müssen – und es kann sein, dass dies das Ende dieser Debatte sein wird, dass letztlich unser Platz nicht in der Volkspartei ist, sondern außerhalb dieser, obwohl ich lieber die Umformung, die Reformierung der Volkspartei erreichen möchte, zum Beispiel dahingehend, dass es auch einen Platz für die die Migration ablehnenden Kräfte geben soll, wie wir eine sind –, jedoch wenn man irgendeine neue Sache starten muss, dann ist sicherlich der erste Ort Polen, wo wir Gespräche führen werden. Am Sonntag bin ich schon in Polen. Dort nehme ich an einer Gedenkveranstaltung über die NATO-Mitgliedschaft gemeinsam mit den Ministerpräsidenten teil. Und am 15. März kommt der polnische Ministerpräsident nach Ungarn, der im Namen des polnischen Volkes die Ungarn grüßen wird. Er wird an unserem Nationalfeiertag, dem 15. März eine Festrede halten.

Sie haben in dem Interview, das Sie Der Welt gegeben haben, einen sehr wichtigen Vorschlag formuliert, der alle hellhörig gemacht hat, und über den interessanterweise auch die deutschen Leser abgestimmt haben. Und 81% von ihnen sagten auch, sie halten den Vorschlag des ungarischen Ministerpräsidenten für richtig. Und der lautete, man müsse der Europäischen Kommission jene Zuständigkeit abnehmen, der sich mit dem Schutz der Grenze und der Migration beschäftigt. Das wäre ein sehr wichtiger Schritt.

Schauen Sie, dies hat mich der gesunde Menschenverstand sagen lassen. In kleinem Kreis habe ich diesen Gedanken schon getestet. Ich wage nicht einmal zu behaupten, dass es mein eigener Gedanke wäre. Es hat sich vielmehr im Laufe der Beratungen über die Europäische Lage in mir ausformuliert. Zum Beispiel habe ich mit Herrn Präsidenten Sarkozy, dem ehemaligen französischen Staatspräsidenten lange und mehrmals über diese Frage unterhalten, auch er steckt in diesem Gedanken mit drin, aber auch noch andere Politiker. Das Wesentliche der Sache ist das Folgende: Zunächst einmal benutzen wir das Wort „Europa“, doch verstehen wir drei verschiedene Dinge darunter. Da gibt es ja zuerst alle Mitglieder der Europäischen Union. Wir alle sind Mitglieder der Europäischen Union. Dann gibt es die Eurozone. Das ist die Gruppe jener Länder, die eine gemeinsame europäische Währung benutzen. Wir nicht. Wir benutzen unseren eigenen Forint. Dies ist ein zweiter geographischer Kreis. Und der dritte Kreis ist Schengen. Es gibt also eine Ländergruppe innerhalb der EU, die einem gemeinsamen Grenzschutzsystem angehören. Untereinander verteidigen und wenden wir keine Grenzen an. Die Außengrenzen stellen unsere gemeinsame Außengrenze dar. Das sind drei verschiedene Dinge, Konfigurationen, Ländergruppen. Es ist unbegründet, dass für alle drei Gruppen die gleichen Regeln gelten sollen. Was nun die Migration angeht, so ist dort geschehen, dass seit 2015 vier Jahre vergangen sind und der mit der Lösung der Angelegenheit betraute Verantwortliche, und das ist die Europäische Kommission, nicht in der Lage ist, der Angelegenheit Herr zu werden. Sie hatte dafür vier Jahre. Jetzt lohnt es sich meiner Ansicht nach nicht, diesen Versuch fortzusetzen, denn wenn vier Jahre nicht ausgereicht haben, dann werden es fünf, und sechs, und auch sieben Jahre nicht. Und wenn es hier keine Verstärkung im Grenzschutz gibt, dann werden die Migranten in dem gegenwärtigen, etwas langsameren Tempo kommen, und wenn sich dann die Welle staut, dann werden sie erneut in Massen ankommen, und wir werden genauso schutzlos sein, wie wir es 2015 waren. Deshalb lautet mein Vorschlag, dass wir diese Angelegenheit dahin überantworten sollten, wo man sie auch lösen kann. Nehmen wir sie von der Kommission zurück in nationale Zuständigkeiten und die Nationalstaaten sollten ihre eigenen Innenminister in einen gemeinsamen Rat delegieren. An diesem sollen nicht alle teilnehmen, die Mitglied der Europäischen Union sind, sondern nur jene, die sich innerhalb des Schengen-Gebietes befinden, denn es geht ja um die Verteidigung der Schengen-Außengrenze. Und diesem Gremium, das aus den Innenministern besteht, sollten wir von unseren Rechten als Nationalstaat jene Rechte übergeben, die es ihnen ermöglichen, die Grenzen zu schützen, gemeinsame Entscheidungen zu treffen und Regeln zur Regulierung der Migration auszuarbeiten. Die Angelegenheit würde sich in den Händen der Innenminister an einer besseren Stelle befinden, als sie es jetzt bei der Kommission ist. Die Kommission hat die Angelegenheit nicht gelöst, die Innenminister standen schon immer in Diskussion mit der Kommission. Die Innenminister haben immer lebensnahere Vorschläge gemacht. Wenn in den vergangenen drei-vier Jahren die mit der Migration zusammenhängenden Befugnisse bei den Innenministern gewesen wären, bei den Innenministern der Schengen-Zone, dann wären wir meiner Ansicht nach viel weiter, und Europa wäre geschützter und sicherer als es heute ist.

Der Kommissar für Migration, Avramopoulos, behauptet, die Krise sei vorüber, und gerade deshalb werde bei dem nächsten Unionsgipfel die Frage der Migration auch kein Tagesordnungspunkt sein. Dies ist doch ziemlich interessant, denn in den vergangenen drei Jahren kam sie immer unter irgendeinem Gesichtspunkt zu Sprache.

Hierauf können wir zwei Dinge sagen: Zunächst einmal ist die Migration kein Pickel, der sich verflüchtigt hat, sondern eine weltgeschichtliche Erscheinung, die die Manifestation einer Völkerwanderung, einer Völkerwanderung der Moderne ist. Welches Problem nicht deshalb entstanden ist, weil einige Menschen Lust bekommen haben, einen Ausflug nach Europa zu machen, sondern sich aus der Situation heraus ergeben hat, dass es außerhalb Europas einen riesigen Bevölkerungszuwachs und einen Bevölkerungsrückgang, einen bedeutenden und gewaltigen Bevölkerungsrückgang innerhalb Europas gibt. Hinzu kommen noch Kriege, hinzu kommt noch der Klimawandel, hinzukommt noch die kontinuierliche Abnahme der landwirtschaftlichen und Wasserressourcen in bestimmten Teilen der Erde, und dort kann man nur mehr immer schwerer leben. Und in bestimmten nahe zu Europa liegenden Teilen der Welt gibt es keine Entwicklung, die in der Lage wäre, die anwachsende Bevölkerung zu ernähren. Die Migration ist also seitens der Migranten keine Frage des Willens. Sie wählen für ihr eigenes Leben ganz einfach eine andere Lösung als zu Hause zu bleiben, millionenfach, später dann zehnmillionenfach. Unlängst war ich in Ägypten auf dem Gipfeltreffen der Europäischen Union und der arabischen Länder. Ich habe mir die demographischen Daten angesehen. Innerhalb einiger Jahre wird es eintreten, dass allein in den arabischen Ländern – ich spreche also nicht über Schwarzafrika, also die Sahelzone, also das Gebiet südlich der arabischen Welt – es also nur in der arabischen Welt eine Bevölkerungsexplosion geben wird, als deren Ergebnis die Zahl der dort lebenden Menschen, wir sprechen also über das zu Europa am nächsten liegende Gebiet, die Einwohnerzahl der Europäischen Union übersteigen wird. Also Herr Avramopoulos und andere, die die Geschichte ihrer Nation in einer zeitlichen Perspektive von zwei Tagen betrachten, missverstehen die Situation. Wir stehen einer historischen Erscheinung gegenüber, deren Äußerungsformen manchmal kräftiger – siehe Röszke, die Invasion über Ungarn nach Westeueropa im Jahre 2015-16 – und manchmal schwächer zu Tage treten. Sie wird aber niemals verschwinden, denn wegen der Gegebenheiten, der Wurzel des Übels, der unverhältnismäßigen Veränderung zwischen der Zahl der europäischen Bevölkerung und der Bevölkerungszahl der Europa umgebenden Welt bleibt sie uns in den kommenden 15-20 Jahren erhalten. Deshalb sage ich auch immer den Ungarn, natürlich müsse man vor dem Terrorismus Angst haben, die Kriminalität nimmt zu. Wir wollen unsere christliche Kultur nicht aufgeben, wir wollen nicht in einer Gesellschaft mit einer gemischten Kultur leben. Das, was wir gerade haben, sagt uns vollkommen zu. Doch müssen wir immer bei nüchternem Verstand sein, denn diese Herausforderung historischer Art wird – ganz gleich ob wir es wollen oder nicht – unser Leben und auch noch das Leben der Generation unserer Kinder bestimmen. Sie ist auch zu einem wichtigen Element der Außenpolitik und auch der innerungarischen Sicherheitspolitik geworden, denn man muss sie unabhängig davon so ernst wie nur möglich nehmen, unabhängig davon, ob wir gerade zwei-drei sonnige Jahre haben, in dem es keine kräftige Migrationsbewegungen gibt. Man muss sich immer dessen bewusst sein, dass sich gewaltige Menschenmassen, Massen von vielen zehn Millionen Menschen darauf vorbereiten, auf den ihnen ein Auskommen bietenden oder ein auf jeden Fall besseres Auskommen als es für sie Zuhause möglich ist bietenden europäischen Kontinent zu strömen und diesen zu besetzen. Dies ist eine historische Herausforderung, vor der wir nicht die Augen verschließen dürfen. Wenn wir sie schließen, dann wird es uns ergehen wie den Westlern, wohin die Migranten zuerst nur eingesickert sind und später dann in großen Massen kamen. Danach sind sie dann zu Wählern geworden, und die europäische Linke genießt ihr Vertrauen und die europäische Linke bedient ihre Bedürfnisse. Sie will einesteils neue Massen von Migranten hereinbringen und andernteils möchte sie deren Wählerstimmen gewinnen, und auf diese Weise werden wir Europäer, wird der Westen kontinuierlich aus dem Zentrum der europäischen Aufmerksamkeit und der Entscheidungsfindung verdrängt. Dort vertreten sie nicht nur uns, sondern auch andere, und dies formt unser Leben Schritt für Schritt vollkommen um. Das geschieht nicht von einem Tag zum anderen. Natürlich achten die Politik, die Zeitungen und die Journalisten auf die schnellen Geschehnisse, sie interessieren sich für die kurzfristigen Dinge. Dies ist ein langfristiger historischer Prozess. Und – wie ich gesagt habe – er gefährdet unsere Sicherheit, doch müssen wir über unsere Ängste hinaus blicken können. Wir können nicht die Gefangenen unserer eigenen Ängste sein. Man darf nicht in der Perspektive eines Jahres denken, sich angesichts der Freude über drei vereitelte Terrorversuche erleichtert fühlen, denn wir befinden uns inmitten eines historischen Prozesses, der Teil unseres Alltags geworden ist. Und wer dies nicht reflektiert, hierauf nicht reagiert, hierauf keine Antwort weiß, jene Regierung, die sagt: „Ach, das ist schon vorbei“, begeht ein Verbrechen am eigenen Volk.

Ab Juli treten vier Punkte der sieben Punkte des Aktionsplanes zum Schutz der Familien in Kraft, und man wird jene Unterstützung in Anspruch nehmen können, die die ungarische Regierung den Familien zu geben wünscht. Das internationale Echo ist interessant, das diesen Aktionsplan zum Schutz der Familien begleitet. Ein rationales Argument dagegen kann man nicht vorbringen, außerdem halten ihn viele für ein zu befolgendes Beispiel. Nur ein paar merkwürdige Dinge: Ganz interessant ist zum Beispiel, wir unterhalten uns jetzt gerade am Frauentag, dass Frauen darüber reden, man solle deshalb kein Kind auf die Welt bringen, weil kleine Kinder sehr viel Kohlendioxid und sehr viel Methangase produzieren. Also man versteht auch gar nicht, ob das echte Frauen sind oder ob sie aus Plastik bestehen?

Zunächst einmal müssen wir der traurigen Tatsache ins Auge schauen, dass Europa heute der Kontinent der leeren Kinderbetten ist. Viele Länder leiden darunter, so gut wie alle, und die einfache Lösung ist natürlich die, die von zahlreichen Westeuropäern vertreten wird: ein Stück für ein Stück. Wenn ein Westeuropäer fehlt, dann sollten wir einen Migranten hereinbringen, und dann werden die Zahlen stimmen. Der Ungar denkt anders. Er sagt: „Wir brauchen keine Zahlen, sondern Kinder, möglichst ungarische Kinder.“ Nun ist aber die Realität auch in Ungarn eher traurig. Im Jahre 2010 sind in 100 Familien 123 Kinder geboren worden, also 200 Menschen, denn es handelt sich ja um Elternpaare, also 200 ungarische Menschen haben uns 123 Nachkommen hinterlassen, und dies nennen wir Bevölkerungsschwund. Wir wollen keine gemischte, aus Migranten und aus eingeborenen Ungarn bestehende gemischte Gesellschaft schaffen. Dies bedeutet, wir müssen dann unsere Selbsterhaltung selber für uns lösen. Die Nation, die im Übrigen hierzu aus eigener Kraft nicht fähig ist, also noch nicht einmal zu einer biologischen Reproduktion fähig ist, wird zu Recht dünner, schwächer und verschwindet auch früher oder später auf der großen Landstraße der Völker. Nun haben die Ungarn aber das Glück, dass wenn wir die Jugendlichen fragen, und wir machen dies regelmäßig, dann wollen sie mehr Kinder, als dann am Ende tatsächlich geboren werden. Was folgt hieraus für einen Politiker wie mich? Dass es dann offensichtlich irgendein Hindernis im Alltagsleben geben muss, das die ursprüngliche Absicht der Jugendlichen verändert, und dadurch haben alle das Nachsehen. Die Kinder kommen nicht auf die Welt, die Eltern haben keine Kinder, und auch das Glücksgefühl wird in den Familien kleiner sein. Und unserer gesamten nationalen Gemeinschaft ergeht es schlecht. Ich denke also darüber nach, ich empfinde es als meine Pflicht, ich versuche auch die Regierung auf diese Weise zu leiten, dass wir jene Hindernisse identifizieren sollten, wegen derer die Jugendlichen am Ende nicht die Zahl von Kindern bekommen, die sie sich früher gewünscht hatten. Diese Hindernisse sollten wir aus dem Weg schaffen, und danach sollen die Jugendlichen entscheiden, ob sie die sich ergebenden Möglichkeiten nutzen wollen. Wer sie nutzt, der nutzt sie, wer nicht, der nicht. Ich empfehle also keinesfalls irgendeine Form von Zwang, um auch nur irgendjemandem ein anderes Leben aufzuzwingen, als jenes, welches er leben möchte. Das ist seine Sache. Wir müssen die Möglichkeit anbieten. Wir müssen den Jugendlichen sagen, Ungarn sei ein familienfreundliches Land. Dies ist heute im Übrigen noch nicht wahr. In dem Herzen und der Seele der Menschen wäre dies ein familienfreundliches Land, doch in den Äußerungsformen des Alltagslebens, ob wir die Kinder versorgen, ihre Windeln wechseln können, gibt es am Arbeitsplatz, in den Restaurants – auch unter Beachtung der Möglichkeit, zu Hause zu arbeiten – einen riesigen Nachholbedarf. Auch unser Verhalten gegenüber den Damen und den Familien ist nicht immer ritterlich. Auch unsere, wie soll ich es ausdrücken, Allgemeinkultur würde eine ordentliche Veränderung vertragen, und im Alltagsleben wären viel mehr Gesten in Richtung der Frauen, der Kinder und auch Familien notwendig. Und den Spott sollte man endgültig vergessen. Im Leben gibt es heilige Dinge, und meiner Ansicht nach gehört das Kind und die Familie zu diesem Kreis, und bei heiligen Dingen gibt es nur Platz für den Respekt, aber keinen für den Spott. Und wir in Ungarn sind an diesem Punkt noch nicht angelangt. Es müssen hier also viele Dinge geschehen, damit Ungarn ein familienfreundliches Land werde, doch wünschen wir uns, dahin zu gelangen. Es geht jetzt hier nicht nur um Unterstützungen, Geld, die Wohnung, das Auto, sondern auch um die Ausformung der Kultur eines familienfreundlichen Landes. Das wird sicherlich nicht von dem einen Tag zum anderen gehen, aber wenn ausreichend viele von uns so entschlossen sind, wie ich zum Beispiel oder die Regierung, dann wird dies doch früher oder später gelingen, und in Ungarn wird es viele Kinder geben, Kinderlachen, Großfamilien und Friedenszeiten, erneut glückliche Friedenszeiten. Darauf hoffen wir alle. Vier Maßnahmen von den sieben, die ich früher angekündigt hatte, werden wir bereits mit dem 1. Juli in Kraft treten lassen. Die fünfte Sache, der Ausbau der Krippenplätze, stellt eine kontinuierliche Arbeit dar. Und für die beiden weiteren unserer Maßnahmen, die Etablierung der endgültigen Steuerfreiheit von Müttern von vier Kindern und die Möglichkeit des Kinderbetreuungsgeldes für Großeltern eröffnet sich die Möglichkeit dann am 1. Januar 2020. Verzeihung, etwas zu den westeuropäischen Reaktionen. Man hat wirklich das Gefühl, und ich möchte damit niemanden verletzen, aber es entsteht in einem tatsächlich das Bild, als wären wir normal, und nicht jeder andere sei es auch. Ich möchte ihnen nicht Unrecht tun, aber zu sagen, es sei auf irgendeine Weise gegen die Ordnung der Natur, wenn die Frau ein Kind auf die Welt bringt, oder dass genug Kinder in Afrika auf die Welt kämen – auch soetwas habe ich schon gelesen –, man müsse von dort welche hierher bringen, man muss hier nicht verkrampft versuchen, ein familienfreundliches Ungarn zu erschaffen. Oder dass der Schaden für die Umwelt, den das Kind durch seine Geburt und das spätere Leben verursacht, sei wichtiger als das Leben selbst – das sind Annäherungsweisen, die ich nicht für normal halte. Ich lebe mein Leben also so, dass meiner Ansicht nach wir natürliche, normale Dinge wollen. Die Ordnung des Lebens ist doch dergestalt, dass man einen Vater, eine Mutter hat, diese erziehen einen, man lernt in der Familie viele Dinge. Danach wird man selbst zum Jugendlichen, man gründet auch selbst eine Familie. Man unterrichtet die folgende Generation genauso, wie man selbst erzogen worden ist. Das Leben besitzt also eine natürliche, normale Ordnung. Ich versuche diese zu verteidigen, zu unterstützen. Die Meinung der kleinen, jedoch lauten provokativen Minderheit muss ich mir, natürlich mit dem nötigen Respekt, anhören, der Respekt steht einem jeden zu, aber man darf sie keinesfalls als eine normale Meinung ansehen, und wir müssen sie uns abschütteln, wie das der nass gewordene Hund mit dem Wasser zu tun pflegt.

Die Schaffung des dörflichen Baukindergeldes, also die der Vergünstigung zur Schaffung eines Familienheimes beginnt auf glückliche Weise zusammen mit dem Programm Ungarisches Dorf. Ist dessen Ziel, die Kraft des Dorfes, der Provinz zu stärken, damit die Bevölkerung dort bleibt? Denn es wäre ja äußerst notwendig, dass kleine Siedlungen weder in Ungarn noch in ganz Europa aufhören zu existieren.

Das ist eine andere große Aufgabe, die wir neben der des familienfreundlichen Ungarn zu lösen begonnen haben, und das ist die Rettung, die Aufrechterhaltung der dörflichen Lebensform. Derzeit besitzt Ungarn gerade eine solche Regierung, zu der viele Leute gehören, die solche Dorftypen sind. Und einmal habe ich Ihnen vielleicht auch schon gesagt, dass wer als Dörfler geboren worden ist, der bleibt das auch bis zum Ende seines Lebens. Davon kann man sich nicht befreien, man kann sich dies auch nicht vom Körper kratzen. Und nach einer bestimmten Zeit kommt man dahinter, dass man dies sich nicht vom Körper kratzen muss, sondern sich darüber freuen, dass man in einem eigentümlichen Umfeld aufwachsen kann. Auch mir erging es so. Ich bin in einer kleinen Siedlung mit weniger als zweitausend Einwohnern aufgewachsen. Dort habe ich das Leben kennengelernt, dort bin ich in die Schule gegangen, dort habe ich gelernt, wie man sich zu verhalten hat, und ich bin glücklich, dass dies so geschehen ist. Ich persönlich bin also auch dafür engagiert, dass die Möglichkeit der dörflichen Lebensform für die ungarischen Menschen, die ungarischen Jugendlichen, die ungarischen Kinder erhalten bleiben soll. Doch können wir den Kopf nicht in den Sand stecken, denn zugleich ist die Qualität des Lebens auf dem Dorf nicht derart, dass es diese Lebensform für die Menschen als besonders attraktiv erscheinen lassen würde. Deshalb gehen sie weg. Die Menschen sind also ihrem Geburtsort nicht untreu, sie verraten ihn nicht, sie laufen von dort nicht weg. Sie haben ganz einfach das Gefühl, dass sie sich in der Stadt ein Leben höherer Qualität schaffen können als auf dem Dorf. Nun möchte ich, dass dies anders sei, und die Lösung dafür ist, dass das Dorf ein genau solches zivilisatorisches Umfeld für die Menschen bedeuten können soll wie die Stadt. Und hierzu ist es notwendig, den Bevölkerungsschwund aufzuhalten und unsere Dörfer in Ordnung zu bringen. Wir haben aber nicht so viel Geld, um alle Dörfer auf einmal in Ordnung zu bringen. Die ungarische Wirtschaft zeigt gute Ergebnisse, aber so gut sind sie auch nicht. Deshalb haben wir uns jene Siedlungen ausgewählt, in denen die Bevölkerungsabnahme schneller verläuft als der landesweite Durchschnitt. Das sind also die am stärksten gefährdeten ungarischen Dörfer, das bedeutet 2.100 und einige hundert, 2.100 und einige Dörfer. Bleiben wir also bei einer Zahl von zweitausend. Wir müssen jetzt also zweitausend Dörfer auf die Weise entwickeln, dass sie ihre Bevölkerung nicht verlieren, sondern behalten können. Hierzu sind sehr viele Dinge notwendig. Man muss die Straßen in Ordnung bringen, hierzu haben wir einen gesonderten Dorfstraßenfonds aufgestellt. Die Dienstleistungen wie es die öffentliche Verwaltung, die Ämter, die Schule, die medizinische Versorgung, der Kindergarten, die Kinderkrippe ist, muss auf dem Dorf ebenso vorhanden sein wie in der Stadt. Daran arbeiten wir. Und der größte Vorteil des Dorfes besteht darin – denn dort mangelt es den Menschen nicht an Raum, während in der Stadt der Raum begrenzt ist –, also der größte Vorteil des Dorfes besteht in der Möglichkeit, einen anständigen Hof, ein anständiges Zuhause, einen bequemen Lebensraum, ein ordentliches Haus, größer als in der Stadt, haben zu können – und jetzt sehen wir anstatt dessen, wie schlecht der Wohnungsbestand in den Dörfern ist, es gibt verlassene Häuser, es existieren ganze Straßen, die eine Renovierung verlangen. Aus diesem Grunde werden wir eine Institution namens Dorfkinderbaugeld einführen, was auf ganz einfache Weise sagt, dass das, was die Familien mit Kindern als Betrag der Unterstützung für die Wohnung aufnehmen können, zum Teil als nichtrückzahlbare Unterstützung, zum Teil als Kredit, und zwar im Falle von neu gebauten Wohnungen in Anspruch genommen werden kann, und dies soll in der Stadt auch so bleiben, jedoch in diesen zweitausend und einigen Dörfern soll dies auch für den Kauf gebrauchter Wohnungen und zur Erweiterung sowie Renovierung gebrauchter Wohnungen in Anspruch genommen werden können. Und mit zehn und einigen Millionen Forint kann man auf dem Dorf vieles an der eigenen Lebensqualität verbessern. Dies empfinde ich als einen Durchbruch. Eine Detailregelung fehlt noch, deshalb haben wir die Einzelheiten dessen noch nicht veröffentlicht, denn das ungarische Volk ist talentiert und geistreich, wir müssen auf jeden Fall eine Liste gegen missbräuchliche Nutzung anfertigen, wie die typischen Formen des Missbrauchs – denn solchen haben wir früher schon gesehen – vermieden werden können. Hieran arbeiten die Juristen, das wird innerhalb der nächsten Tage angefertigt sein, und dann wird das gesamte Material der Rechtsvorschriften über das dörfliche Baukindergeld, also über das System der Schaffung eines Zuhauses für Jugendliche auf dem Dorf veröffentlicht.

Vielen Dank. Sie hörten Ministerpräsidenten Viktor Orbán.

(miniszterelnok.hu)