3. Mai 2019
Katalin Nagy: Matteo Salvini, der italienische Innenminister und stellvertretende Regierungschef, besuchte gestern Ungarn. Er traf Innenminister Sándor Pintér und den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Im Studio begrüße ich Viktor Orbán!
Guten Morgen, küss’ die Hand!
Sie haben am Mittwoch der italienischen Zeitung La Stampa gegenüber dahingehend formuliert, dass der wichtigste Mensch des gegenwärtigen Europa Matteo Salvini sei. Ist das nun der dem ankommenden Gast gebührenden Höflichkeit geschuldet oder war es anders gedacht?
Nein, das ist keine Höflichkeit, das ist mehr als das. Natürlich schadet es nicht, wenn man höflich ist. Schlechte Manieren verbreiten sich schnell in Europa, was die Höflichkeit anbetrifft. Ich sehe also, wie die führenden Politiker einzelner Länder viel zu leicht starke, ja derbe Ausdrücke für die führenden Politiker der anderen Länder gebrauchen. Sie beachten es nicht, dass dies eine Respektlosigkeit ist, und nicht nur unbedingt gegenüber den führenden Politikern des anderen Landes, sondern gegenüber jenen Menschen, die sie gewählt haben. Ich habe also einige schlechte deutsche Kommentare über den Besuch des Herrn Vorsitzenden Salvini in Ungarn gesehen. Herr Salvini vertritt das italienische Volk. Wer Herrn Salvini beleidigt, der beleidigt das italienische Volk. Aber auch in Ungarn sehe ich es, denn auch hier bezeichnet der an der ersten Stelle der Liste der einen oppositionellen Partei stehende Kandidat den italienischen Ministerpräsidenten, stellvertretenden Ministerpräsidenten, und das Haupt der polnischen Regierungspartei als Schurken. Jetzt bitte ich zunächst dafür um Verzeihung, sowohl die Italiener als auch die Polen, dass so etwas in Ungarn aus dem Mund einzelner Politiker stammen kann, aber das ist eine schlechte europäische Sitte. Offensichtlich findet man nicht das Gleichgewicht zwischen der gegenseitigen Kritik der Meinungen und dem gegenseitigen Respekt. Jetzt hat der Salvini-Besuch, über seine Bedeutung hinaus, auf diese kulturelle Erscheinung aufmerksam gemacht, dass die europäische Politik in die falsche Richtung schreitet. Dahinter stecken meiner Ansicht nach Frustrationen. Nicht zufällig schreiten hierbei die Deutschen voran. Also wir, Ungarn, erinnern uns an die Deutschen aus den vergangenen Jahrzehnten auf die Weise, dass dies ein fleißiges, heiteres und respektvolles Volk ist. Wir haben den Deutschen immer Respekt gezollt, weil sie geordnet sind. Nicht nur in ihrem Erscheinungsbild, sondern auch in ihren Worten. Es gab in ihnen also eine Disziplin. Sie haben sich bestimmte Dinge nicht erlaubt. Jetzt haben sie dies deutlich erkennbar hinter sich gelassen und sie sprechen ohne irgendeine moralische Hemmung Urteile in einem inakzeptablen Stil über die Politiker fremder Länder, anderer Länder aus. Wenn wir jetzt unser Urteil darüber, ein wie wichtiger Mensch der italienische stellvertretende Ministerpräsident ist, auf Grund der Heftigkeit der Angriffe auf ihn wegen seines Besuchs in Ungarn fällen würden, dann wäre meine Behauptung bestätigt, dass der wichtigste Mann Europas hier in Ungarn gewesen war. Aber – um dies nicht nur auf Grund der Gegenmeinungen bestätigt zu sehen – auch die Tatsache ist offensichtlich, dass er einen Nagel in den Sarg der die Einwanderung befürwortenden Politiker geschlagen hat. Es gibt also in Europa zwei Arten von Politikern, jene, die die Einwanderung befürworten, und jene, die sie ablehnen. Bescheiden möchte ich nur anmerken, dass Ungarn natürlich ein kleineres Land ist, wir haben uns also mit einem kleineren Nagel, aber doch an diese Operation angeschlossen, als wir die Migration auf dem Landweg aufgehalten haben. Und Herr Salvini hat die Migration auf dem Meer aufgehalten. Und dadurch hat er bewiesen, dass die die Einwanderung befürwortenden Politiker lügen. Sie sagen, man könne die Migration nicht aufhalten. Hinzu kommt noch, dass es das wichtigste Argument der die Migration befürwortenden Westeuropäer war, dass man die über das Meer Kommenden aus dem Wasser retten müsse, weil dies die Humanität verlange. Seitdem jetzt Salvini der Innenminister ist, und er die Schiffe nicht hereinlässt, stechen die Schiffe nicht in See. Wenn sie nicht in See stechen, dann ertrinken die Menschen nicht im Wasser. Sodass die Zahl der im Wasser ertrunkenen Migranten während der Regierungszeit von Salvini radikal zurückgegangen ist, was deutlich zeigt, dass auch vom Gesichtspunkt der Humanität aus eher Salvini und die ungarische Politik Recht haben.
Diese gemeinsame Sympathie und das gemeinsame Denken hat am meisten im vergangenen Sommer begonnen, als Sie auf Einladung von Matteo Salvini nach Mailand fuhren. Doch scheint es so, als ob dieses gemeinsame Denken und diese Sympathie nicht wirklich jene Richtung vorgibt, die die Europäische Volkspartei möchte. Sie gibt eine viel radikalere Richtung vor.
Oder beziehungsweise eine andere Richtung. Also ich mag die Neuankömmlinge. Ich sage ganz ehrlich, ich beobachte jene europäischen Politiker immer mit Sympathie, die – obwohl es um die europäische Wirtschaft und die politischen Angelegenheiten schlecht bestellt ist – es trotzdem auf sich nehmen, am öffentlichen Leben teilzunehmen. Darin gibt es eine Art rührender Begeisterung, offenbar Heimatliebe und Engagement. Dementsprechend freue ich mich – im Gegensatz zu der Brüsseler Elite, die dort in der Blase sitzt, und in jeder neuen Richtung, jedem neuen Gedanken und neuen Menschen eher die Gefahr sieht – über die in die Politik eintretenden neuen Akteure, das ist auch in Ungarn so, aber das ist eine andere Geschichte. Sie bringen alle neue Energie, Begeisterung und Engagement mit sich. Doch ist auch in Brüssel das das größte Übel, dass dort diese, die Einwanderung befürwortenden Politiker sitzen, die wer weiß, wann sie zuletzt einen wirklichen Menschen gesehen haben, wann sie also ein Dorf oder eine Stadt eines Mitgliedsstaates besucht haben, um auf die wirklichen Probleme des tatsächlichen Lebens zu treffen. Sie sitzen dort in dieser Blase seit einer langen Zeit, eingeschlossen in ihre eigenen Gedanken. Sie sprechen eine eigene Sprache, die wir gar nicht verstehen. Auch ich brauchte Jahre, bis ich sie gelernt hatte. Na, in dieser müsste man eine Sprachprüfung ablegen, wenn schon in irgendeiner Sprache – also um das Brüsselische zu erlernen. Sie sitzen also dort, und man kann sehen, dass sie ihre Arbeit in Form des Adjustierens, des Verwaltens der Dinge, im Zeichen des Gedankens: „Die Dinge sollen so weitergehen, wie sie bis jetzt gelaufen sind!“ ihre Arbeit verrichten. Und es erscheinen von außen Menschen wie – der uns kommende Woche besuchende österreichische Vizekanzler – Herr Strache oder wie Herr Salvini, und sie sagen: „Meine Herren, die Dinge laufen schlecht, sprechen wir offen. Hier und hier und hier muss etwas geändert werden.“ Das tut immer gut. Das tut den Menschen gut, das tut der Wirtschaft gut, das tut der Politik gut. Ich feiere also Herrn Salvini als einen begeisterten Menschen, der genauso denkt wie wir, der engagiert ist und der Europa verändern will. Und solche brauchen wir in den kommenden Jahren.
Sie sind nach Röszke gefahren, und Herr Salvini hat sich angesehen, auf welche Weise die ungarische Regierung auf dem Festland die Grenze verteidigt hat. Er besitzt ja Erfahrung darin, dass man sie auch auf dem Meer verteidigen kann. Es ergibt sich die Frage, warum das, was auf der Ebene der Mitgliedsstaaten geht, nicht auf der Ebene der Europäischen Union funktioniert?
Zunächst einmal habe ich mich bei Herrn Salvini beklagt. Ich sage nicht, ich hätte mich an seiner Schulter ausgeweint, das wäre vielleicht übertrieben, doch habe ich geklagt, dass hier die Europäische Union ist, voller Geld, und hier ist dieser Grenzzaun, der die Migration aufgehalten hat. Er hat die Balkanroute geschlossen. Das ist der größte europäische Erfolg in der Frage der Migration. Und anstatt dies als einen gemeinsamen Erfolg zu betrachten und ihn zu feiern – denn wir sollten nicht vergessen, es waren auch Tschechen, Polen, Österreicher und Slowaken unter denen, die die ungarische Grenze geschützt haben, die zum Helfen gekommen sind –, also anstatt ihn zu feiern, wird er permanent kritisiert. Für jeden Blödsinn, Verzeihung wegen des Ausdrucks, gibt es Geld, aber um Ungarn den Grenzschutz mindestens bis zu fünfzig Prozent zurückzuerstatten, denn wir verteidigen ja auch die Außengrenze Europas und nicht nur Ungarn, das fällt ihnen nicht einmal ein. Und auch für den kommenden Zeitraum wollen sie einen Haufen Geld gerade für den Grenzschutz auf die Weise ausgeben, dass sie es nicht jenen geben, die die Grenze gut schützen, sondern auf irgendeine andere Weise. Also anstatt dem Salvinischen Italien oder der durch mich geleiteten ungarischen Regierung und Ungarn die zum Grenzschutz notwendige Summe zu geben, werden sie von Brüssel aus den Schutz unserer Grenzen lösen.
Na, sie haben aber doch versprochen, zumindest die Hälfte zu bezahlen. Nicht nur einmal, vielleicht.
Nun, hierfür haben die Ungarn zwei Redewendungen. Die eine lautet. „Der Dachboden ist voll von Versprechungen.“ Ich glaube es, wenn ich es sehe. Und die zweite, die wir noch aus dem Sozialismus mit uns gebracht haben, lautet: „Wir waren noch nie so arm, dass wir nicht hätten Versprechungen machen können.“ Nun, jetzt geht es Brüssel damit genau auf diese Weise.
Sie hatten dahingehend formuliert, jene Richtung wäre die richtige, die auch Salvini vertritt. Man müsste mit ihm kooperieren. Doch anscheinend gibt es hierfür in der Europäischen Volkspartei keine Offenheit. Was hat dann jetzt das für eine Bedeutung, vor allem für uns, Ungarn, dass die Wahlen zum Europäischen Parlament kommen? Und es wird sich entscheiden, was geschieht?
Wir sprechen viel über die europäischen Parteien, was vielleicht unbegründet ist, also das Ausmaß. Denn letztlich gibt es zwar eine Europäische Volkspartei und natürlich gibt es die Sozialdemokratische Partei Europas, und es gibt auch die europäischen Liberalen, doch besitzt dies keine so große Bedeutung. Von großer Bedeutung ist, was für führende Politiker die Europäische Union nach den Wahlen haben wird. Wer die Europäische Kommission leitet, und wer den Rat der Ministerpräsidenten, in dem ich Ungarn vertrete, leiten wird. Es gibt noch Dinge wie die Europäische Zentralbank, und es gibt noch wichtige Posten, doch diese beiden sind von entscheidender Bedeutung. Die Frage ist, ob diese beiden Posten von Politikern besetzt sein werden, die für oder die gegen die Einwanderung sind. Und ich halte es für eine sekundäre Frage, welchem Parteienbündnis sie angehören. Das ist eher eine staatspolitische Frage. Ich würde also aus dem Grenzschutz keine Parteienfrage machen. Die Sicherheit ist keine Parteienfrage. Auf Parteigrundlage kann man ein Land nicht schützen. Auf nationaler Grundlage kann man ein Land schützen. Das ist eine Regierungsaufgabe. Wir müssten also Politiker zu Posten kommen lassen, die gegen die Einwanderung sind. Auch hierzu bitte ich um die Unterstützung der ungarischen Wähler. Wenn sie also wählen gehen, bitte ich sie aus dem Grunde, mein Programm, die ungarische Regierungspartei, die Regierung zu unterstützen, denn auf diese Weise kann ich, können wir in Brüssel eine Wirkung darauf ausüben, dass nicht ein auf Seiten der Einwanderung stehender Mensch, sondern ein diese ablehnender auf den wichtigsten Posten gelangt. Davon hängt alles ab. Die Frage der Partei ist sekundär.
Der Spitzenkandidat der Volkspartei, Herr Weber, sagt, der Grenzschutz sei sehr wichtig, doch würde er ihn mit den Quoten verbinden. Dies hält Ungarn ja nicht für akzeptabel. Und Italien sagt, der Grenzschutz sei wichtig, und deshalb müsse man mit den äußerst vielen Einwanderern, die dort bei ihnen sind, etwas machen. Hierin stimmt also die Meinung der ungarischen und der italienischen Seite nicht überein. Zugleich gibt es einen Vorschlag von Ihnen, der besagt, man müsse den Rat der Schengen-Innenminister aufstellen, und diese Frage werden sie dann lösen können. Doch was ist die Garantie dafür?
Die Innenminister denken anders als die Politiker. Natürlich kommen auch die Innenminister mit der Politik in Berührung, doch sind sie grundsätzlich mit der dunklen Seite des tatsächlichen Lebens in Kontakt. Sie wissen also, wie man mit den Problemen umgehen muss. Diese eleganten Brüsseler Bürokraten, deren Sätze – ich sage es noch einmal – man kaum verstehen kann, diese Menschen haben keine Ahnung davon, was in der Wirklichkeit „Röszke“ bedeutet, was „Grenzzaun“, was in der Wirklichkeit „Migrant“, was „der den Polizisten attackierende Migrant“ bedeutet. Sie wissen nicht, mit welchen Gefahren es verbunden ist, auf nicht zu identifizierbaren Bankkarten Geld zu geben. Sie verstehen nicht, dass sie zusammen mit den Migranten auch den Terrorismus nach Europa hereinholen, denn in Brüssel, in ihren Ämtern und ihren gut geschützten Wohnungen, dort gibt es keine Terrorgefahr. Damit möchte ich also sagen, dass ein Innenminister eine Art von Politiker ist – wenn ich so formulieren darf –, der dem Problem, das jetzt gelöst werden muss, sehr nahe steht, und nachdem Brüssel dieses Problem über Jahre hinweg nicht hat lösen können, sollten wir uns nicht einreden, dass es das noch tun wird. Blicken wir den Realitäten ins Auge, und beauftragen wir jene, die sich damit beschäftigen können. Dies hat übrigens Brüssel auch mit der Frage der Finanzen getan. Es gibt ja eine Gruppe von Ländern in der Europäischen Union, die eine gemeinsame Währung besitzen, den Euro. Mit den Fragen des Euro beschäftigen sich nicht die Ministerpräsidenten in Brüssel. Mit den Fragen des Euro beschäftigen sich nicht die Brüsseler Bürokraten. Oder wenn sie sich auch mit ihnen beschäftigen, so ist nicht ihr Wort entscheidend. Entscheidend ist der separate, aus den Finanzministern der den Euro gebrauchenden Länder aufgestellte Rat, denn die Finanzminister sind den Fragen des Geldes am nächsten. Deshalb überlässt man dies ihnen. Natürlich müssen die großen strategischen Entscheidungen die Ministerpräsidenten aussprechen, doch wie man mit den Finanzangelegenheiten umgehen soll, dafür gibt es eine bewährte und erfolgreiche Methode in Brüssel. Dieses Recht hat man nicht Brüssel gegeben. Der Rat der Finanzminister ist nicht den Brüsseler Bürokraten untergeordnet. Er ist den nationalen Regierungen unterstellt, und arbeitet als ein Rat, wie ich ihn im Übrigen im Fall der Innenminister empfehle. Nun, die Frage der Verknüpfung mit den Quoten. Sprechen wir geradeheraus, wir befinden uns im Wahlkampf, nicht wahr. In solchen Situationen ist die Diplomatie nicht unwesentlich, aber sekundär. Die Deutschen wollen jene loswerden, die sie dummerweise, ohne es genauer zu durchdenken, in ihr Land hereingelassen haben. Sie haben sie hereingelassen, und dann haben sie erkannt, das wird ein Problem werden. Und diese möchten sie verteilen. Sie wollen sie loswerden. Während sie also humanitäre Argumente anführen, handelt es sich dabei um den simpelsten migrantenfeindlichen Reflex. „Wir haben sie hereingelassen, die Sache funktioniert nicht, wir haben viele Probleme mit ihnen. Also sollt Ihr sie mit Euch nehmen!“ Das ist meiner Ansicht nach keine gute Annäherung. Wenn sie sie hereingelassen haben, dann sollen sie sie auch nehmen. Wie man auf dem Dorf zu sagen pflegt: „Wer es gepflückt hat, der soll daran auch riechen.“ Das haben sie also sich selber eingebrockt. Wir helfen übrigens gern, aber nicht so, dass wir dabei damit Ungarn kaputtmachen. Wir können den Deutschen und auch den Italienern auf die Weise helfen, und hierbei ist es mir bereits gelungen, mit Herrn Salvini übereinzukommen, indem wir deklarieren, dass man sie nach Hause bringen muss. Nicht verteilen muss man die Migranten, sondern nach Hause bringen. Das ist möglich. Wir versuchen hierin ein Beispiel zu geben. Ein kleines Beispiel, wir sind kein so großes Land, um die europäischen Debatten zu dominieren, aber wir haben ein Programm namens „Hungary Helps“, und wir geben über die wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten der ungarischen Menschen und der ungarischen Wirtschaft hinaus, ausgesprochen aus humanitären Erwägungen, aus christlicher Verantwortung viel Geld für den Wiederaufbau jener Städte, Dörfer, Schulen, Krankenhäuser, Kirchen, Friedhöfe und Universitäten aus, die dort zu finden sind, woher die Migranten gekommen sind. Und wir tun dies, weil – darüber hinaus, dass wir helfen wollen und auch wir ein Herz haben – wenn wir diese Siedlungen nicht wiedererrichten, dann wird es nichts geben, wohin man zurückgehen könnte. Doch dazu sind zwei Dinge nötig: Diese müssen wiederaufgebaut und die Migranten müssen zurückgeschickt werden. Man muss sie nach Hause bringen. Dies ist meiner Ansicht nach die Lösung, und nicht unter Betonung heuchlerischer Menschenrechtslosungen jene, die sie nicht brauchen – den die besten haben sie ja schon herausgesucht – dann unter den anderen Ländern zu verteilen, denn diese sind ja doch solche Einfaltspinsel und auch so klein, dass wir ihnen dies aufzwingen können. Dieses Verhalten ist inakzeptabel. Verzeihung, dass ich derart schlichtweg formuliere, doch die ungarischen Menschen stehen vor einer wichtigen Entscheidung, wir sind im Wahlkampf. Man muss die Dinge beim Namen nennen.
Ja, aber sagen wir, dies formuliert Präsident Macron auf die Weise, dass jene Länder, die nicht solidarisch sind, die auf die Verteilung wartenden Migranten nicht aufnehmen wollen, die sollten aus dem Schengen-Raum ausgeschlossen werden. Schon wieder ein Ultimatum.
Man muss eben höflich reden, wie ich gesagt hatte, wir respektieren Herrn Präsidenten Macron, aber zum Glück genießt Frankreich keinen Sonderstatus in der Europäischen Union. Wenn er also von den gegenwärtig gültigen Schengen-Regeln abweichen will, dann muss man zuerst den Vertrag modifizieren. Das wird nicht gehen. Ich lasse es ihm ausrichten, dass es keinen Sinn hat, dies zu versuchen.
Sie waren Ende der vergangenen Woche in China auf der Wirtschaftskonferenz „Ein Gürtel, eine Straße“, wo sie zusammen mit den führenden Politikern anderer 36 Staaten und Länder verhandelt haben. Sie haben jene Vereinbarungen als sehr erfolgreich bezeichnet, die Sie dort abgeschlossen haben. Was ist die Ursache für diesen Erfolg? Dass wir nicht hinter den bereits sich angeschlossenen 126 Ländern zurückgeblieben sind?
Das hat zwei Gründe. Die erste Sache ist die, dass wenn wir uns die über China ausgebildeten Regierungsmeinungen im Westen anschauen, dann sehen wir zweierlei Meinungen. Es gibt Länder und Ministerpräsidenten, Völker, die den Aufstieg Chinas als gefährlich ansehen. Hierüber sprechen sie Tag und Nacht. Das erklären sie, davon möchten sie ihre eigenen Wähler überzeugen. Der Aufstieg Chinas: eine Gefahr. Und es gibt eine andere Gruppe der Länder, Ungarn gehört hierzu, und ich vertrete diese Politik mit Freuden, die sagt, der Aufstieg jedweden Landes in der Welt ist niemals eine Gefahr, sondern das ist immer eine Chance. Wir werden sehen, ob er eine gefährliche Wendung erhält. Doch vorerst ist das, was wir mit Sicherheit sagen können, dass es eine gewaltige Chance ist, denn die Weltwirtschaft erweitert sich um 1 Milliarde und 400 Millionen Menschen. Ein bisher verschlossenes Land wird zu einem Teil der Weltwirtschaft. Nun ist ja Ungarn ein Land, dem man seine Rohstoffquellen, seine Rohstoffe, seine Energiequellen weggenommen hat. Wir haben alle möglichen Probleme in den vergangenen hundert und einigen Jahren gehabt, deshalb kann Ungarn nur darauf aufbauen, dass es arbeitet. Wir werden also soweit kommen, soweit uns unsere Muskeln und unser Geist uns tragen. Wenn wir aber jene Produkte, die wir mit der Kraft unserer Muskeln und unseres Gehirns in Ungarn herstellen, nur auf dem Markt der zehn Millionen ungarischen Menschen verkaufen könnten, dann würde das ungarische Lebensniveau etwa ein Drittel dessen betragen, das wir jetzt besitzen. Ungarn ist also ein Land, in dem Lebenskraft steckt, selbst wenn man uns unsere natürlichen Kraftquellen genommen hat, doch menschliche Kraft, Kreativität, Lebenskraft gibt es. Wir stellen äußerst wertvolle Produkte her, die, wenn wir sie in der Welt verkaufen können, es uns ermöglichen, dreimal besser zu leben, als wenn wir sie nicht verkaufen könnten. Das ist jetzt die Situation. Wir schreiten auf dieser Route voran. Und China bedeutet für uns eine riesige Möglichkeit. Das ist die ungarische Annäherung. Andererseits ist die Kooperation von China und einer Gruppe von westeuropäischen Ländern aus dem Grund ein großer Erfolg, da wir eine Unternehmung von welthistorischer Bedeutung – die Wendung klingt vielleicht schon etwas abgenutzt, doch hier ist sie vielleicht nicht unbegründet – in Angriff genommen haben, als wir sagten, wir verbinden Europa mit Asien. Wir sprechen von unglaublichen Entfernungen, und wenn die Schauplätze nicht miteinander verbunden sind, dann kann man keinen Handel treiben, dann funktioniert der Welthandel in dem Teil der Welt nicht. Und so können auch wir nicht exportieren. Jedoch haben die Chinesen gesagt, sie seien erfolgreich genug und sie entwickeln sich schnell genug, um die am Handel mit China interessierten Länder in einem Programm, in einem großen Wirtschaftsprogramm zu organisieren, dessen Wesen darin besteht, in der Luft, auf der Schiene und auf der Straße unsere Länder miteinander zu verbinden. Und sie sind bereit, hierfür Fachwissen zu geben, sie sind bereit, politische Konsultationen zu organisieren, auch Finanzquellen zu sichern, und sie sind auch bereit, die Handelsabkommen abzuschließen. Jetzt nehmen wir hieran teil. Wer hieran teilnimmt, wird der große Gewinner der kommenden zehn-zwanzig Jahre sein. Wer hieran nicht teilnimmt, der bleibt zurück.
Es gibt eine alte, jedoch von Zeit zu Zeit zum Vorschein kommende Kritik oder Anklage der Opposition, die ungarische Regierung würde Ungarn von Europa, von dem Westen wegreißen und sich nach Osten orientieren, und dies berge eine gewaltige Gefahr in sich. Sie haben ja vor China in Kasachstan verhandelt. Sie sagen, warum geht der ungarische Regierungschef in den Osten, um mit autokratischen Führern zu verhandeln? Das ist nicht gut so.
Schauen Sie, ich muss sagen, die Kenntnis der Wirklichkeit wäre schon eine große Hilfe. Jene also, die diese Meinungen formulieren, kennen die grundlegenden Tatsachen nicht. Also die westlichen Länder, sagen wir Deutschland, stellen wir in dieser Hinsicht nicht in Frage, nicht wahr? Deutschland ist uns um Längen im Handel mit den Chinesen voraus. Wir wollen also aufschließen. Das große Geld, wenn ich so formulieren darf, den großen Profit,…
Haben andere schon weggetragen?
Noch nicht, aber bis jetzt haben ihn die Deutschen, die Franzosen mitgenommen. Die Franzosen haben gerade den Chinesen dreihundert Flugzeuge verkauft. Der chinesisch-amerikanische Handel – und wir können auch Amerika ruhig zum Westen zählen – läuft auf der höchsten Stufe, auch trotz aller Diskussionen. Wer also sagt, die Ungarn sollen nicht mit dem Osten Handel treiben, mit den Russen, den Kasachen und den Chinesen, denn das westliche Verhalten legt dies nicht nahe, die wissen nicht, wie die Wirklichkeit aussieht. Die Leben in einem Traum, oder ich weiß nicht, im Delirium, denn die Realität ist, dass die Franzosen, die Amerikaner, die Engländer, die Deutschen und die Italiener mit Volldampf auf diesem Markt präsent sind und jene auslachen, die diese frommen Sprüche darüber glauben, dass die Zusammenarbeit mit dem Osten gar keine so schöne Sache sei. Sie sagen solche Dinge, doch gleichzeitig sehe ich in Wirklichkeit die Zahlen. Sie machen Geld, das Geschäft läuft. Jetzt sollte die Regierung Ungarns sich nicht wie ein Einfaltspinsel, nicht wie ein Trottel anstellen, sollte nicht ungeschickt und naiv sein, denn so kann man die Interessen der ungarischen Menschen nicht vertreten. Natürlich gibt es Tugenden und Werte, die uns wichtig sind, doch sollten wir das nicht mit dem Handel und der Herstellung von Geld verwechseln sowie der Steigerung des ungarischen Exports verwechseln, genauso wie dies auch die mit uns im gleichen Bündnissystem befindlichen Westler nicht miteinander verwechseln.
Ja, dann ist das ein pragmatischer Gesichtspunkt, dass die Kooperation des Ostens und des Westens sehr wohl notwendig ist, damit Mitteleuropa erfolgreich ist? Nur hierauf sagen sie, es kann sein, dass die Eisenbahnlinie Budapest-Belgrad gut sein wird, doch wird sie sich dann im Laufe von 130 Jahren amortisieren. Ich weiß nicht, woher sie die Zahlen nehmen, aber es gibt so ein Gegenargument.
Nun, weil die Zahlen nicht widersprechen können. Sagen kann man es. Warum sagen sie nicht gleich fünfhundert Jahre? Das entbehrt alles einer Grundlage, wie es sich amortisiert und dass es sich nicht amortisiert. Das wird davon abhängen, wie viele Waren genau auf der Linie transportiert werden. Und das hängt wiederum davon ab, wir wichtig der Hafen von Piräus, den die Chinesen gekauft haben, auf der Seidenstraße sein wird. Je stärker wir an dem Ausbau der Seidenstraße teilnehmen, desto eher macht sich dann auch diese Investition bezahlt. Doch hinzu kommt noch, dass wir gar keine Geschäftsleute sind. Wir müssen nicht in der Dimension denken, ob etwas sich in zwei Tagen bezahlt macht oder auf welche Weise es sich noch schneller rentiert. Wir müssen darauf achten, was langfristig den Interessen der ungarischen Nation dient. Und dem Interesse der ungarischen Nation dient es, wenn im Falle der aus südlicher Richtung, aus China, sich Ungarn von Süden annähernden Transporten die Route über Ungarn führt. Denn daraus machen wir Geld, daraus haben wir Einnahmen. Deshalb ist nicht die Frage, ob es sich amortisiert, sondern über einen wie langen Zeitraum hindurch es für Ungarn einen Nutzen erwirtschaften wird. Von der Kleinigkeit rede ich erst gar nicht, dass Belgrad und Budapest nicht sehr weit von einander entfernt liegen, dreihundert und einige Kilometer, und heute braucht man sieben-acht Stunden, damit ein serbischer oder ein ungarischer Mensch, oder von beiden Seiten ein ungarischer Mensch den anderen von Belgrad aus in Budapest besuchen kann. Wenn wir jetzt die Strecke bauen, dann wird dies auf zwischen zwei und drei Stunden zurückgehen. Und es ist in unserem Interesse, dass jede Route, die in der Region nach Westeuropa führt, möglichst durch Ungarn verlaufen soll. Das verursacht zwar Unannehmlichkeiten, viele schwere Lastkraftwagen usw., doch besitzt es einen unschätzbaren wirtschaftlichen Nutzen. Und zum Abschluss empfehle ich einem jeden zu bedenken, dass wenn wir überblicken, welche Vorteile, welche Wettbewerbsvorteile Ungarn im Vergleich zu den anderen Ländern besitzt, dann steht an erster Stelle besonders – da wir ja nach dem Ersten Weltkrieg unsere Gebiete verloren haben, und wir den der Größe entspringenden Vorteil nicht mehr besitzen, denn Ungarn ist zusammengeschrumpft –, dann ist unser größter Vorteil unsere geographische Lage. Und deshalb rentiert sich für die ungarische Wirtschaft jede Investition, die unsere geographische Lage ausnutzt, doppelt.
Wir haben noch eine Minute. Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika hat Sie zu einem Arbeitsbesuch nach Washington eingeladen, und zwar in diesem Monat. Wie groß ist die Bedeutung dessen? Seit 14 Jahren war kein ungarischer Ministerpräsident mehr in Washington.
Begegnet bin ich den jeweiligen amerikanischen Präsidenten zwar schon mehrfach, denn Ungarn und die Vereinigten Staaten sind Mitglieder der NATO, und die NATO hält regelmäßig Beratungen, Gipfeltreffen mindestens alle zwei Jahre ab, und dort sprechen wir immer miteinander, ebenso wie in Brüssel auf den Gipfeltreffen der Ministerpräsidenten. Die amerikanisch-ungarischen Beziehungen existierten auf höchster Ebene, nur gab es keine zweiseitigen Gespräche. Jetzt liegt die Bedeutung dieser Angelegenheit darin, dass es eine Auffassung in der Welt gibt, die UNO vertritt diese, nach der die Migration ein Menschenrecht sei, und wenn jemand von irgendwo weggehen will, aus seiner eigenen Heimat irgendwo anders hingehen möchte, dann müsse man ihm dies erlauben, ja, man müsse dies sogar finanziell unterstützen. Und es gibt einige von uns auf der Welt, Größere und Kleinere, die dies nicht gerne sehen. Die Vereinigten Staaten von Amerika halten dies eindeutig für gefährlich. Auch wir vertreten diesen Standpunkt. Und innerhalb der UNO gehören wir einer Gruppe an, die jene internationalen Bestrebungen zu verhindern versuchen, die die Migration ermuntern und im Weltmaßstab ausbreiten wollen. Deshalb wird eine der wichtigsten Fragen der Besprechung sein, wie wir hierin, im Auftreten auf internationalen Foren gegen die Migration in der Zukunft werden zusammenarbeiten können. Und natürlich wird es wirtschaftliche Fragen geben, denn die amerikanisch-ungarischen Wirtschaftsbeziehungen entwickeln sich ausgezeichnet. Nach der EU sind die Vereinigten Staaten einer unserer wichtigsten oder vielleicht der wichtigste Partner. Es wird also von Geld, Migration und Wirtschaft die Rede sein.
Ich wünsche Ihnen gute Gespräche!
Vielen Dank!
Sie hörten Ministerpräsidenten Viktor Orbán.
(miniszterelnok.hu)