1. Dezember 2015. Teheran (تهران)

Good morning Ladies and Gentlemen.

First of all, may I express how great a moment this is to all of us coming from Hungary to be here with you. I would like to welcome the honourable leaders of the university, the students and the respected members of the Iranian Government. It is a rare occasion for you to see Hungarians here – especially a Prime Minister – so I would not like to deprive you from enjoying the beautiful Hungarian language. So, I will continue in Hungarian, if you don’t mind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, hoch verehrte Mitglieder der Regierung des Iran, ehrwürdige Magnifizenzen der Universität, liebe Studierende!

Wir sind aus dem Grunde hierher, in Ihre Hauptstadt gekommen, weil seit 27 Jahren kein ungarischer Ministerpräsident hier im Iran gewesen ist. Dies ist ein unhaltbarer Zustand. Im Falle zweier auf ihre Vergangenheit stolzer, in der Gegenwart sich bewährender und mit ihrer Zukunft große Hoffnungen verknüpfender Völker ist es ein unnatürlicher Zustand, dass es über 27 Jahre keine Beziehungen zwischen ihren Regierungen auf höchster Ebene gibt. Gestern ist uns aber jene Ehre zuteil geworden, dass wir vom Ersten Vizepräsidenten empfangen wurden, heute konnten wir Ihren Präsidenten und auch Ihre höchsten religiösen Führer treffen. Der jetzige Augenblick ist ein herausragender Moment dieses Besuchs in Teheran.

Wenn Sie in Ungarn die Menschen auf der Straße fragen würden, was sie zu Ungarn macht, wie sie sich selbst bestimmen würden, dann würden die meisten von ihnen die Kultur erwähnen. Ungarn sind jene, die die ungarische Sprache beherrschen und zur in ungarischer Sprache errichteten Hochkultur gehören. Dies ist in Europa inzwischen eine ziemlich seltene Sache. Sie wissen sicherlich, dass Ungarn ein säkularer moderner Staat ist, der sich seiner Natur nach wesentlich von Ihrer islamischen Republik unterscheidet, trotzdem, wenn Sie das Ungarische beherrschten – wozu ich Sie im Übrigen ermuntere –, dann hätten Sie vorhin unsere Nationalhymne verstehen können, welche Hymne auf in Europa allein stehende Weise kein kämpferischer Marsch, kein altes traditionelles Volkslied ist, sondern ein Gebet. Die Nationalhymne Ungarns ist ein Gebet, das mit Gottes Namen beginnt, was im Übrigen mit der ersten Zeile unserer Verfassung übereinstimmt, die Gottes Namen anführt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Auf Grund dessen kann ich Ihnen sagen, dass ich Sie jetzt als Ministerpräsident eines in Europa einzigartigen Volkes hier begrüße. Dies ist nicht unser Verdienst; zum Christentum gehört die Demut notwendigerweise dazu, deshalb müssen wir einsehen, dass dies nicht unser Verdienst, sondern unsere Gabe ist: Wir sprechen eine eigentümliche Sprache, wir gehören zu einer besonderen Kultur. Auch in der Union, in der Europäischen Union – deren Mitglied wir sind – betrachtet man uns als die östlichsten Europäer oder als die westlichsten Ostleute. Mit diesen Worten, mit dieser Beschreibung wollen sie andeuten, dass das ungarische Volk in Europa ein Ankömmling sei. Und so ist es auch, das ungarische Volk kam vor tausendeinhundert Jahren aus dem Osten in seine heutige Heimat, in Mitteleuropa, im Karpatenbecken an. Wir sind vor tausendeinhundert Jahren angekommen, und seitdem ist es uns gelungen, sowohl unsere Kultur als auch unsere Sprache und auch einen ansehnlichen Teil unserer früheren Territorien zu erhalten. Wir sind der Ansicht, dass wir unsere eigentümliche Kultur nicht nur bewahrt, sondern auch bereichert haben, denn wir versuchen bis auf den heutigen Tag die aus dem Osten mitgebrachte Weisheit mit der westlichen Rationalität zu vereinen, und daraus ist eine spezifisch ungarische Denkweise entstanden, die im Verhältnis weit über die Zahl der zehn und einigen Millionen Ungarn hinausgehend der gesamten Menschheit auf höchster Ebene Wissenschaftler und Künstler geschenkt hat. Wir Ungarn sind also stolz auf unsere Herkunft, und wenn wir ein Gedicht eines persischen Dichters übersetzen oder wenn wir die über Persien verfassten Berichte unserer ungarischen Entdecker aus dem 18-19. Jahrhundert lesen oder eben die aus der persischen Sprache ins Ungarische übernommenen Lehnwörter überblicken, dann haben wir das Gefühl, unserer eigenen Abstammung näher zu kommen, immer weitere Einzelheiten unserer selbst zu verstehen. Das ist der Hintergrund, sehr geehrte Leiter der Universität, geehrter Herr Minister, der es verständlich macht, warum es für uns Ungarn eine Ehre ist, dass die Teheraner Medizinische Universität zum 150. Jahrestag des Todes von Ignác Semmelweis mit unserer Hilfe und Unterstützung das erste Semmelweis-Denkmal im Iran errichtet. Und es ist auch eine Ehre für uns, dass wir heute gleichzeitig das Denkmal von Ignác Semmelweis, dem „Retter der Mütter“, und jenes von Ibn Sina, dem „Fürsten der Ärzte“, einweihen können.

Liebe Studierende!

Als in Europa der Buchdruck erfunden wurde, ergab sich sofort die Frage, welche denn für die damaligen europäischen Menschen die wichtigsten und wertvollsten Bücher seien, die man schnellstens für den Druck vorbereiten müsste, um sie drucken zu können, damit möglichst viele Menschen sie lesen können. Unter den ersten gedruckten Büchern befand sich selbstverständlich die Bibel, die unser heiliges Buch ist, doch gab es auch ein anderes Buch, das ähnlich schnell und mindestens genauso oft ausgedruckt wurde wie die Bibel, und dies war Ibn Sinas, oder wie wir ihn in Europa kennen: Avicennas „Kanon” betiteltes Buch. Und hierin war für die damaligen europäischen Menschen nichts Überraschendes. Die Studenten der Medizin hatten nämlich damals bereits schon seit Jahrhunderten aus dem Kanon gelernt, wie man einzelne Krankheiten diagnostizieren, heilen und wie man diesen vorbeugen muss. Europa konnte unter anderem aus dem Grunde später die Lehren der antiken Weisen wieder entdecken, weil die Bibliotheken Persiens sie bewahrt und seine Wissenschaftler sie gepflegt, und diese Tradition weitergeführt haben. Diese Momente unserer Kulturgeschichte zeigen sehr gut, warum es eine natürliche Sache ist, dass wir heute gemeinsam in diesem Saal sind.

Irgendwann Mitte der 1800-er Jahre kam aus Ungarn an der Wiener Gebärklinik ein ungarischer Arzt an. Wie das unter den Ungarn so häufig ist, war er ein rebellisch denkender Arzt, der auf seine Forschungen und Erfahrungen aufbauen herausfinden wollte, welche Gründe zur Entstehung des Kindbettfiebers führen, und was man tun könnte, um die Zahl der hieran sterbenden Frauen zu senken. Er präsentierte eine eindeutige, einfache Lösung, die sich als äußerst effektiv erwies: Nach der Einführung des gründlichen Händewaschens mit einer Desinfektionslösung fiel die Sterberate von früher 20-30 Prozent sofort auf 1-2 Prozent zurück. Er war ein Ungar, und auch sein Schicksal war ein ungarisches: Seine Entdeckung und die Einführung seiner strengen Hygieneverfahren brachten ihm sehr viele Feinde. Dies ist ein ungarisches Lebensgefühl: Du willst der Welt Gutes tun, und als erster Schritt erhältst du zur Belohnung Feinde. So erging es auch Ignác Semmelweis. Er hatte ein kurzes und bitteres Leben, schließlich erhielt auch sein Lebenswerk erst nach seinem Tode die Anerkennung, und erst viel später begann man ihn zu den Großen der universalen Medizin zu zählen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Heute weihen wir also die Denkmäler zweier solcher Riesen des Geistes ein, auf die wir zu Recht stolz sein können. Beide waren Ärzte, herausragende Gestalten der edelsten und schwierigsten Profession, die mit ihrem Lebenswerk tiefe Spuren in der universalen Medizinwissenschaft hinterlassen haben: der den Kanon der Medizin erschaffende Ibn Sína und der gegen die engstirnigen Ansichten seiner Zeit den Kampf aufnehmende Ignác Semmelweis. Scheinbar sind sie weit voneinander entfernt, als ob ihre Namen für zwei verschiedene Welten stünden, trotzdem: Wenn wir sie aus der entsprechenden Perspektive betrachten, dann sehen wir jene Ähnlichkeit, die die Erkenntnis eines Gebotes ist. Es lautet: „Sammle alles, um heilen zu können, und habe den Mut, all das abzulehnen, was du gelernt hast, wenn dies dem Heilen im Wege steht.”

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Selbstverständlich wären wir heute hier nicht so zahlreich anwesend, wenn diese beiden Denkmäler nur medizinwissenschaftliche Bedeutung besäßen, jedenfalls wären hier Regierungsdelegationen mit Sicherheit nicht anwesend. Es würde ausreichen, wenn Wissenschaftler ihre Ehrerbietung bezeugten. Aber die Tatsache, dass hier die Vertreter sowohl der iranischen als auch der ungarischen Regierung anwesend sind, verdeutlicht sehr gut, dass die beiden Denkmäler mehr als die Wissenschaft oder außer der Wissenschaft auch etwas anderes symbolisieren. Wir sind heute hierher, an Ihre Universität gekommen, weil wir überzeugt sind, dass diese doppelte Denkmalseinweihung auch jenes freundschaftliche Zusammenwirken symbolisiert, das zwischen dem Iran und Ungarn entstanden ist. Wie ich es erwähnt habe, erlernten im Mittelalter zahlreiche ungarische Studenten die Wissenschaft der Medizin mit Hilfe des „Kanon“ von Ibn Sina, und heute kann ich Ihnen sagen, dass bisher in den vergangenen Jahren mehr als viertausend iranische Studenten in Ungarn ihr Diplom erworben haben und auch in diesem Studienjahr 1.116 iranische Studenten an ungarischen Universitäten, die meisten von ihnen gerade an der Semmelweis Universität studieren. Die Immatrikulation der iranischen Studenten an ungarische Universitäten wird durch das seit 1995 tätige Avicenna College unterstützt, dessen Vorsitzender der iranische Arzt Shahrokh Mirza Hosseini ist, der sein Studium in Ungarn absolviert und sich dort niedergelassen hat – wir möchten ihm auch an dieser Stelle unsere Anerkennung und unseren Dank für seine Arbeit aussprechen.

Als einen weiteren Meilenstein unserer Zusammenarbeit haben unsere Außenminister in diesem Frühjahr den neuen ungarisch-iranischen Bildungs- und Wissenschaftsarbeitsplan ratifiziert. Und im September dieses Jahres haben wir darüber entschieden, unseren iranischen Freunden hundert „Stipendium Hungaricum“-Stipendien zu verleihen. Diese sind Stipendien, die der ungarische Staat den iranischen Studierenden gewährt, damit sie zu uns zum Studieren kommen. Auch hieraus können Sie ersehen, dass Ungarn mit Respekt und Hochachtung sich dem Iran annähert. Wir sind stolz darauf, dass iranische Jugendliche ungarische Universitäten zum Studieren wählen. Dies ist im Falle einer so großen Kultur und Zivilisation, wie es der Iran ist, eine große Ehre für uns.

Sehr geehrte Studierende und Lehrende!

Ich bin der Überzeugung, dass das Denkmal von Ignác Semmelweis keinen würdigeren Platz hätte finden können. Die Inschrift darauf lautet, wie Sie es sehen werden: „Wir wünschen, dass dieses Denkmal die Erinnerung an Ignác Semmelweis, den Retter der Mütter, bewahre!” Und ich bitte Sie, sich daran zu erinnern, dass dreitausend Kilometer von hier entfernt ein Volk existiert, das auch heute reich an wissenschaftlichen Geistern und Erfindungen ist, und das gerne seine Erfahrungen mit seinen Freunden austauscht. Ein besonderer Dank gilt dem hier in unserer Gesellschaft weilenden Bildhauer István Madarassy, der dieses herausragende Kunstwerk erschaffen hat. Über seine Person hinaus möchte ich der Teheraner Medizinischen Universität meinen Dank aussprechen, ich danke der Semmelweis Universität, denen, auf die die Idee zurückgeht, und ich danke auch all jenen, die an der Verwirklichung der Idee teilgenommen haben. Ich wünsche mir, dass dieses Denkmal unsere alte Freundschaft und die in die historische Vergangenheit zurückreichende Zusammenarbeit zwischen dem Iran und Ungarn auf dem Gebiet der Wissenschaft und der Bildung symbolisieren soll!

Gott erhalte Sie!

(Cabinet Office of the Prime Minister)