30. Oktober 2015, Budapest
Es ist auch ein Zeichen der Zeit, wie schnell man zum Rednerpult gelangt. Vor zwanzig Jahren ging das noch einfacher.
Ich begrüße Sie hochachtungsvoll! Ich wünsche Ihnen einen guten Tag, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Dankbaren Herzens danke ich für die Möglichkeit, dass Sie mich heute hierher, auf diese Beratung eingeladen haben, und ich danke Ihnen dafür, dass Sie meine Wortmeldung akzeptieren, die ich mit Freuden übernommen habe, denn für uns, die wir uns von Berufswegen mit den Fragen des öffentlichen Lebens beschäftigen, ist diese Gattung unsere Lieblingsgattung. Dies ist die einzige Gattung, in der die Unvollkommenheit verziehen werden kann. Die Regierungsmitglieder müssen sich regelmäßig in geschlossener, strenger, logischer Ordnung und ebenso aufgebaut äußern. Zum Teil, weil sie diese Anforderung auch sich selber gegenüber stellen, zu einem anderen Teil, weil auch das Fachpublikum diese Erwartung stellt, zu einem weiteren Teil ist dies die Eigenheit der ungarischen Politik, in der die Erwartungen der Intelligenz an die Politik wesentlich höher sind als in vielen Ländern der Welt, eine große Zahl von Ländern Europas hierzu mit eingerechnet. Wie gut es doch ist, dass es jene Momente der Befreitheit gibt, in denen man es sich erlauben kann, zu reagieren, über sich formierende Gedanken zu sprechen, in einer Art schöpferischen Kreis, einer schöpferischen Atmosphäre zu sein, und die gemeinsame Freude des Entstehens von Gedanken zusammen mit der Zuhörerschaft zu erleben. Mit dieser Hoffnung bin ich heute hierher gekommen, und ich bedanke mich noch einmal für die Einladung.
Zunächst möchte ich auf das Gesagte reagieren. Ich habe auch eine eigene Rede, aber die möchte ich dann danach vortragen. Als erstes möchte ich meine Anerkennung jenen ausdrücken, die an dieser Arbeit teilgenommen haben. Wenn Sie es nicht als Unbescheidenheit auffassen, dann würde ich sagen, dass ich meine Anerkennung als jemand aus dem gleichen Metier ausdrücken möchte, denn es war gegeben, dass ich zu zahlreichen Anlässen an der Ausarbeitung von Programmen teilnehmen durfte, und vielleicht wissen von den hier Sitzenden gar nicht alle, was für eine schwierige Aufgabe das ist. Man hat gleichzeitig über die ganze Welt etwas zu sagen, es ist sehr schwer, herauszufinden, was man auslassen soll, was das ist, was man selbst für wichtig hält, doch für den Leser vielleicht gar nicht so wichtig sein wird, damit das ganze einen Sinn, einen Anfang, eine Mitte und ein Ende hat, damit der Leser das Gefühl der Vollständigkeit erhält, während jeder Verfasser am Anfang gesteht, dass es unmöglich ist, die Gesamtheit in diesem kurzen Schriftstück wiederzugeben. Wer sich auf so eine Arbeit einlässt, seinen Namen dazu gibt, der muss über jede Art von Respekt, über die geistige und fachliche Anerkennung hinaus, also auch den Respekt für den Mut zu diesem Unterfangen erhalten. Diesen zolle ich Ihnen jetzt auch.
Der zweite Gedanke, meine zweite Reaktion lautet, dass dies doch eine Tradition in der ungarischen Politik ist. Es gab hierfür unfruchtbare und fruchtbare Varianten, Dezső Szabó, László Németh, ich könnte hier die großen Namen nacheinander aufzählen, die als schriftgelehrte Menschen das Gefühl hatten, sie hätten eine Botschaft, ja vielmehr es sei ihre Pflicht, etwas über die gerade bestehenden Zustände zu sagen, über die drohenden Gefahren und die ihrer Ansicht nach wünschenswerten Richtungen. Diese Tradition hinterließ in der ungarischen Kultur zahlreiche spannende, aber destruktive Werke, und zahlreiche weniger spannende, jedoch konstruktive Werke. Ich gratuliere Ihnen auch dazu, dass Sie an diese Tradition anknüpfen, an die ungarische Tradition des sich Einschaltens, des Einbeziehens, des gemeinsamen Formens, der gemeinsamen Verantwortung. Ich freue mich, dass ich unseren Herrn Bischof Gyulay erneut sehen kann. Es fiel mir ein, als wir uns auf das 1996-er Gespräch vorbereiteten, hatten in der Fidesz mehrere Stimmen gesagt, Gyulay werde das sowieso nicht machen. Verzeihen Sie, aber so wurde es formuliert. Ich sagte, meiner Ansicht nach werde er es machen. Jetzt werde ich ein Wort gebrauchen, das wir für Bischöfe nicht zu benutzen pflegen, ich sagte, meiner Ansicht nach wird er es machen, denn Herr Bischof Endre Gyulay ist ein Bischof mit Mumm. Ich wurde gefragt, woher ich dies nähme? Erstens daher, sagte ich, dass er im Autofahren den Geschwindigkeitsrekord zwischen Szeged und Rom hält, zweitens, weil er immer auf unkonventionelle Weise spricht, und meiner Ansicht nach die Chance bestünde, dass wenn wir uns ihm mit dem nötigen Respekt näherten, er dann auf einer unkonventionellen Veranstaltung, wie es die ’96-er war, und über die ich gleich einige Worte sagen werde, er bereit sein würde, mit uns gemeinsam aufzutreten, unabhängig davon, wie wir das in den damaligen Gesprächen zutreffend zur Sprache brachten, dass er uns zuvor zahlreiche Mahle öffentlich und streng ermahnt hatte, und ich kann nicht sagen, dass er nicht häufig Recht gehabt hat. Ich freue mich, erneut auf dem gleichen Podium mit dem Herrn Bischof stehen zu dürfen. Vielen Dank!
Ich möchte auf einen Gedanken von Pater Osztie reagieren. Ja, sogar auf zwei, ja drei, ja auf vier. Ja. Zunächst einmal hat Pater Osztie uns gesagt, es gelang, 661 problematische Gebiete zu identifizieren. Dies ist nicht die schlechteste Zahl. Die Frage ist jedoch, ob dies viel oder wenig ist? Hierüber habe ich nachgedacht, während ich ihm zuhörte. Und zweifellos erscheinen 661 Probleme als viel, nicht wahr? Im Leben einer Generation ist die Identifizierung so vieler problematischer Gebiete eine ziemlich erschreckende Sache. Aber trotzdem: Warum ich nicht das Gefühl habe, dass diese 661 identifizierten Probleme uns nicht auf den Boden hinunterdrücken. Vielleicht deshalb – hierher habe ich es mir aufgeschrieben –, weil nicht das die Frage ist, wie viele Probleme wir haben. Weil es ist leicht möglich, dass wenn ich meine im Übrigen große Familie zu Hause zusammenrufen würde, und wir dann, so wie wir sind, zu siebt, alle Probleme addieren würden, wir auf eine größere Zahl kämen als 661. Doch ist nicht die Frage, wie groß diese Zahl ist. Sondern die Frage ist, ob wir eine Chance haben, ob wir eine reale Chance besitzen und ob wir jene Chance sehen, diese Probleme zu lösen. In diesem Sinne ist also nicht die Zahl der Probleme, sondern das Verhältnis zu ihnen die Frage. Und tatsächlich: vor 2010 war in Ungarn nicht nur die Zahl der Probleme groß, sondern es fehlten auch die Voraussetzungen zur Lösung der Probleme. Heute atme ich die Luft aus dem Grunde befreiter ein, weil ich das Gefühl habe, wir atmen sie ein, weil die Voraussetzungen für die Lösung der Probleme bereits vorhanden sind, wir sind dieser im Weiteren nicht mehr beraubt. Ich habe mir auch gleich schnell vier solche Sachen aufgeschrieben, die als Voraussetzungen für die Lösung zahlreicher Probleme in Frage kommen können, damit es eine sichere und öffentlich-rechtliche Grundlage gibt. Diese haben wir mit der Verfassung niedergelegt. Dass wir nicht verschuldet sind, dass wir nicht die Schuldnersklaven anderer sind. Wenn Sie an die Geschichte derer denken, die Kredite in Fremdwährungen aufgenommen haben, an die Frage der Besteuerung der Banken, an den Verlauf der Staatsverschuldung, dann kann man immer noch sagen, dass wir natürlich noch immer Schuldner sind, aber wir sind keine Schuldnersklaven mehr. Die dritte Sache, die von einigen so formuliert wurde, ist, dass es Probleme mit dem Menschen gibt. Ich würde sagen, trotz aller Probleme soll sich das im Allgemeindenken herauskristallisieren, dass man für nichts nicht etwas bekommen kann. Dies ist ein bisschen ein angelsächsischer Satz, ich habe ihn von Cameron übernommen, ich bitte um Verzeihung. Jene, die sagen, natürlich hilft dir der Staat, er steht dazu bereit, jedoch etwas für etwas, so etwas gibt es aber nicht, dass ich dir etwas für nichts gebe. Es soll irgendeine Gegenseitigkeit geben. Etwas, das die gegenseitige Verantwortung ausdrückt, nicht nur der trägt Verantwortung, der etwas besitzt, um zu geben, sondern auch der besitzt eine Art von Verantwortung, der nichts hat, und der darauf angewiesen ist, dass ihm gegeben wird, und irgendwie soll hieraus irgendeine Form des Zusammenwirkens hervorgehen, die „etwas gegen etwas“ Sozialpolitik, wenn ich so formulieren darf. Oder das „Etwas-gegen-etwas”-Programm der öffentliche Beschäftigung oder die „Etwas-gegen-etwas”-Beschäftigungspolitik. Ich habe das Gefühl, dies ist das öffentliche Denken, was das eine Fundament oder die eine Voraussetzung für die Lösung der Probleme darstellt, das in Ungarn ebenfalls gegeben ist. Und schließlich müssen wir die Fähigkeit, das Land zu verteidigen, in der Hand haben. Zum Teil auf der Seite der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, und zum anderen Teil gegenüber der äußeren Bedrohung, so unerwartete Formen diese auch annehmen sollte, zum Beispiel die, die wir gerade jetzt erleben. Das heißt ich wollte Pater Osztie auf die 661-er Zahl antworten, dass ja, dies ist eine hohe Zahl, doch wir sind souverän, können in unserem eigenen Leben souverän sein, können souverän in der Lösung der Sorgen unseres eigenen Lebens sein und das ist eine große Sache.
Ich werde mich jetzt auf ein Gebiet verirren, auf dem ich nicht zuständig bin, da ich einen Kommentar zu jener Bemerkung von Pater Osztie hinzufügen möchte, nach der die Kirche, worunter er, glaube ich, die katholische Kirche verstand, jedoch befürchte ich, dass der Wahrheitsgehalt dessen, was er sagte, über das Terrain der katholischen Kirche hinausgeht und auch im Falle anderer christlicher Kirchen wahr sein kann, dass sie keine Strategie besitzen. Ich habe meinen Minister, Herrn Zoltán Balog, angestoßen, und ihm gesagt, dass jetzt, wo Herr Bischof András Veress gewählt worden ist, es eine Strategie geben wird, aber ob dies für die Regierung eine dankbare Angelegenheit sein wird, das wissen wir jetzt noch nicht mit Sicherheit. Ich denke nämlich, dass es eine Strategie geben wird, ich bin mir in Kenntnis der vergangenen zwanzig Jahre des Zusammenlebens mit den Bischöfen und Führern der katholischen Kirche darin beinahe sicher, und ich weiß auch, dass es für die Regierung nicht einfach sein wird, denn es wird dann die offene Präsentation sehr bestimmter, klarer Ansprüche, Erwartungen, moralischer und anderer Gesichtspunkte auf den Tisch liegen, was spannend und interessant sein wird, wie auch das Gespräch mit der Hoffnung, wie Pater Osztie es gesagt hat, am Ende eine gute Frucht hervorbringen oder uns geben wird.
Wann sind die Zivilen wichtig? Auch dies hat er angeschnitten. Dass sie, wenn wir uns der Kampagne nähern, wichtiger erscheinen als zwischen den zwei Wahlen. Hierin liegt viel Wahrheit, jedoch betrachte ich dies als eine natürliche Wellenbewegung, und ich habe mir hier den Satz aufgeschrieben, schau nicht auf unsere Sünden, sondern auf den Glauben deiner Kirche. Ich möchte daran eine Anmerkung knüpfen, dass es eine der schwierigsten Fragen ist – ich diskutiere nicht das erste Mal über solche Schriften mit Pater Osztie und den von ihm gerufenen Intellektuellen –, eine der schwierigsten Fragen ist intellektuell, wie man auf christlicher Grundlage vernünftige wirtschaftspolitische Vorschläge machen kann. Dies ist keine so einfache Sache. Denn die moderne, sagen wir es so, kapitalistische, auf das Privateigentum aufbauende Wirtschaft ist ohne den Nutzen, ohne den Profit nicht deutbar, sie funktioniert nicht, wie wir zu sagen pflegen, fällt ein Fahrrad, in dessen Pedale nicht getreten wird, um. Zugleich ist auch klar, dass das Gemeinwohl auch im Wirken der Wirtschaft auf irgendeine Weise Raum erhalten muss, und diese beiden Dinge miteinander zu vereinen, gehört zu den schwierigsten Aufgaben bei der Ausarbeitung eines Programms, und ich möchte an dieser Stelle nur auf soviel verweisen, der Text ist vielleicht in dieser Hinsicht korrekt und legt für uns gute Richtungen fest, er gibt bedenkenswerte und gute Richtungen vor, dass es für uns lohnenswert ist, die Wirtschaftspolitik der Deutschen, die sie in der Zeit von Helmut Kohl betrieben haben, hervor zu nehmen, in der das Allgemeinwohl, die Verantwortung, das Interesse und der Nutzen noch in einer organischen Einheit zum Ausdruck kommen konnten, und obwohl das heutige Wirtschaftswunder unmittelbar den danach folgenden Maßnahmen zu verdanken ist, so wurden doch seine Grundlagen, seine geistigen Fundamente im Zeitraum der 16 Jahre währenden Regierung von Helmut Kohl niedergelegt, von dort lohnt es sich für uns vielleicht mehr zu schöpfen.
János Martonyi sagte, solch eine Schrift sei ein Risiko, die Veröffentlichung solch eines Programms bedeute auch immer ein Risiko, man werde es falsch verstehen, man werde es fehlinterpretieren. Wie wahr! Jedoch kann man dies nur auf eine einzige Weise vermeiden. Genauer gesagt, kann man es auch auf zweierlei Weise vermeiden. Erstens: Wir sagen nichts. Es gibt so eine politische Schule. Dies ist die Schule der Westernfilme, kein Text, nur die Hand bewegt sich. Dies ist eine zum Ausbau des eigenen Lagers, zur Festlegung von Perspektiven keine sehr geeignete politische Schule. Oder wir können es auf die Weise vermeiden, wenn wir das sagen, was die anderen sagen, dann gibt es kein Problem. Das Problem ist aber, das wir das nicht können. Das können wir nicht. Zweifellos müssen sich auch die Ungarn an die Kräfteverhältnisse anpassen. Und man darf nicht mit dem Kopf gegen die Wand rennen, und man kann die Gesichtspunkte der Vernunft nicht beiseite werfen, doch bedeutet es den Ungarn Schwierigkeiten, dass wenn sie etwas erkannt haben, und zwar etwas, dem sie Bedeutung zumessen, dies nicht auszusprechen, nicht zu formulieren, nicht auch die Aufmerksamkeit anderer darauf zu lenken. Wenn dieses Dokument schon mit dem Nationalcharakter beginnt, dann lohnt es sich vielleicht, auch dies hier einzubringen. Ich würde an dieser Stelle nicht den Ausdruck von dem Aussprechen der Wahrheit gebrauchen, sondern vielmehr den der intensiven Sicht auf das Wesentliche, die im ungarischen Charakter enthalten ist. Er will Zusammenhänge erkennen, und noch dazu liebt er es, komplizierte zu erkennen, und wenn er sie schon erkannt hat, dann liebt er es, dies mit anderen zu teilen. Dies ist in der ungarischen Volksseele mit dem Fragenkreis der Feigheit verbunden. Also nicht wahr, wenn ich die ungarische Welt richtig verstehe, dann herrscht hier jene Allgemeinweisheit, dass ein jeder glücklich sein kann, der Hässliche und auch der Schöne, der Dumme und auch der Kluge, der Fleißige und auch der Faule. Nach der ungarischen Auffassung kann eine Art von Mensch niemals glücklich sein, und dies ist der feige. Weil der ungarische Mensch ständig seiner eigenen Feigheit bewusst ist, wenn er feige ist. Dies kann man nicht über alle Völker behaupten. Doch der Ungar weiß über sich, wann er feige ist; dies bedrückt ihn, tut ihm weh, bekümmert ihn und lässt ihm keine Ruhe. Aus diesem Grunde will dann früher oder später der Gedanke aus ihm heraus, durch den er sich von seiner eigenen Feigheit befreien kann. Meiner Ansicht nach ist dies eine wichtige Sache, und deshalb kann man auch kaum vermeiden, das die ungarische Rechte, und es wäre gut, wenn auch die Linke dies nicht vermeiden könnte, dass die verschiedenen geistigen Gruppierungen regelmäßig all das formulieren, was sie beschäftigt, und eine Art Mut des intellektuellen Schriftgelehrten und der Verantwortung zeigend sowie das hiervon abweichende Verhalten als Feigheit qualifizierend so hervortreten würden, wie dies auch jetzt geschieht, mit den Gedanken, die ihrer Ansicht nach die Politik beachten müsste.
Meine verehrten Damen und Herren!
Nun möchte ich auf das übergehen, was ich sagen wollte. „Zeichen der Zeit.” Mir ist, als ich mich hingesetzt habe, um über dieses Dokument eine Bewertung zu schreiben, der Satz eingefallen: „Die Zeit ist wahr, und sie entscheidet, was es nicht ist.” Dies empfinde ich jetzt als passend, denn im Jahre 1996 ereignete sich schließlich im Interesse der Verbesserung der Nation zwischen früher in verschiedene politische Richtungen orientierten Kräften die Absicht, die Übereinstimmung im Wollen und der Abschluss eines politischen Bündnisses. Dies ist das Wesentliche der ’96-er Geschichte. 19 Jahre sind vergangen. Der Bündnisabschluss muss, damit er Bestand hat, über sichere Grundlagen verfügen. Was wir heute sagen können, ist, dass eine geistige Basis für die langfristige Aufrechterhaltung eines Bündnisses notwendig ist. Alle diese Schriften, die wir jetzt hier diskutieren – auch früher haben wir diskutiert, auch über den Sankt-Stephans-Plan haben wir diskutiert – bezeugen, dass unser Bündnis über die geistigen Grundlagen verfügt, doch zum Abschluss eines Bündnisses bedarf es auch der menschlichen Grundlagen. Die persönliche Loyalität, die Freundschaft, die Kameradschaft, und ich muss sagen, wenn wir auf die Frage eine Antwort finden wollen, dass dies heute nicht von sich aus und nicht immer so ist, warum heute die bürgerlich-national-christliche Seite in einem derart gewaltigen Maße über seine Rivalen türmt, weil unter uns gesagt, dies ist jetzt die Lage, die Frage der Verdienste wollen wir jetzt nicht anschneiden, aber dies ist die Lage, so stehen wir, dann findet sich meiner Ansicht nach hier die Lösung. In dieser Gemeinschaft gibt es Loyalität, Freundschaft, Kameradschaft, Hingabe und Ausdauer. Und an dieser Stelle möchte ich besonders auf die nicht 7, sondern 8 magere Jahre nach 2002 aufmerksam machen, in denen es in der damals großen Not nicht so einfach war miteinander so durchzuhalten, wie im Übrigen die Verfasser dieser Schrift persönlich, die Leiter dieser Organisationen persönlich und diese Organisationen auch als Institutionen an bestimmten Werten und an den anderen loyal festgehalten haben. Dies gibt heute der ungarischen bürgerlich-nationalen-christlichen Seite ihre als uneinholbar scheinende – so eine gibt es natürlich nicht, aber –, beinahe uneinholbar scheinende Dominanz gegenüber anderen politischen Organisierungen.
Es ist auch ein Zeichen der Zeit, dass ich zu dem Veteranen geworden bin, der darüber berichten muss, was auf welche Weise passiert ist. Ich sage nicht, dass ich der letzte Augenzeuge bin, jedoch einer der letzten. Wie ist diese Sache denn geschehen? Die Sache ist auf die Weise geschehen, dass 1994 – wie wir das damals ausdrückten, heute hört sich dies ungekämmt und ungewaschen an, doch dies ist die Wahrheit, nicht wahr – die Kommunisten zurückkamen. In ’94 zweifellos in veränderter Form, verwandelt. Ich möchte ihre Verdienste in dem Systemwechsel, die wesentlich geringer sind, als sie es selbst behaupten, nicht abstreiten, doch sie kamen zweifelsohne im Rahmen von Parlamentswahlen zurück, und – sagen wir, nicht auf sowjetischen Panzern, was eine qualitative Veränderung darstellt, dies können wir kaum in Abrede stellen, oder dass sie nicht auf die Weise zurückgekommen sind, dass sie vorher ihre politischen Gegner verhaftet hätten, wie sie auf diese Weise Ende der vierziger Jahren die Wahlen gewonnen hatten, sondern – sie kamen zurück. Dies war damals ein ernsthaftes Trauma. Jetzt rufe ich nicht jene Diskussionen in Erinnerung, auch weil ich mich selbst nicht genau erinnere, die noch vor ’94 geführt worden waren, als József Antall noch lebte, Péter Boross Innenminister war, ich könnte auch die alten anführen, Imre Kónya oder eben Balázs Horváth, der ebenfalls Innenminister war. Und ich könnte hier auch jene Gespräche anführen, in denen es darum ging, ob es überhaupt möglich sei, dass in Ungarn ohne eine äußere Besatzung im Rahmen freier Wahlen jene zurückkommen, die früher eine Einparteiendiktatur in diesem Land aufgebaut hatten. Und damals gab es viele, die glaubten, dies sei unmöglich, doch ’94 stellte es sich heraus, dass sie sich geirrt hatten, dem ist nicht so, dies ist möglich. Es ist auch eingetreten. Und damals, im Oktober ’94 – es hatte seine Anfänge schon im Sommer, doch im Oktober – kam es zur Manifestation dessen vor der Öffentlichkeit, wurde der Versuch zum Aufbau des bürgerlichen Bündnisses unternommen. An dieser Stelle muss ich auch die Person von unserem Herrn Erzbischof Seregély in Erinnerung rufen, der hoffentlich eine Einladung bekommen hat, und nicht aus dem Grunde heute nicht hier ist, weil wir ihn vergessen haben, sondern vielleicht aus einem anderen Grund. Wenn er Probleme mit seiner Gesundheit hat, dann wünsche ich ihm Besserung, weil er war für uns alle jener mutigste Kirchenführer im Herbst ’94, der persönlich jene politische Veranstaltung besucht hat, wo wir den Versuch unternahmen – vielleicht noch im Erkel Theater, noch bevor es geschlossen wurde –, gemeinsam Listen und Kandidaten für die Kommunalwahlen aufzustellen, das Ungarische Demokratische Forum (MDF), die Christlich Demokratische Volkspartei und die Fidesz. Was nicht einfach war, denn wir hatten die vorausgegangenen vier Jahre in der Opposition verbracht, wir waren nicht untätig, wovon die Angehörigen des MDF erzählen könnten, und das MDF war an der Regierung gewesen. Und dann haben wir ’94 jenen gemeinsamen Entschluss gefasst – in unserem Fall war das eher ein Entschluss, in ihrem Fall eher Zwang –, dass wir nicht mit jenen zusammenarbeiten wollen, gegen die wir im Jahre ’90 den Systemwechsel durchgeführt haben, sondern lieber in der Opposition bleiben, und irgendeine Form der Zusammenarbeit suchen sollen. Und hier war es Herr Erzbischof Seregély, der auch durch seine persönliche Anwesenheit deutlich machte, dass es eine Art von – er erlaubt vielleicht, dass ich es so formuliere – Erwartung gibt in Hinblick darauf, dass die die bürgerlichen, nationalen und christlichen Werte akzeptierenden – bleiben wir jetzt noch dabei: akzeptierenden – Kräfte sehr wohl im gegenseitigen Interesse und im Interesse der Heimat zusammenarbeiten sollten. Und damals gelang dies nicht. Es gelang also im Herbst ’94 nicht, das bürgerliche Bündnis ins Leben zu rufen, hieran erinnert sich niemand mehr, doch der erste Versuch war ein Fehlschlag. Das Ergebnis dessen war, dass aus der Christlich Demokratischen Volkspartei später jene ausschieden, die unter dem Titel des Christlich Demokratischen Bündnisses zu einer Zusammenarbeit bereit waren, und ein komplizierter innerer Kampf innerhalb des MDF, als dessen Ergebnis es dann schließlich im Jahre ’98 gelang, mit dem MDF ein Bündnis zu schließen. Ich halte es also aus dem Grunde für wichtig, das Bild und die Rolle unseres Herrn Erzbischof Seregély hierher zu beschwören, weil ich seitdem auch als eine Richtschnur darauf zurückblicke, wie er mit uns umgegangen ist. Oft hat er uns gemahnt, häufig hat er uns mit übertriebener Strenge gemahnt, hat die Größe unserer Sünden übertrieben, jedoch lag immer Wahrheit in dem, was er uns vorwarf, und die Zeit hat ihn im Allgemeinen in diesen Angelegenheiten bestätigt. Und dann kamen wir ’96 zu dem Apropos unseres heutigen Treffens. Mit einer mutigen Geste hat Herr Professor Nemeskürty – dessen Rolle wir jetzt hier ebenfalls herbeizitieren müssen – gemeinsam mit Herrn Bischof Endre Gyulay sich erlaubt, und ich erinnere mich noch an die Erscheinung des Herrn Professor, wie er im Margit-Gymnasium draußen auf der Bühne stand und uns sagte, es habe in der Geschichte des ungarischen öffentlichen Lebens noch kein Beispiel dafür gegeben, dass die katholische Kirche bereit gewesen wäre, ein von ihr selbständig herausgegebenes Rundschreiben, einen Rundbrief, die den Titel „Eine gerechtere und brüderlichere Welt” tragende Diskussionsschrift zusammen mit einem ähnlich perspektivische Pläne formulierenden Dokument irgendeiner politischen Organisation oder Körperschaft zu diskutieren. Es habe dafür noch kein Beispiel gegeben – sagte der Herr Professor. Und ich denke, darin, dass dies zustande kam, darin steckt auch die persönliche Überzeugungskraft, die unermüdliche Arbeit und sein in die Jugendlichen gesetztes, damals noch nicht vollständig begründetes, aber nachträglich vielleicht bestätigtes Vertrauen des Herrn Professor. Seitdem beschäftigt sich diese Gemeinschaft, und aus diesem Grunde können wir auch heute mit den kirchlichen Organisationen zusammenarbeiten, und seitdem beschäftigt sich diese Gemeinschaft mit dem Problem der Wahrheit und der Mehrheit. Was eine der größten Herausforderungen für die moderne Demokratie, für die christlich orientierten, auf christlicher Grundlage stehenden Organisationen ist. Denn was ist hier die Situation?
Die Lage sieht so aus, dass man vergeblich Recht hat, wenn man dazu über keine Mehrheit verfügt. Und man hat vergeblich die Mehrheit, wenn man nicht der Wahrheit dient? Und wie kann man dies auflösen, denn auf Grund der Wahrheit kann man nicht immer eine Mehrheit sammeln. Damit sind wir bei einem komplizierten Fragenkomplex angekommen, dies alles will ich jetzt hier nicht ausführen, nur möchte ich andeuten, dass auf dieses Problem, dass zugleich ein philosophisches, ein Werteproblem und ein Problem des Organisationsaufbaus war, jene Antwort entstand, die wir heute als die KDNP-Fidesz-Zusammenarbeit bezeichnen, wo es in unserer politischen Gemeinschaft einen Akteur gibt, die KDNP, die nicht den Stimmen hinterherlaufen muss, weil das Bündnis mit uns ihr die politische Kraft und das Gewicht garantiert. Sie hat nur eine einzige Funktion, als Schiffsanker zu dienen, wir sind an bestimmte Werte gebunden, und die Frage ist eine taktische Überlegung, ob das Ankertau kurz oder gerade lang ist, doch eine Sache ist gewiss, dass sie seitdem verankert ist. Deshalb ist zum Beispiel auch die heutige Zusammensetzung des Verfassungsgerichtes überhaupt kein Zufall, was ich für mindestens ebenso wichtig halte, wie das Parlament, denn in gewissen Fragen gibt die Entscheidung des Verfassungsgerichtes ein Fundament, doch wenn wir uns das heutige Verfassungsgericht ansehen, dann ist das ein Verfassungsgericht mit grundlegend christlichdemokratischer Mehrheit. Hierüber pflegt man nicht zu sprechen, weil es sich irgendwie nicht gehört, jedoch wenn wir so ehrlich und offen sind wie die Amerikaner, die offen darüber sprechen, wie hoch der Anteil der progressiv, der republikanisch oder konservativ Denkenden in der Zusammensetzung des Obersten Gerichtes ist, dann können auch wir dies tun und ruhig sagen, dass es heute eine Mehrheit mit einem konservativen, christlichen, nationalen, bürgerlichen Wertesystem im Verfassungsgericht in Ungarn gibt, das mit seinen Entscheidungen im Übrigen jenen verfassungsmäßigen Fundamenten Geltung zu verschaffen versucht, die wir gemeinsam mit den Christdemokraten geschaffen haben. Dies ist eine gute politische Konstruktion. Ich halte es für eine Schlüsselfrage, dass hier in den kommenden Jahren oder Jahrzehnten die Einheit bestehen bleibe, diese Art von eigentümlicher Konstruktion erhalten bleibe, in der eine gute Arbeitsteilung zwischen der Christlich Demokratischen Volkspartei und der Fidesz besteht.
Meine verehrten Damen und Herren!
So sind wir dann zur Regierung von ’98 gekommen. Dann geschah im Jahre 2002 das, was geschah, wir haben viel gelernt. Vielleicht würde ich diese herrlichen Jahre auf diese Weise charakterisieren, und dann hatte 2005 der Batthyány Kreis der Professoren das Gefühl, die Zeit sei gekommen, um uns wachzurütteln, und sagte, gut, gut, natürlich, Kämpfe müssen hier gefochten werden, doch damit sich auf das Hornsignal hin auch Heere unter den Fahnen versammeln, müsste man doch etwas sagen. Nicht nur, was für eine schöne Sache es ist, zurückzuschlagen, und das wir irgendwie die dort in unserer Handfläche uns kitzelnde Ohrfeige in einer kultivierten, demokratischen Form herauslassen sollten. Auch dies ist ein schönes politisches Programm, doch müsste man mehr als dies sagen, das Land verdient mehr als das. Und dann haben sie den Sankt-Stephans-Plan unter Dach und Fach gebracht. Was ich für ein sehr wichtiges Dokument halte. Es erhält vielleicht gemessen an seinem Gewicht und Bedeutung weniger Aufmerksamkeit in den Schriften der ungarischen Politikgeschichte, doch der Umstand, dass 2010 das ungarische Volk nicht das Gefühl hatte, die sich auf den Wahlsieg vorbereitenden politischen Kräfte würden ohne ein langfristiges Programm in den Kampf ziehen, sondern da steckt etwas hinter ihnen, das war dem Sankt-Stephans-Plan zu verdanken. Natürlich kann man mit ihm diskutieren, einzelne seiner Teile kann man lieben oder nicht lieben, doch ist es ein zusammengefasstes, umfassendes Bild, ein Plan, eine Beschreibung dessen, in was für einem Ungarn wir uns wirklich zuhause fühlen würden. Also möchte ich an dieser Stelle auch den Verfassern des Sankt-Stephans-Plans nachträglich den ihnen zustehenden Respekt bekunden.
Und jetzt sind wir hier in 2015, und wir diskutieren über ein Dokument, dass mindestens für zehn Jahre Bestand haben kann. Ich habe nicht den langen großen Studienband gelesen, sondern dieses kürzere Material, das ich vom Herrn Minister bekommen habe. Diese Schrift kann zu Recht den Anspruch erheben, der Kompass für die folgenden zehn Jahre zu sein. Es wird noch viele Diskussionen darüber geben. Ich höre, dass auch eine landesweite Debatte geplant ist, es wird sich dann lohnen, auch noch jene Erfahrungen zusammenzufassen, das ganze in eine endgültige Form zu bringen, aber ich denke, wenn diese Arbeit von jenen, die sie auf sich nehmen und denen ich hierfür respektvoll danke, vollbracht worden sein wird, dann wird die bürgerlich-national-christliche Gemeinschaft erneut ein Dokument besitzen, entlang dessen Inhalt über etwa zehn Jahre hinweg die nach unseren Hoffnungen sich bildenden rechten Regierungen ihre Aufgabe werden ehrenvoll bewältigen können.
Meine verehrten Damen und Herren!
Ich möchte auch noch, während ich weiß, dass ich meine Zeit verbraucht habe, einen Gedanken darüber vorbringen, dass wir darauf stolz sein sollten, worauf bereits die vor mir Redenden verwiesen hatten, dass wir die sicheren verfassungsmäßigen Grundlagen eines Ungarn mit bürgerlich-national-christlichen Anschauungen niedergelegt haben. Es ist deshalb wichtig, dies zu betonen, denn die Debatten um die Verfassung und deren Glut, deren feuerwerkartigen Lichterscheinungen haben jenen einfachen, lakonischen Satz in den Hintergrund gedrängt, nach dem dies seit die ungarische Nation besteht, die erste schriftliche, demokratische Verfassung der ungarischen Nation ist. Denn es ist die erste schriftliche Verfassung, nicht wahr, früher herrschte in Ungarn die auf der Grundlage der Lehre von der Heiligen Krone stehende, ungeschriebene Verfassung, entsprechend den angelsächsischen Traditionen, dann kam die geschriebene, kommunistische Verfassung, dann deren Modifizierung, die sich selbst auch nur als eine Übergangsverfassung betrachtete, und danach kam die erste demokratische, geschriebene Verfassung, die mit unserer politischen Gemeinschaft verbunden ist.
Meine verehrten Damen und Herren!
Ich halte es für wichtig, dass diese Verfassung von den Problemen auf eines, vielleicht gerade auf das durch unseren Herrn Bischof Gyulay Gesagte reagiert, was den Fragenkomplex der Verantwortung, Pflicht und Freiheit angeht. Denn das eine Kapitel dieser Verfassung, das es sich von Zeit zu Zeit erneut zu lesen lohnt, trägt den Titel „Freiheit und Verantwortung ”, und es weist gerade auf das, worüber auch der Herr Bischof gesprochen hat, unsere Verfassung macht deutlich, dass wenn wir die Freiheit von der Welt der Verantwortung lösen, sie trennen, dann wird daraus am Ende nicht Freiheit werden, sondern Einsamkeit. Eine sich vervielfachende Einsamkeit, aus der Einsamkeit viele unglückliche Menschen, und aus der Unglücklichkeit Frustration, und aus der Frustration politische Spannung, Zündstoff, der am Ende unsere Gesellschaft und die für uns wünschenswerten Rahmen des Zusammenlebens auseinanderstemmt. So dass die Verbindung von Freiheit und Verantwortung, was auch in diesem Dokument Raum erhält, meiner Ansicht nach eine Schlüsselfrage ist.
Im Zusammenhang mit der Frage der Schulden möchte ich Ihnen noch soviel sagen, natürlich pflegen wir immer über die Staatsschulden zu reden, doch wenn ich auf die Schuldnersklaverei zurückkommen darf, dann muss ich sagen, dass es in den vergangenen fünf Jahren gelungen ist, die Schuldenbelastung der Menschen bedeutend zu verringern, die monatlichen Raten sind heute nicht mehr so hoch, wie sie es früher waren, die der Betriebe – hier gebührt die Anerkennung György Matolcsy –, die der Siedlungen, weil der Staat die Schulden von den Siedlungen übernommen hat. Schließlich gelang es den in teilweise Devisen bestehenden Anteil der Staatsschulden zum Teil zu senken, auch das im Bruttonationaleinkommen in Prozent ausgedrückte Maß gelang es uns zu verringern.
Und abschließend möchte ich darüber sprechen, worüber auch János Martonyi gesprochen hat. Weil es hier ein Problem gibt, eine Herausforderung, falls die wir nicht bestehen, wenn wir sie nicht beheben, wenn wir nicht in die Schranken treten, dann wird jenes Europa, über das uns hier János Martonyi erzählt hat, und das wir alle lieben, und über das wir alle denken, das von unseren Vorfahren nicht wenige dafür auch ihr Leben hingeben würden, dieses Europa wird aufhören zu existieren. Und ich möchte jenes Missverständnis zerstreuen, und auch deshalb ist es gut, dass man auch unfrisiert sprechen darf, weil ich mit diesem Gedanken noch nicht ganz fertig bin. Diesen muss ich bis zum Kongress der Fidesz irgendwie herauskristallisieren, und bis dahin sind es noch zwei Wochen, doch die Situation liegt hier vor uns, dass es sich nicht einfach um Unentschlossenheit, nicht einfach um Ungeschicklichkeit, nicht einfach um die falsche Erfassung der Situation geht, wenn wir sehen, dass entgegen jeder Erklärung, entgegen jeder Beratung auch täglich mehrere tausend Menschen nach Europa hineintransportiert werden. Sie gehen nicht mehr, das haben Sie sicher bemerkt, es geht nicht darum, jetzt werden sie schon transportiert, und meine Behauptung ist die, dass dies kein Zufall sein kann. Ich kann es mir nur schwer vorstellen, dass europäische Großmächte, denen durch ihren Geheimdienst, auf Grund ihrer Fähigkeit zum Sammeln von Daten, durch ihren Einfluss und ihr Geld die unbegrenzt zugängliche Intelligenz der Welt zu r Verfügung steht, derart unvorbereitet in so einen Konflikt oder solch eine Situation hineinspazieren, die wir jetzt Einwanderungskrise nennen. Es ist unmöglich, dass derart gut organisierte Staaten, die deshalb herausragende Staaten der europäischen Zivilisation geworden sind, weil ihre staatsbildende Fähigkeit außergewöhnlich ist, da sie organisiert, diszipliniert, stark, entscheidungsfähig sind, es kann nicht sein, dass dies nur Dilettantismus ist, was wir hier sehen. Der Mensch hegt den Verdacht, dass dies nicht zufällig so ist. Und wie wahr dies ist!
Ich lese Ihnen jetzt auch einige Gedanken vor, weil die Situation die ist, dass nicht nur wir unter Mitteilungszwang leiden, und es nicht nur die Rechten kränkt, wenn sie nicht erzählen können, was sie denken, die überspannte Sicht auf das Wesentliche ist nicht nur für die politische Rechte charakteristisch, sondern dies besitzt auch in der europäischen Linken Traditionen, und von Zeit zu Zeit schreiben sie auch nieder, was sie denken. Ich lese Ihnen auch vor, was geschieht, wenn ich das sagen darf, weil meiner Ansicht nach ist dies die Blaupause, der Plan, dessen Verwirklichung wir Tag für Tag sehen. „Die entsprechende Sichtweise anwendend können wir die Architektur der über den Staaten stehenden, trotzdem demokratischen Gemeinschaft erkennen. Wir müssen die Europäische Union als etwas betrachten, das aus gutem Grunde zwei gleichrangige verfassungsgebende Subjekte gemeinsam erschaffen haben, das eine bilden die europäischen Bürger, das andere die europäischen Staaten.“ Am Ende wird sich herausstellen, dass das einen Sinn hat. „Aus dieser Perspektive wird klar, dass die Pazifikation der kriegführenden Nationen, also nicht nur die Gründung der Organisation der Vereinten Nationen, sondern auch das die Vereinigung Europas motivierende Ziel die Ausgangsgrundlage für ein ferneres Ziel geschaffen hat, nämlich zur Erschaffung der über die Nationalstaaten hinausgehenden politischen Handlungsfähigkeit.“ Ich fahre fort. „Die internationale Fähigkeit der Staaten muss sich zur kosmopolitischen Gemeinschaft der Weltbürger weiterentwickeln.“ Das heißt also, die Staaten, die internationale Gemeinschaft der Staaten muss sich zur kosmopolitischen Gemeinschaft der Staaten und Weltbürger weiterentwickeln.” „Die Perspektive der politisch konstruierten Weltgesellschaft“, dies hat selbst Ferenc Kőszeg in irgendeinem Wochenblatt zitiert, so bin ich auf diesen ausgezeichneten Aktionsplan gestoßen. „Die Perspektive der politisch konstruierten Weltgesellschaft scheint nicht derart utopistisch zu sein, wenn wir beachten, dass die Menschenrechtsrhetorik und die Politik in den vergangenen einigen Jahrzehnten tatsächlich global effektiv werden konnte. Dieser kosmopolitische Anspruch bedeutet, dass sich die Rolle der Menschenrechte nicht in der moralischen Kritik der ungleichen Verhältnisse der vielschichtigen Weltgesellschaft erschöpfen darf, die Menschenrechte müssen sich auch institutionell in der politisch konstituierten Weltgesellschaft manifestieren.” Das heißt das Recht auf Flucht, des Wanderns, der Bewegung, des Woanders-Hingehens ist – im Gegensatz zu der Tőkéczkischen Verantwortungsannäherung – in Wirklichkeit als das Menschenrecht zu verstehen.
Meine verehrten Damen und Herren!
Wir stehen vor nicht weniger und vor keiner kleineren Herausforderung, als vor dem Tor der Verwirklichung der bewussten, als linke zu bezeichnenden geistigen Konstruktion, die die Nationalstaaten in Europa in Klammern setzen möchte, und wenn sie es schon nicht mit dem Christentum und der nationalstaatlichen Identität, mit den daraus entspringenden Werten und der Verantwortung in der Welt der traditionellen politischen Auseinandersetzung nicht aufnehmen konnte, so versucht sie jetzt die ethnischen Grundlagen dessen zu liquidieren. Dies ist die traurige Wahrheit. Es ist Verrat, meine verehrten Damen und Herren! Europa ist verraten worden, und wenn wir uns nicht für dieses Europa engagieren, dann wird man uns dieses Europa wegnehmen. Dieses Europa wird nicht mehr das Europa der europäischen Bürger sein, sondern es wird die rauschhaften Träume einiger gut organisierter – wenn Sie jetzt an die Soros-Stiftung denken, dann ist dieser Gedanke nicht unbegründet –, einiger gut organisierter, große Gelder hin- und herbewegender, über die Rahmen der Nationalstaaten hinaus denkender Aktivisten, von niemandem gewählter Führer erfüllen. Das wird mit Europa in den nächsten Jahren geschehen, anstatt dass unser Europa, das der Bürger bleiben könnte. Kann sein, dass dies als übertrieben erschient, kann sein, dass es als verfrüht erscheint, es kann sein, dass das was ich gesagt habe, in einigen Elementen als ungerecht erscheint, aber ich kann jene Ereignisse, deren Zeuge wir Tag für Tag werden, nicht anders erklären. Was kann die Medizin sein? Die Medizin ist die gleiche, wie sie es auch früher immer war.
Wir müssen die Frage stellen, die erstrangige Frage der Demokratie. Wer hat die europäischen führenden Politiker damit beauftragt, auf Grund welcher Ermächtigung geschieht das, dass sie zu Hunderttausenden die von der europäischen Kultur abweichenden Gruppen nicht einfach auf den europäischen Kontinent hereinlassen, sondern sie hineintransportieren? Auf eine Weise, dass langsam unsere europäische kulturelle Identität in Frage gestellt wird. Wer hat ihnen dazu die Ermächtigung gegeben? Niemand hat hierzu die Ermächtigung gegeben, einige Intellektuelle haben ausgezeichnete Bücher hierüber verfasst. Aus solch einem habe ich zitiert, doch die Antwort kann von unserer Seite aus nur sein, dass wir entgegen dieser Verschwörung, diesem Verrat uns an die Demokratie, an das Volk wenden müssen, und wir müssen erreichen, dass wir die europäischen Menschen, ganz gleich ob als europäische Menschen oder als Bürger der Nationalstaaten auf irgendeine Weise zu Worte kommen lassen, damit diese Menschen sagen können, dass sie das, was geschieht, nicht wollen, dass sie hieran anders herangehen, die Ereignisse in einem anderen Kontext deuten, und das Recht haben, auf demokratische Weise Ja oder Nein zu alldem zu sagen, was jetzt in Europa geschieht. Man muss die Formen dessen erschaffen, man muss früher oder später eine europäische Debatte beginnen, ich will jetzt gar keinen Vorschlag im Rahmen des öffentlichen Rechts zur Durchführung dieser machen, doch möchte ich andeuten, dass meiner Ansicht nach wir uns eine große europäische Diskussion in dieser Frage nicht ersparen können.
Dies ist umso mehr so, meine verehrten Damen und Herren, weil wir gar nicht bemerken, wie tief wir sinken. Europa bemerkt gar nicht, wie tief es inzwischen schon angelangt ist, wohin es gesunken ist. Da ist diese Angelegenheit des Zaunes. Jetzt sehen Sie sich nur an, die Österreicher sind ein gutes Volk, ich sage nicht, dass unser Zusammenleben mit ihnen in den vergangenen einigen hundert Jahren ohne Fehler gewesen wäre, aber trotzdem gehören die Österreicher zur dezenten Art. Dieses Land ist doch nach dem Zweiten Weltkrieg auf Grund aller messbarer Indikatoren das erfolgreichste europäische Land, und noch dazu ein demokratisches Land. Und sehen Sie sich das an: Der gewählte Bundeskanzler sagt, sie werden keinen Zaun bauen, sondern ein Tor, das lange Flügel haben wird. Nun ist dies, so beim ersten Hören, nicht wahr, eine witzige Sache, aber betrachten wir dessen Jämmerlichkeit. Wohin sind wir gekommen, dass jenes Europa, auf das wir aus dem Grunde stolz waren, weil dies die Welt der Gedankenfreiheit, der freien Rede, der Meinungsfreiheit war, sich heute in einem geistigen Zustand befindet, dass man bestimmte Worte nicht aussprechen darf, und nicht etwa schlechte Wörter, sondern das Wort „Zaun“. Es geht nicht darum, dass der österreichische Bundeskanzler diese Buchstaben in der Schule versäumt hätte oder seine Lautbildungsorgane bei diesen wenigen Buchstaben nicht funktionieren, sondern es geht darum, dass er glaubt, bestimmte Worte auszusprechen könnte in Europa derart schwerwiegende politische Konsequenzen nach sich ziehen, dass er sich dies nicht erlauben kann. Doch sollte dies unser auf Freiheit, auf Rede-, Meinungs- und Gedankenfreiheit aufgebaute Europa sein? Dass man nicht einmal mehr über die Probleme, die Gedanken und die Vorschläge sprechen darf?
Meine verehrten Damen und Herren!
Ich glaube, das Problem ist groß. Ich möchte den Verfassern der Schrift einen Vorschlag unterbreiten, denn diese Schrift beschäftigt sich indirekt mit dieser Frage, doch würde ich vorschlagen, dass man dieses Dokument vielleicht noch um ein „Europas Zukunft, seine Identität“ betiteltes Kapitel ergänzen könnte, das versucht, diesen Fragenkomplex zu entfalten.
Meine verehrten Damen und Herren!
Ich möchte meine Ausführungen damit beenden, mit dem in die gleiche Richtung weisenden Gedanken, den auch schon andere vor mir formuliert haben. Das Ziel dieser europäischen Diskussion müsste sein, dass sich ein starkes und christliches Europa herauskristallisiert, aus dieser Debatte hervorgeht. Und dass wir in diesem starken und christlichen Europa in einem bürgerlich-christlichen Ungarn unser Leben leben können. Wenn jemand glauben sollte, dies wäre kein europäischer Gedanke, dann möchte ich ihn daran erinnern, dass Schuman, der einer unserer Väter und Meister war, sagte, Europa wird christlich sein, oder es wird nicht sein. Heute stehen beide Wege vor Europa offen.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!
(Cabinet Office of the Prime Minister)